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Interview

Festival „Acht Brücken“ in Köln
Porträtkomponist Enno Poppe über Hörgewohnheit und Herausforderung

Lesezeit 4 Minuten
Enno Poppe ist Porträtkomponist des Festivals „Acht Brücken“.

Enno Poppe ist Porträtkomponist des Festivals „Acht Brücken“.

Enno Poppe gehört zu den wichtigsten jüngeren Vertretern Neuer Musik. Er ist beim Festival „Acht Brücken“ Porträtkomponist und erhielt in diesem Rahmen zwei Kompositionsaufträge. Jan Sting sprach mit dem 54-Jährigen über Zuhören und Anstrengung.

Sie sind 1969 in Hemer im Sauerland geboren und aufgewachsen. Welche Rolle spielten für Sie damals Köln und die Musik?

Als Schüler war für mich klar, dass ich in Köln studieren will. Aber dann ging die Mauer auf, und ich bin 1990 nach Berlin gegangen. Das war noch mal was anderes. Aber eigentlich war die Beziehung zu Köln in meiner Jugendzeit immer mit Neuer Musik verbunden. In dem Moment, wo ich das Gefühl hatte, ich möchte gerne Komponist sein, wollte ich nach Köln gehen, weil hier die ganzen tollen Komponisten lebten. Das war die ganze Nachkriegszeit so, hier war das Zentrum.

Wie haben Sie die Kölner Philharmonie wahrgenommen?

Sie ist deutschlandweit einzigartig. Wie sich das Haus öffnet, was sie hier alles machen, das gibt es ja sonst eigentlich fast gar nicht. Als das „Acht Brücken“-Festival – das ist schon einige Jahre her – mich gefragt hat, ob ich gerne „Composer in Residence“ sein will, habe ich natürlich sofort gesagt, dass ich das unheimlich gern machen will.

Was haben Sie sich gewünscht?

Ich habe sofort gesagt, dass ich ein Stück mit François-Xavier Roth machen will. Ich finde ihn als Dirigenten einzigartig. Seine Arbeit mit dem Orchester ist fantastisch. Ich kenne ihn schon aus Donaueschingen, aus seiner Zeit beim SWR. Er ist so breit aufgestellt mit seinem Repertoire. Das Orchester macht mit ihm alles mit. Musiker sind bekannt dafür, dass sie anfangen zu maulen, wenn sie irgendwelche Dinge tun müssen, die sie noch nicht kennen. Mit François-Xavier Roth gibt es das gar nicht.

Sie haben Musik einmal als Glücksgefühl beschrieben, vergleichbar mit einer anstrengenden Bergbesteigung. Wie motivieren Sie Wanderer, den Gipfel zu besteigen?

„Anstrengend“ ist so ein zweischneidiges Wort. Eigentlich ist es etwas Gutes und nichts Schlechtes. Denn das Gegenteil zu der anstrengenden Musik wäre ja eigentlich eine solche, die einen nicht herausfordert oder irgendwie langweilt. Ganz grob kann man die Menschheit einteilen in zwei Typen: Die einen fahren an den Strand und legen sich ans Meer. Die anderen wandern in den Bergen. Das sind zwei unterschiedliche Konzepte. Es gibt sehr viel Musik, die hat quasi dieses Anstrengungslose, das einen auch nicht herausfordert. Es gibt aber die Musik, die wirklich die Neugier, die Sinne anspricht über das hinaus, was man eigentlich schon kennt.

Können Sie was zu Ihren Uraufführungen „Strom“ und „Laub“ während des Festivals sagen?

Beides sind lange Stücke, das Orchesterstück dauert 30 Minuten, das Septett 40 Minuten. Das Orchesterstück „Strom“ handelt wie das Septett „Laub“ von Expansion. In „Strom“ geht es um die Beobachtung, wie sich Dinge ganz langsam verändern. Wir befinden uns in einem Tonraum. Die Musik pendelt fast minimalistisch und beginnt ganz langsam, sich zu verwandeln. Also es hängt dann auch mit Mikrotonalität zusammen, wo also die Tonhöhen da sind und es ganz feine Unterschiede gibt.

„Feine Unterschiede“, damit ist das Festival auch benannt.

Ja, es gibt Töne, die sind ein bisschen höher, ein bisschen tiefer und das Stück ist immer im Fluss. Das bleibt nicht stehen, sondern das strömt so, das gibt einen ganz langsamen Prozess, in dem sich das Stück komplett verwandelt. Es wird etwas Unausweichliches geben.

Sie sagen, die Titel sind gar nicht so entscheidend. Trotzdem springen einen „Torf“, „Obst“ oder „Altbau“ an wie in ein Gedicht.

Klar. Es sind auch Titel, die man sich eigentlich ganz gut merken kann. Früher hieß ein Stück „Symphonie Nr. 57“. Da weiß man dann irgendwann nicht mehr genau, welche Nummer das war. Natürlich muss so ein Titel passen. Mit „Altbau“ wird ein Rahmen aufgemacht, der mit einem anderen Titel geöffnet wird.

Sie arbeiten viel instrumental. Elektronische Musik ist in Köln ein großes Thema. Wie sehen Sie die Möglichkeiten heute?

Diese reinen Laptopkonzerte finde ich problematisch. Man sieht nicht, was der Mensch überhaupt macht, der da am Computer sitzt. Ich finde schön, wenn man Musiker erlebt, die schon als Kind gelernt haben, sich mit einem Instrument zu bewegen. So was kann man am Laptop nicht machen. Deshalb mag ich das Arbeiten mit Instrumenten.