Die erste autorisierte Biografie von Grönemeyer bietet intime Einblicke nicht ins Privatleben des Künstlers, sondern in sein künstlerisches Schaffen — enttäuschend für Fans, die mehr Privates erhofft hätten.
Außen hart – und innen?Biografie gibt Einblicke ins Leben von Herbert Grönemeyer
„Männer haben's schwer, nehmen's leicht.“ Damit hat er sie alle gekriegt, im Sommer 1984, einem leichten, wenn auch verregneten Sommer mit Olympia in Los Angeles, Disco-Sound aus dem Kofferradio am Baggersee und Schulterpolster-Blusen. Dieser schlanke, blasse Typ mit den blonden Haaren aus „Das Boot“, der konnte auch singen, und wie. Herbert Grönemeyer wurde im Sommer 1984 mit dem Song „Männer“ zum Star.
Wie hat er das selbst erlebt, was hat ihn in diesem Sommer bewegt? Man würde es in der ersten offiziellen Biografie „Grönemeyer“ gerne nachlesen. Alltagsgeschichten, Anekdoten, Backstage-Stories, Erkenntnisse, Bekenntnisse, auch Lippenbekenntnisse – all das erwarten Leser, wenn erstmals eine umfangreiche Auto- oder wie in diesem Fall autorisierte Biografie eines Künstlers erscheint. Zumal Herbert Grönemeyer außerhalb seiner Lieder und politischen Stellungnahmen bisher sehr wenig von sich und seinem Leben preisgegeben hat. In dem jetzt erschienenen Buch von Michael Lentz steht – nicht das Erwartete oder Erwartbare. Fan-Männer kriegen 'nen Herzinfarkt.
Herbert Grönemeyer: Was hinter der „Bananenmethode“ steckt
Lentz, gebürtig in Düren, ist Autor, Literaturprofessor und dem Musiker und Sänger Herbert Grönemeyer freundschaftlich verbunden. Grönemeyer hat ihm in Interviews für das Buch intime Einblicke gewährt – nicht ins Private, sondern ins künstlerische Schaffen, musikalisch wie auch als Schauspieler. Der Mensch Grönemeyer tritt weiterhin konsequent hinter sein Werk zurück, ist in dem Buch Künstlerpersönlichkeit, nicht Mann.
So erfahren die Leser von der „Bananenmethode“, mit der Grönemeyer seine Songs schreibt. Er setzt sich ans Klavier, entwickelt dort Melodien und singt dabei noch ohne Text mit pseudo-englischen Wortmalereien, „Bananentexte“, auch keine ganz neue Info.
Das kommt, so ist weiter vorne zu lesen, aus einer Zeit, als Herbert Grönemeyer als Teenager mit Klampfe in Jugendheimen auftrat und noch nicht gut genug Englisch konnte für die Texte von Bob Dylan oder Leonhard Cohen. Womit auch die musikalischen Vorbilder seiner Jugend verraten wären, nicht aber etwas zur ersten Liebe oder dem ersten Suff. Einblicke gibt es ins Bochumer Elternhaus mit einem fröhlich-herzenswarmen Vater und einer abgeklärt-sentimentalen Mutter, die Herbert Grönemeyer einen Schuss Melancholie ins Gemüt mitgab, mit Holland-Urlaub und Chorgesang. Das Narrativ als Junge aus dem Pott hat Grönemeyer selbst bei der Jubiläumstour zu „4630 Bochum“ im Juni ausgiebig vorgetragen.
Anekdoten aus der Kölner Zeit von Grönemeyer
Aus seiner Kölner Zeit, ab Ende der 1970er immerhin 14 Jahre, hat Grönemeyer zwei Anekdoten mitgegeben. Eine, als ihn Tommy Engel von den Bläck Fööss fragte, ob er beim 50. Geburtstag von Fortuna-Präsident Schäng Löring singen würde und eine andere, in der ein Kölner Klempner mehrmals möppert, gar nicht zuständig zu sein, anstatt wie ein Bochumer zu sagen „Was ist hier kaputt? Mach ich.“
Männer sind auch furchtbar schlau, und so analysiert Michael Lentz über weite Strecken des Buchs auf akademischem Niveau Grönemeyers Texte, seine poetische Ausdrucksweise, die Themen, seine Kunst, Worte und Gefühle zu Liedern zu gießen und so vorzutragen, dass sie den Fans mitten ins Herz gehen.
Lentz hat viele Zitate aufgenommen, zieht auch viele eigene Schlüsse und gibt gelehrte Kommentare, darf auch einzelne verworfene Texte Grönemeyers vorstellen. Letztlich aber ist es keine unabhängige Analyse, die er vorlegt. Ob Grönemeyers Texte vorgenommene Vergleiche und Kontextualisierungen mit Rilke, Hegel oder Hölderlin dauerhaft standhalten, wird die Nachwelt entscheiden. Männer sind so verletzlich.
Im Kapitel „Über die Liebe“ geht es konsequent um Liebeslieder und Musik als „Gemütserregungskunst“. Es geht darin auch um Grönemeyers Schicksalsjahr 1998, als sein älterer Bruder und seine Ehefrau Anna Henkel innerhalb von ein paar Tagen starben, die Kinder erst neun und elf Jahre alt waren – vor allem darum, wie der Künstler Grönemeyer mit professioneller Trauerbegleitung und künstlerischem Schaffen aus der Krise fand. Aber das wissen die Fans ja schon seit dem Album „Mensch“ mit seinen berührenden Balladen. Grönemeyers zweite Ehefrau und sein jüngstes Kind sind in dem Buch mit keinem Wort erwähnt. Männer sind geheimnisvoll.
Michael Lentz: Grönemeyer. S. Fischer, 381 S., 28 Euro.