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Jahrelang Anzeichen ausgeblendetSeipels Putin-Propaganda – und warum die ARD Kritik ausblendete

Lesezeit 3 Minuten
Wladimir Putin und Schriftsteller Hubert Seipel sprechen beim Moskau-Besuch des Journalisten 2016 gut gelaunt über dessen Putin-Biografie. (Archivbild)

Wladimir Putin und Schriftsteller Hubert Seipel sprechen beim Moskau-Besuch des Journalisten 2016 gut gelaunt über dessen Putin-Biografie. (Archivbild)

Trotz heftiger Kritik von Journalisten innerhalb der ARD stieg Hubert Seipel zum Aushängeschild als Russland-Kenner des NDR auf. Wie konnte er alle blenden?

Der Fall Hubert Seipel erschütterte vor zwei Tagen die deutsche Journalisten-Welt. Ein vermeintlich renommierter „Russland-Experte“ verbreitete offenbar das Narrativ des Kreml – und wurde für seine Arbeit auch noch hochgelobt. Vor allem die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten stehen in der Kritik, nachdem bekannt wurde, dass Seipel offenbar mehrere hunderttausend Euro aus Moskau kassierte. Der NDR bezahlte Seipel für seine Dokumentarfilme, die ARD sendete seine Putin-Reportage stolze 51 Mal.

Fall Hubert Seipel erschüttert Journalisten in Deutschland

Inzwischen ist klar: Es gab durchaus Kritiker, die Seipel bereits vor vielen Jahren eine Distanzlosigkeit vorwarfen und auch intern Druck machten. Doch ihre Bedenken wurden offenbar nicht ernst genommen.

Wie die „Bild“ berichtet, gab es insbesondere aus Reihen der ARD Warnsignale, die aber die Programmführung nicht zum Handeln veranlassten. Der langjährige Moskau-Korrespondent Udo Lielischkies (69) berichtet dem Boulevard-Blatt, dass es bereits 2012 intern heftige Debatten um die Person Hubert Seipel gegeben habe. Dessen Putin-Doku „Ich, Putin!“ sei viel zu unkritisch.

ARD-Studio in Moskau äußerte früh Kritik an Hubert Seipel

„Als die Seipel-Putin-Doku seinerzeit erschien, gab es erheblichen Ärger zwischen WDR und NDR. Wir beim WDR waren für Moskau zuständig und haben die vom Kreml eingeforderte und auch über Gazprom angebotene Nähe stets abgelehnt“, zitiert die Bild Lielischkies.

Vier Jahre später irritierte der Auftritt Seipels in Moskau erneut mehrere Kolleginnen und Kollegen. „Der Journalist Hubert Seipel hatte in Moskau einen großen Auftritt. Er stellte sein Putin-Buch vor. Der Porträtierte war beglückt. In ihrem Urteil über Russland und den Westen scheinen die beiden sich einig“, urteilte Russland-Korrespondent Friedrich Schmidt in der FAZ.

Hubert Seipel und sein Interview mit Wladimir Putin sorgten für Kontroverse

Seipels Putin-Buch sei „Ergebnis der Nähe seines Autors zum russischen Präsidenten“. Schmidt verwies hierin auch auf die unkritische Doku sowie das Exklusiv-Interview Seipels mit Wladimir Putin von 2014 – zu diesem Zeitpunkt hatte Russland bereits die Ukraine angegriffen –, zu dem Seipel offensichtlich nicht angetreten war, um sein Gegenüber in Verlegenheit zu bringen.

Süffisante Randnotiz: Im Rahmen der Ausstrahlung des Interviews antwortete Hubert Seipel auf mögliche Vereinnahmung angesprochen: „Natürlich hat Putin mich instrumentalisiert, der hat mir eine Million in die Schweiz überwiesen.“ Der NDR zitierte sein Aushängeschild in Sachen Russland-Berichterstattung seinerzeit auf X (vormals Twitter), und labelte die Aussage als „ironisch“.

Mit dem Putin-Interview zementierte Seipel sein Standing als gefragter Russland-Experte und Putin-Versteher in Deutschland. Zwischen Dezember 2013 und 2022 gehörte Seipel zu den Top Ten der Gäste in Russland-Talkshows im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, wie die „Welt“ berichtet und sich dabei auf eine Auswertung einem Zusammenschluss von Osteuropa-Forschungsstellen in Deutschland bezieht.

„Panorama“-Chef bei der ARD zu Hubert Seipel: „Wir hatten immer einen Verdacht“

Und das, obwohl die Kritik zur Person Hubert Seipel nicht abflachte. Immer wieder habe es Protest aus dem WDR-Studio in Moskau gegeben. Auch Ex-„Panorama“-Chef Joachim Wagner (79), ehemals Leiter des ARD-Hauptstadt-Studios („Bericht aus Berlin“) sagte am Donnerstag der „Bild“, es habe innerhalb seines Teams „immer einen Verdacht“ gegen Seipel gegeben.

„Dass Hubert Seipel Geld vom Kreml bekommt, lag spätestens nah, seitdem seine Filme auch im russischen Staatsfernsehen gezeigt wurden und seit sein Buch auch auf Russisch übersetzt erschienen ist, vorgestellt von Putin selbst“, sagt SZ-Reporter Julian Hans im Deutschlandfunk. Auch er gehörte aufgrund der von ihm genannten Gründe seit langem zu den Mahnern, hatte Seipels erstes Putin-Buch als „Verteidigungsschrift für Putin“ bezeichnet.

Der NDR sah diese Anzeichen offenbar allerdings nicht – und glaubte Seipel, der in einem SWR-Interview 2021 nach kurzer Irritation verneinte, Honorare aus Russland bezogen zu haben und allein die Frage offensichtlich als Hochverrat ansah.

Dass doch Geld aus dem Russland geflossen sei, überrascht die Osteuropa-Forscherin Franziska Davies nicht. „Dass hier jemand nicht sauber arbeitet, war seit Jahren klar, man hätte einfach kritisch sein müssen“, so die Expertin.