Bestseller-Autorin Jojo Moyes besucht die lit.Cologne und spricht im Interview mit Axel Hill über den Brexit, ihre zerbrochene Ehe und neue Projekte.
Interview auf der lit.CologneJojo Moyes und ihr neues Leben

Pandemie und Lockdown haben Jojo Moyes nachdenklich gemacht.
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„Ich weine um mein Land!“ Aber das sind für Jojo Moyes wohl eher Tränen des Zorns. In ihrem neuen Buch „Mein Leben in deinem“ hatte sie schon einer der Figuren eine Spitze gegen den Nationalen Gesundheitsdienst (NHS) in den Mund gelegt: Diese ließ sich darüber aus, wie lange man doch auf bestimmte Arzttermine warten müsse. Im Gespräch mit der Rundschau legt die britische Erfolgsautorin („Ein ganzes halbes Jahr“) während ihres lit.Cologne-Besuches nach.
Um den NHS wurden wir von der ganzen Welt beneidet – und jetzt ist es nur noch ein Kampf!
Die Schuld liegt für sie am Brexit. „Um den NHS wurden wir von der ganzen Welt beneidet – und jetzt ist es nur noch ein Kampf“, findet sie – und macht klar: „Das liegt nicht am Personal, das Heldenhaftes leistet!“ Alle, die nicht an den Brexit geglaubt hätten, seien angegriffen worden, als sie ihre Befürchtungen öffentlich äußerten. Der Vorwurf: „Wir würden Ängste schüren. Aber: Letzte Woche gab es keine Tomaten, keine Paprika – und die Regierung versuchte uns einzureden, es läge am Wetter in Spanien. Aber halt, es gibt Fotos von Nahrungsmitteln in Irland, Deutschland, Spanien – niemand sonst hat ein Problem. Es liegt daran, dass es bis zu 77 Stunden dauern kann, bis ein Lkw England erreicht. Warum sollten sie sich also die Mühe machen? Also bringen sie die Sachen lieber woanders hin. Es ist ein selbst herbeigeführtes Desaster und von Anfang an eine schlechte Idee!“
Viele persönliche Rückschläge
Aber nicht nur der Brexit belastet Moyes. Als sei der Lockdown während der Pandemie nicht schon schlimm genug gewesen, starb in dieser Zeit ihre Mutter und ihre Ehe ging nach 22 Jahren zu Ende. Ihre besten Freundinnen halfen ihr, diese Zeit durchzustehen. „Wenn man die 40, 50 oder 60 erreicht, hat jeder irgendetwas durchgemacht“, weiß die 53-Jährige. „Und in unserem Alter herrscht unter Freundinnen kein Wettbewerb mehr, man muss sich nicht mehr verstellen. Man führt offene Unterhaltungen und weiß, dass die anderen bei Problemen für dich am Telefon da sind oder vorbeikommen. Das war wirklich wichtig für mich!“
Genau diese Art von Freundschaften, dieses durch dick und dünn gehen, stehen im Mittelpunkt des Buches. Aber während Sam sich in allen Lebenslagen auf ihre beste Freundin verlassen kann und umgekehrt, steht Nisha nicht nur plötzlich ohne Ehemann und Geld da, sondern auch ohne intaktes soziales Netz. Es dauert einen ganzen Roman lang, bis sie lernt, dass man mit Freundinnen an der Seite leichter durchs Leben kommen kann.
Aber bis dahin ist sie eine harsche, reiche Zicke durch und durch. Und Jojo Moyes hat es riesigen Spaß gemacht, über sie zu schreiben. „Man hat nicht oft weibliche Figuren, die nicht ‚liebenswert‘ sind. Ich hatte viele Diskussionen mit meinen Lektorinnen darüber, aber ich habe klar gesagt: Ich mache sie nicht liebenswert!“ Im Verlauf der Geschichte verstünde man dann auch, wie es dazu kommt, dass sie sich so benimmt und entwickle „einen gewissen Grad an Sympathie für sie“. Man verrät nicht zu viel, wenn man sagt, dass Nisha sich ebenfalls zu einer guten Freundin entwickelt – natürlich auf ihre ganz spezielle Art.
Dass Männer solche Freundschaften eher nicht haben, liegt Jojo Moyes’ Meinung nach daran, dass sie dazu erzogen würden, ihre Gefühle nicht zu zeigen. „Aber das ändert sich im Moment. Ich hatte einen Klempner bei mir, der etwas reparieren sollte. Und irgendwann erzählt er mir von seinem Sohn und dessen Depressionen – und wie er gelernt habe, dem Jungen nicht zu sagen, er solle sich zusammenreißen“, berichtet sie begeistert. Im Buch macht einer der Männer eine ähnliche Wandlung durch – wodurch er schließlich seine Ehe kitten kann.
Männer und Frauen können Freunde sein
Die fast schon klischeehafte Frage, ob Männer und Frauen „einfach nur befreundet“ sein können, würde Moyes mit Ja beantworten – wenn man sich nicht zu attraktiv fände. Sie sei aber immer schon gerne in Gesellschaft von Männern gewesen. Das Transportunternehmen ihres Vaters oder der Journalismus, in dem sie später arbeitete, seien von Männern dominierte Umgebungen gewesen. So erkläre sich auch ihr „ziemlich männlicher Humor“. Fazit: Männer und Frauen können Freunde sein. „Ansonsten hätte ich ein paar sehr heikle Freundschaften“, gibt sie lachend zu bedenken.
Eine wunderbare Beziehung hat sie zu ihrem Ex-Mann: „Unser oberstes Ziel war es, dass unsere Kinder keine Eltern haben sollen, die miteinander Krieg führen“, erzählt sie im Hinblick auf die Tatsache, dass sie selber ein Scheidungskind ist. „Ich bekam von meiner Anwältin eine Mail, dass sie sich wünschen würde, dass jedes Trennungs-Paar sich mit derselben Freundlichkeit und Zugewandtheit trennen würde.“ Und das wirkt sich nicht nur auf den Alltag aus: „Mein Ex-Mann hat Weihnachten mit uns verbracht – mit mir und meinem neuen Partner.“
Unser oberstes Ziel war es, dass unsere Kinder keine Eltern haben sollen, die miteinander Krieg führen.
Und wie sieht die nächste Zukunft aus? Sie schreibe zwar schon an etwas, habe auch schon 10 000 Wörter, sei sich aber noch nicht sicher, „ob es funktioniert“. Außerdem schreibe sie an einem Drehbuch für eine TV-Serien-Fassung von „Mein Leben in deinem“. „Aber ich finde es sehr schwierig, für das Fernsehen zu schreiben. Film ist leichter, denn die Struktur folgt der des Buches, während es bei Fernsehen um Episoden geht. Und so funktioniert mein Gehirn nicht so!“