Hape Kerkeling über seine früheren Figuren, Rechtsradikale und die Homophobie in Berlin, die ihn schließlich nach Köln trieb.
Hape Kerkeling über Homophobie„Auf der Straße bin ich eine Provokation“
Seit vier Jahrzehnten gehört Hape Kerkeling in Deutschland zur Familie. Als Zwanzigjähriger geht er ins Fernsehen. Mit seinem Pilgerbuch und den Memoiren seiner traumatischen Kindheit wird er zur Identifikationsfigur. Vor dem Filmstart von „Kung Fu Panda 4“, in dem Kerkeling den Titelhelden spricht, sprach Daniel Benedict mit ihm.
Herr Kerkeling, im neuen „Kung Fu Panda“-Film sprechen Sie den Titelhelden Po. Der muss diesmal buchstäblich den Stab an die nächste Generation übergeben – kann aber nicht loslassen. Wie nahe fühlen Sie sich der Rolle?
Der Po ist mir sehr nahe in allem, was er tut – auch mit dem Thema, den Stab weiterzugeben.
Gilt das auch für Ihre andere Synchronrolle? Für den Schneemann aus der „Eiskönigin“ – der von einem Sonnenbad träumt, das ihn verzehren würde?
Ja, also, das ist ja mal eine Frage! Ich bin nie auf die Idee gekommen, den Wunsch des Schneemanns als rein selbstzerstörerisch aufzufassen. Dass etwas, von dem man glaubt, es tut einem gut, einem so schaden kann. Habe ich das auch? Ich befürchte schon. Das hat wahrscheinlich jeder in sich, sonst würde die Figur nicht so gut funktionieren.
Eine schöne Zeile des Kung-fu-Pandas lautet: „Ich war versessen darauf, dass alles bleibt, wie es ist.“ Zur Antwort kriegt er, dass gute Dinge auf Dauer den Geschmack verlieren. Ist das der Grund, warum Sie so viele neue Karrieren angefangen haben? Fernsehen, Kino, Bücher, Schlager …
Was das Berufliche angeht, bin ich wirklich sehr unstet. Keine meiner Serien habe ich länger als zwei Jahre betrieben. Vom Komiker zum Schauspieler, vom Schauspieler zum Autor, ich hab alles probiert. Am Ende kommt da vielleicht kein überschaubares Werk zustanden, sondern eher ein Patchwork-Teppich. Den finde ich aber ganz okay. Und so unstet ich im Beruf bin, so stet bin ich im Privaten. In Freundschaften, in der Liebe und in der Familie bin ich sehr treu.
Ihren Figuren sind Sie auch treu. Nach knapp 20 Jahren haben Sie Edwin reaktiviert. Der glücklose Animateur aus dem „Club Las Piranjas“ hat eine eigene Serie bekommen. Haben Sie Lust, das bei anderen Figuren zu wiederholen?
Ich werde oft gefragt, ob ich den Peter Schlönzke nochmal aufgreifen würde. Das ist der Schnittchenauslieferer, der im Film „Kein Pardon“ zum Showmaster aufsteigt. Was aus dem geworden ist, wäre interessant. Und ja, mit dem Gedanken trage ich mich. Vielleicht bleibt es auch ein Gedanke.
Auf Ihrem Schlageralbum singen Sie: „Ich fühl mich sexy, wenn ich tanz“. Ich kenne sonst keinen, der das von sich sagt. Und mit dem Alter wird das doch eher schlimmer.
Mir geht es natürlich genauso. Aber ich arbeite immer noch dran.
Der Kung-Fu-Panda soll im neuen Film nur deshalb den aktiven Kampf aufgeben, damit er ein spiritueller Führer wird. Lässt sich auch das auf Sie beziehen, auf den Weg vom Quatschmacher zur nationalen Identifikationsfigur? Ich sehe Sie vorsichtig nicken.
Na ja, ich höre Ihnen zu. Ich weiß nicht, ob Ihre Wahrnehmung der nationalen Identifikationsfigur übertrieben oder gerechtfertigt ist. Wenn das so ist, finde ich das irritierend, aber auch schmeichelhaft. Ach, was soll’s! Einer muss es ja machen.
Sie müssten es an den Reaktionen merken. Zu Ihrem Pilgerbuch und zur Kindheitsgeschichte kamen sicher viele Briefe. Und nach dem Katzenbuch haben Sie vermutlich die Geschichten aller deutschen Katzen erzählt bekommen.
Das habe ich auch! Bilder bekomme ich auch, und nicht wenige. Am Anfang dachte ich: Das nervt jetzt bestimmt, wenn mir alle ihre Katzenfotos schicken. Nein, tut es nicht. Wir sammeln alle und staunen, was Katzen so alles können.
Beim Pilgern und den Kindheitserinnerungen schreiben die Menschen dann sicher mehr über sich selbst.
Stimmt. Einerseits fühle ich mich überfordert. Andererseits bin ich da wohl der richtige Ansprechpartner. Mir ist noch nie ein Brief untergekommen, den ich irgendwie doof gefunden hätte. Ich habe ein tiefes Verständnis für die Leute. Als ich „Ich bin dann mal weg“ geschrieben habe, hätte ich nie geglaubt, dass es das erfolgreichste Buch nach dem Krieg werden würde. Ich hatte so mit 20000 Lesern gerechnet. Und dann waren es fünf Millionen, von denen viele sich damit identifizieren. Das Buch hat eine Bedeutung bekommen, die ich nie erwartet hätte, – und mit dem Buch auch ich. Leider ist es unmöglich, allen zu antworten. Ich nutze gern die Gelegenheit, mich bei jedem zu entschuldigen, der keine Post bekommen hat.
Haben Sie eine Erklärung dafür, woher die Wut kommt, die die Rechten mobilisieren?
Ich habe nur so eine Theorie: Vielleicht ist es wegen der Warteschleifen.
Wegen der Warteschleifen? Am Telefon?
Es ist nur ein Verdacht. Aber in den letzten 20 Jahren mussten die Menschen viel in Warteschleifen hängen. Sie warten auf den Handwerker, auf die Bearbeitung ihrer Internetleitung und den Versicherungsantrag. Und immer wieder machen sie die Erfahrung: Keiner ruft zurück, niemand ist verantwortlich – egal, mit wem sie sprechen. Es nützt ihnen gar nichts, dieses Gespräch. Das schürt unendliche Wut. Es wäre gut, wenn Firmen Verantwortung wieder personalisieren würden. Derjenige, bei dem ich meinen Flug buche, soll beim nächsten Anruf wieder erreichbar sein. Das muss möglich sein. Bestimmt ist das nicht der Hauptgrund für unsere Probleme. Aber es hat dazu geführt, dass die Menschen sich sehr verloren und verlassen fühlen.
Ein verblüffender Gedanke – aber wahrscheinlich wirklich nicht Hauptgrund für den aktuellen Rechtsruck.
Der Hauptgrund ist natürlich, dass das rechtsradikale Gedankengut in allen Medien präsent ist. Das hat es vor 30 Jahren nicht gegeben. Da kam einer mit rechtsradikalen Gedanken einfach nicht ins Fernsehen.
Vorhanden waren rechtsradikale Ideen natürlich auch damals. Sonst hätte es die Brandanschläge der 90er nicht gegeben.
Es war da und wir haben es nicht ernst genug genommen. Man muss einer so gewaltbereiten Bewegung angemessen begegnen. Ich bin froh, dass es jetzt die Demonstrationen gibt, dass die Mehrheit aufsteht und sich diesem widerlichen Gedankengut widersetzt.
Bei Maybrit Illner haben Sie berichtet, dass Sie aus Berlin nach Köln gezogen sind, weil die Stadt homophober wird – ausgerechnet Berlin, das Feindbild der Rechten. Können Sie Ihre Erfahrung am Beispiel festmachen?
Also, grundsätzlich haben wir als Ehepaar erlebt, dass die Stimmung in Berlin homophober wird. Und zwar durch einen Rechtsradikalismus, der mutiger geworden ist. Die Leute trauen sich, Dinge zu sagen und zu tun, die sie vor 20 Jahren nicht getan hätten. Die wissen heute, dass sie nicht allein sind. Als Teil einer diffusen Masse fühlen sie sich stark. Und das ist bedrohlich. Ausschlaggebend war eine ganz fürchterliche „Bärgida“-Demonstration, die völlig aus dem Ruder gelaufen ist. Das war auf der Kantstraße in Charlottenburg. Die Polizei war nicht mehr in der Lage, diesen gewaltbereiten Strom einzudämmen. Das hat uns sehr zu denken gegeben. Viele Menschen erkennen mich und wissen, dass ich homosexuell bin. Ich bin eine Provokation, wenn ich über die Straße gehe. Das kann zu unangenehmen Situationen führen. Und das hat es auch. So oft, dass wir gesagt haben: Wir gehen.