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Inszenierung von Cecilia LigorioDas bietet der neue „Don Giovanni“ an der Oper Köln

Lesezeit 4 Minuten
Kathrin Zukowski und Seth Carico in „Don Giovanni“ an der Oper Köln

Kathrin Zukowski und Seth Carico in „Don Giovanni“ an der Oper Köln

Die Kölner Oper zeigt einen intensiven „Don Giovanni“ mit körperlichem Einsatz und eindrucksvoller Bühnen- und Kostümgestaltung.

Das ist ein Don Giovanni für die Sinne! In der Kölner Oper gilt in diesem Werk körperlicher Einsatz, allen voran bei Don Giovanni (Seth Carico) und seinem schlitzohrigen Diener Leporello (Adrian Sâmpetrean), die im Handgemenge schon mal über die Bühne rollen.

Die Bühne von Grigorio Zurla ist wiederum perfekt für die rasante Abfolge der Szenen. Sie besteht nur aus grauen Wänden, Säulen, Durchbrüchen und Türen, in der Mitte ein Raum, der sich mittels Drehbühne auf- und zuschiebt. Die Kostüme von Vera Pierantoni Giua sitzen bei den Damen wie Haute Couture. Passt!

Denn der Oper soll das Sinnliche eingeschrieben sein. Kierkegaard behauptete sogar ein „Höchstmaß an Sinnlichkeit“. Das Dramma giocoso „Don Giovanni“ (1787) hat wie kein anderes Bühnenwerk den Mythos vom Frauenhelden Don Juan beflügelt.

Der Überbau interessiert allerdings Regisseurin Cecilia Ligorio weniger. Die vielen Ensembles sind für sie Steilvorlage. Und sie macht die Menschen auf der Bühne auch fühlbar. Don Giovanni ist kein Dämon, sondern ein skrupelloser Draufgänger, der übergriffig ist. In einem golddurchwirkten Dandy-Gehrock über schwarzer Satinhose mit einem Hemd, das bis zu Brust offensteht, packt er unverblümt zu oder entwickelt Ticks, wenn er aufläuft.

Seth Carico rast über die Bühne, kann aber auch charmant in seiner berühmten „La ci darem la mano“-Arie verführen. Ensembles schiebt Ligorio unter großem Tempo virtuos ineinander und entwickelt auch Bilder, um zu unterstreichen. Donna Anna erklärt ihrem Verlobten Don Ottavios, warum sie sich jetzt nicht einfach in seine Arme werfen kann.

Am Morgen ist sie knapp einer Vergewaltigung entkommen und findet kurz danach ihren Vater erstochen. Ein schwarzer Sarg dreht sich inmitten von Kerzenlichtern ins Bild, umringt von einer anonymen Trauergesellschaft in schwarzen Mänteln und Hüten. Trauerarbeit erfordert Zeit.

Don Giovanni mit Stiermaske in der Oper Köln

Das Bild zur Ouvertüre hätte man vielleicht nicht gebraucht. Eine orgiastische Körperlandschaft in roter Unterwäsche in Rauch und Nebel, geriert sich um Don Giovanni mit Stiermaske und blankem Oberkörper wie in einem Ritual, räkelt und kopuliert. Ligorio hat viel in Spanien gearbeitet, und die Oper spielt in der Stierkampfstadt Sevilla.

Das Bild taucht nach dem Schlusssextet auch nochmals auf. Don Giovanni erhebt sich mit Stiermaske. Die Inkarnation der männlichen Libido ist nicht tot. Der Mythos überlebt in Köln mit dieser Klammer.

Alle sind in ihren Rollen nicht nur stimmlich goldrichtig besetzt, auch optisch: Donna Anna Kathrin Zukowski mit Greta-Garbo-Frisur trägt dunkelblau, auch einmal einen eng taillierten Langmantel mit schrägem Revers. Mit einer schneeweißen Lilie in der Hand gibt sie ein wunderschönes Bild. Donna Elvira ist dunkelhaarige Eleganz.

Rollen sind stimmlich perfekt besetzt

Valentina Mastrangelo kommt in weitschwingendem Hosenrock und Lederjackenbustier in knallrot an. Sie ist in Don Giovanni heillos verliebt, obwohl er sie sitzen gelassen hat. Zerlinas Farbe ist Hochzeitsweiß. Die zwei Akte spielen an einem Tag, und es ist ihr Hochzeitstag. Das Rockkleid, hinten lang und vorne kurz mit Schulterjäckchen, wie auch ihre roten Haare, vermitteln etwas Jugendliches.

Die Hochzeitsgesellschaft sind weiß gekleidete Bohemiens mit Strohhut. Sie hängen gerade Lichterketten fürs Fest auf, als Don Giovanni auf sein Schloss einlädt, um Zerlina (Giulia Montanari) habhaft zu werden.

Bräutigam Masetto bekommt mit Wolfgang Stefan Schwaiger den ihm eigenen Witz für den eingeschnappten Zurückgestoßenen. Die Bitte um Verzeihung mit obligatem Violoncello kommt von Montanari umwerfend. Wie auch Zukowski, glasklar und hell, Mastrangelo mit dramatischerem Timbre, Höhe und Koloratur werden mühelos bewältigt.

Schwaiger, Zukowski wie auch Montanari sind aus dem Kölner Ensemble und geben fantastische Rollendebüts. Seth Carico schäumt in der Champagner-Arie, eine der wenigen, die er hat. Meistens bildet er mit Leporello oder den Damen ein gesanglich perfektes Duo oder ist in Ensembles beteiligt.

Leporellos Katalogarie, Adrian Sâmpetreans mit Moleskine in der Hand, aus den er die amourösen Abenteuer vorliest, ist natürlich ein Höhepunkt. Dmitry Ivanchey stattet Don Ottavio mit einem zartem Timbre aus und rührt in seiner „Dalla Pace“ bis in die letzten ausverkauften Reihen. Nein, dieser Don Ottavio ist keine Nebenrolle.

Dirigent Tomáš Netopil hat das Gürzenich-Orchester und die Solisten bestens im Griff. Allein manches Mal hätte man sich mehr Feinheit in dynamischen Abstufungen und Abphrasierungen gewünscht. Vielleicht kommt das in den nächsten Aufführungen.

Die Bühnenmusik mit Bläserensemble und Zitaten von Zeitgenossen kamen von links aus dem Orchester, vor der Bühne sichtbar aufgebaut. Und nicht zu vergessen Luca Marcossi am Hammerflügel, der nicht nur die Rezitative begleitete, sondern hin und wieder kleine Überleitungen improvisierte.

210 Minuten (inkl. Pause). Wieder am 12., 14., 20. . 22., 26. und 28.3., jeweils 19.30 Uhr, am 16. und 30.3. sowie 6.4., jeweils 18 Uhr.