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Umstritten, verehrt, verfolgtRoman Polanski wird 90 – Porträt eines bewegten Lebens

Lesezeit 5 Minuten
Der französisch-polnische Filmregisseur Roman Polanski im Jahr 2015

Der französisch-polnische Filmregisseur Roman Polanski im Jahr 2015

Er war in den 60ern ein Star und als Regisseur ein Garant für Kinoerfolge. Doch sein späteres Leben wird vor allem von Sex-Vorwürfen geprägt.

Er war der Überflieger des europäischen und später auch des amerikanischen Films in den 1960er Jahren. Er gewann Preise und sorgte für große Erfolge an den Kinokassen. Sein späteres Werk wird allerdings überschattet von anhaltenden Sexualdeliktsvorwürfen. Roman Polanski, ein Genie des Films, hochumstritten im realen Leben. Ein dramatisches Leben, wie im Film: als Kind einer halb-jüdischen Familie von den Nazis verfolgt, von einer grausamen kalifornischen Sekte aus dem Eheglück gerissen, jahrzehntelang von US-amerikanischen Behörden wegen seiner Vergangenheit als mutmaßlicher Missbrauchstäter verfolgt und doch immer wieder an den großen europäischen Festivalstätten für seine Filmkunst gefeiert.

Roman Polanski, aufgenommen bei den 76. Internationalen Filmfestspielen in Venedig im Jahr 2018

Roman Polanski, aufgenommen bei den 76. Internationalen Filmfestspielen in Venedig im Jahr 2018

Am 18. August wird Roman Polanski 90 Jahre alt. Der nur 1,65 Meter große französisch-polnische Filmregisseur und Schauspieler lebt heute in der französischen Hauptstadt Paris, in der er 1933 als Raymond Thierry Liebling auch geboren wurde. Im Alter von drei Jahren zieht er mit seinem jüdischen Vater und seiner katholischen Mutter wegen des wachsenden Antisemitismus in Frankreich nach Polen. Doch dort erlebt die Familie im Krakauer Ghetto rund drei Jahre später die deutsche Besatzung durch die Nationalsozialisten.

Als Kind Zeuge der mörderischen Nazi-Willkür

Polanski wird im Kindesalter Zeuge von willkürlichen Morden der Nazis an der polnisch-jüdischen Bevölkerung. Seine damals schwangere Mutter wird ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert und dort 1943 ermordet, sein Vater überlebt seine Haft im KZ Mauthausen. Der noch neunjährige Polanski kann im März 1943 aus dem Krakauer Ghetto fliehen. Als „falsches“ polnisches Katholikenkind überlebt er auf dem Land die Verfolgung durch die Nazis.

Der Regisseur und Schauspieler Roman Polanski mit seiner zweiten Frau, der US-Schauspielerin Sharon Tate, die 1969 hochschwanger ermordet wurde.

Der Regisseur und Schauspieler Roman Polanski mit seiner zweiten Frau, der US-Schauspielerin Sharon Tate, die 1969 hochschwanger ermordet wurde.

In der Nachkriegszeit arbeit er als Kinderdarsteller in Hörspielen. An der Krakauer Akademie studierte er Kunst. Dort lernt er den Filmstudenten Andrzej Wajda kennen, woraus eine tiefe Freundschaft wird. Gemeinsam wechseln sie an die renommierte Filmhochschule in Lodz. Polanski, Wajda und andere Akademieabsolventen prägen in den 1950er Jahren mit einer Reihe von Kurzfilmen als Schauspieler und Regisseure die polnische Filmszene. Der Durchbruch gelingt Polanski mit seinem ersten Langfilm „Das Messer im Wasser“, einem Psychodrama von 1962. Neben einer Reihe von Preisen, darunter beim Filmfest in Venedig, wird der Film im Jahr 1964 auch für einen Oscar als bester ausländischer Film nominiert.

Der unterhaltsame Grusel als neue Filmidee

Sein vielseitiges Interesse an Theater, Kunst, Musik und der literarischen Vorliebe zu Autoren wie Franz Kafka haben Polanskis filmisches Werk mindestens so stark geprägt wie seine traumatischen Erlebnisse in seiner Kindheit. In Filmen wie „Das Ekel“ (1965) oder „Rosemaries Baby“ (1968) wird die Psyche seiner Protagonistinnen bis ins fast Unerträgliche attackiert. 1967 präsentiert sich das junge Filmgenie dann mit der skurrilen Komödie „Tanz der Vampire“ von einer ganz andren Seite. Nie zuvor hatte das Publikum in den Kinosälen sich auf so unterhaltsame Weise gruseln können. Neben der Regie spielt er auch die Hauptrolle. Während der Dreharbeiten lernt er auch seine Hauptdarstellerin Sharon Tate näher kennen und lieben. Sie heirateten am 20. Januar 1968 in London.

Knapp eineinhalb Jahre später passiert dann Unfassbares: Seine hochschwangere Frau wird von Anhängern des Sektenführers Charles Manson mit vier weiteren Opfern im August 1969 in ihrem und Polanskis Wohnhaus in Beverly Hills (Los Angeles, Kalifornien) ermordet. Zwei Jahre kann er nicht mehr arbeiten. Ein viel beachtetes Comeback feiert er schließlich mit dem mehrfach ausgezeichneten Kriminalfilm „Chinatown“ mit Jack Nicholson in der Hauptrolle. Er gilt als einer der besten Filme aller Zeiten. Es sollte sein letzter in Hollywood gedrehter Film sein.

Leben Polanskis am Scheideweg

1977 sollte für den gefeierten Starregisseur eine Zäsur werden. Die Staatsanwaltschaft in Los Angeles erhebt Anklage. Der Verdacht wiegt schwer: Vergewaltigung einer 13-Jährigen unter Verwendung von Betäubungsmitteln. Es kommt zu einer umstrittenen Einigung vor Gericht: Lediglich wegen „außerehelichem Geschlechtsverkehr mit einer Minderjährigen“ wird Polanski zu 90 Tagen Gefängnis verurteilt, von denen er 42 Tage absitzen muss. Als sich abzeichnet, dass der zuständige Richter sich nicht an die Absprache halten werde, flieht Polanski nach London und Frankreich und bereist seitdem, aus Angst vor Verhaftung, weder die USA noch Ländern, in denen er nach wie vor mit einer Auslieferung an die US-Behörden rechnen muss.

Sein filmisches Werk gerät mehr und mehr in den Hintergrund. Der verurteilte Missbrauchsstraftäter Polanski bestimmt ab sofort die Schlagzeilen. Bemerkenswert ist, dass er auch in den folgenden Jahrzehnten trotz der andauernden Verfolgung durch die US-amerikanischen Strafverfolgungsbehörden (siehe Kasten) Filme dreht, die Preise gewinnen, darunter sogar der Regie-Oscar für „Das Piano“ im Jahr 2003.

Auch sein Publikum verzeiht ihm in all den Jahren seine begangenen Untaten und besucht begeistert und in großer Zahl Filme wie „Frantic“ (1988), „Bitter Moon“ (1992), „Der Ghostwriter“ (2010) oder „Intrige“ von 2019.


Vorwürfe, Verfahren und Verfolgung durch die Justiz

Am 26. September 2009 wurde Roman Polanski wegen des internationalen Haftbefehls, den die USA im Jahr 2005 erreicht hatte, bei seiner Einreise in die Schweiz auf dem Flughafen Zürich verhaftet. Zu einer Auslieferung kam es jedoch nicht. Am 12 Juli 2010 ließen ihn die Schweizer Justizbehörden frei.

Im Oktober 2010 äußerte sich Missbrauchsopfer Samantha Geimer, dass die US-Behörden die Anklage gegen Polanski fallen lassen sollen. Als Grund nannte sie die große Belastung, dauernd in den Medien zu sein und die Art und Weise, wie die US-Justizbehörden mit ihr umgegangen seien. Dies wiege schwerer als die Folgen des Missbrauchs Polanskis vor über 30 Jahren.

Im Februar 2015 verlangen die USA erneut die Auslieferung Polanskis – dieses Mal aus Polen. Im Oktober 2015 entschied aber das zuständige Gericht in Krakau, dem Wunsch der USA nicht zu folgen. Trotz der Intervention der damals regierenden PiS-Partei bestätigte in der Berufungsverhandlung das Oberste Gericht die Nichtauslieferung.

2017 und 2019 wurde von zwei mutmaßlichen Opfern Polanskis Anzeige wegen Vergewaltigung erstattet. Die Fälle sollen sich 1972 und 1975 beide Male im schweizerischen Gstaad ereignet haben. Die Frauen waren zu den Zeitpunkten 15 beziehungsweise 18 Jahre alt.