Kretas König hat Neptun bei seiner Rettung auf stürmischer See geschworen, das erste Lebewesen zu opfern, das ihm auf dem Festland begegnet.
Tenor vor „Idomeneo“-Premiere in Köln„Da muss man am Ende schon das Hemd wechseln“
Haben Sie vor der Premiere des „Idomeneo“ auch ein bisschen Zeit gefunden, Karneval zu feiern?
Ich habe tatsächlich zwei Tage gefeiert, Sonntag und Montag. Das musste sein. Ich war auch sehr dankbar, dass das zwei Tage ohne Oper waren, um einfach mal den Kopf frei zu kriegen.
Was ist ihr Lieblingslied?
Dieses Jahr: von den Räubern „Oben Unten“.
Der „Idomeneo“ ist Ihr Rollendebüt, ist es eine große Herausforderung?
Ja. Zum einen, das ganze textlich beisammenzuhalten. Es gibt viele, viele Rezitative. Und dann ist auch die Inszenierung von Floris Visser eine Herausforderung. Er hat von Anfang an ein sehr detailliertes, klares Konzept gehabt. Takt für Takt hat er seine Ideen umgesetzt.
Sie sind in den unterschiedlichsten Genres sehr versiert, aber Mozart ist doch sicher immer noch sehr speziell?
Er ist gnadenlos. Man merkt bei wenig anderen Komponisten so deutlich, wenn etwas nicht funktioniert.
Als 25-Jähriger guckte er sich genau die Sänger an, für die er den Idomeneo schrieb. Anton Raaf in der Hauptrolle war bereits 66 Jahre alt und womöglich über seinen Zenit hinaus. Spüren Sie das heute an der Komposition?
Ich finde, man merkt es an den Rezitativen und in den Ensembles – die sind noch nicht so ganz ausgereift, wie später im „Figaro“ oder „Così fan tutte“. Da hat er sich noch deutlich gesteigert. Die Rezitative sind noch ein bisschen ungelenk, erinnern etwas an Haydn-Opern. Aber mit 25 so ein Werk zu komponieren, das ist schon Wahnsinn.
Lange war diese Oper nicht im Blickpunkt.
Vielleicht ist es die Story. Dass man von alten, mythischen Erzählungen wegkommen wollte. Wenn man an die anderen Geschichten denkt, da geht es mehr um das Zwischenmenschliche, viele Liebesgeschichten, heiterer. Der „Idomeneo“ ist ja schon ein Drama.
Ihre jüngste Lied-CD heißt „Von Sagen und Helden“, das passt dann doch wiederum.
Genau.
Wie ist eine solche Heldenrolle schauspielerisch umsetzbar?
In unserem Fall sehr herausfordernd, aber genau das reizt mich auch an dieser Oper. Ich bin sehr froh, dass ich mich mit diesem Schritt von jugendlichen, naiven Typen wie Tamino und Belmonte ein bisschen distanzieren kann. Das ist endlich mal eine sehr gehalt- und charaktervolle Partie, wo man auch schauspielerisch aus sich rausgehen kann. Das wird ein sehr zerbrechlicher, traumatisierter, heimkehrender Kriegsherr. Alles, was sonst mit Seeungeheuer und Neptun mit Dreizack dargestellt wird, findet in Idomeneos Kopf statt. Das körperlich, mimisch darzustellen ist schon eine Herausforderung.
Er muss mit den Elementen kämpfen, alles ist tragisch. Wie spielt man das? Haben Sie da persönliche Erfahrungen? Katastrophen?
Das musste ich zum Glück bisher nicht erleben, deswegen kann ich das nicht abrufen. Aber gerade wenn es darum geht, das eigene Kind umbringen zu müssen – ich bin selbst zweifacher Vater – da muss ich nur einen kurzen Moment drüber nachdenken, und dann kriege ich schon Gänsehaut.
Das Ende ist aber trotzdem heiter…
Vielleicht ist es sogar eine Art kleiner Operetten-Moment am Ende. Für meinen Geschmack kommt diese Wendung etwas zu schnell. Die letzte große Szene ist der Opferaltar. Idomeneo soll seinen eigenen Sohn opfern, ist verzweifelt. Dessen Verlobte rennt dazwischen und bietet sich selbst als Opfer an. Dann plötzlich kommt eine Stimme aus dem Off und sagt „genug gelitten, deine Schuld ist dir vergeben. Einzige Bedingung, du musst den Thron an dein Kind abtreten.“ Das geht schon sehr plötzlich, da muss ich selbst noch überlegen, wie ich mit dieser Wendung umgehe. In unserem Fall ist Idomeneo geistig und körperlich so am Ende, dass er nur noch mit dem Rollstuhl weggeschoben wird.
Können Sie ein bisschen über die Inszenierung verraten?
Es ist keine historische Aufführung, es ist sehr in die heutige Zeit verlegt. Es gibt auch kein Seeungeheuer. Es geht um absolut traumatisierte Soldaten, die aus dem Einsatz zurückkehren. Idomeneo hat selbst befohlen, ein Kind umbringen zu lassen. In der Stadt, die er belagert hat und die von einem Kind regiert wurde, hieß es, keiner dieses Geschlechts darf übrigbleiben. Das hat ihn in unserer Inszenierung so traumatisiert.
Das sind biblische Ausmaße.
Unser Regisseur sagte von Anfang an, es gibt zwei Lager. Das eine ist Idomeneo und Elektra, die glauben an das Alte Testament, Auge um Auge, Zahn um Zahn. So wie er im Krieg hat ein Kind opfern müssen, so muss er zu Hause nun sein eigenes Kind opfern. Das andere Lager ist das mit dem modernen Sohn Idamante und Ilia, die sind mehr für Vergebung. Ein bisschen wie Romeo und Julia führen sie die verfeindeten Lager zusammen.
Was ist Ihre Lieblingsarie in „Idomeneo“?
Da kommen wir an „Fuor del mar“ nicht vorbei. Für jeden, der Idomeneo singen will, der Hauptgrund.
Aber es hat immer noch Leichtigkeit.
Das ist genau die Schwierigkeit, den richtigen Idomeneo zu finden. In dieser Arie braucht man eine unglaubliche Wendigkeit in der Stimme durch diese Koloraturen. Und es gibt andere Passagen, die durchaus heldisch sind, wo man richtig mit ganzem Körper zupacken muss. Bei der Szene, die ich da mache, muss man am Ende schon das Hemd wechseln.
Proben sie das zu Hause auch, vor ihren Kindern?
Nein. Ich hatte erst die kühne Idee, unseren großen Sohn mitzunehmen. Aber als das Regiekonzept vorgestellt wurde, habe ich das schnell wieder verworfen. Das war mir doch ein bisschen zu hart.
Sie selbst haben als Kind und Jugendlicher bei den Limburger Domsingknaben gesungen. Wie wichtig war das für Ihren Werdegang.
Unglaublich wichtig. Der Entschluss, Solist zu werden kam ganz spät. Ich habe mich jahrelang in Chören wohlgefühlt, dort Klänge zu erzeugen, ist das Größte. Jetzt kommt mir diese Erfahrung auch in den Ensemblemomenten auf der Opernbühne zugute. Meine Frau sagt immer, „dich kann nichts umhauen, du hast Stimmbänder aus Stahl.“ Das ist auch auf die lange Zeit in Chören zurückzuführen. Es war eine ungewöhnliche Kindheit, ich war nicht auf dem Fußballplatz unterwegs, habe in der Jugend auf viele Partys verzichtet, durfte dafür aber durch die ganze Welt reisen.
Was sagen Sie zur Situation der Knabenchöre heute, nach Corona?
Es war schon vor Corona schwierig. Kurz nach meinem Abitur, wurde der Internatsbetrieb in Limburg eingestellt. Eine Sparmaßnahme des Bistums. Und damit fing das Elend eigentlich an, denn früher lebte der Chor von Sängern aus ganz Deutschland. Jetzt ist es auf die Region beschränkt. Das ist traurig.
Sie kamen spät zur Oper, was war Ihr Initial?
Ich habe Schulmusik und Germanistik studiert, habe aber immer einen direkten Draht zur Gesangsabteilung der HfMDK Frankfurt gehabt. Dort wurde eine Johannespassion solistisch aufgeführt und es fehlte noch ein Arientenor. Ich bin eingestiegen. Nach dem Konzert kamen alle Gesangsprofessoren zu mir. Was wollen sie in der Schule? Sind sie wahnsinnig? Und ich habe in dem Projekt auch meine Frau kennengelernt, die auch Gesang studiert hat. Alle habe sie auf mich eingewirkt, mit 26 noch die Aufnahmeprüfung zu machen. Dann ging alles so unfassbar schnell. Ich kann das heute selbst kaum nachvollziehen.
In Limburg an der Lahn wurde Sebastian Kohlhepp 1981 geboren. Er studierte Gesang bei Hedwig Fassbender an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main und zählt heute zu den gefragtesten und vielseitigsten Sängern seiner Generation auf internationalen Bühnen.
Premiere des „Idomeneo“ unter musikalischer Leitung von Rubén Dubrovsky und in der Inszenierung von Floris Visser ist am 17. Februar, 19 Uhr im Staatenhaus. Weitere Aufführungen: 22., 25. und 28. Februar sowie am 2., 8., 10. und 13. März. Eine Einführung gibt es 30 Minuten vor Vorstellungsbeginn.