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Festival Acht Brücken in KölnMusik über die Einsamkeit der Männer

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Die Porträtkomponistin beim Festival Acht Brücken: Rebecca Saunders.

Die Porträtkomponistin beim Festival Acht Brücken: Rebecca Saunders.

Rebecca Saunders ist Porträtkomponistin beim Festival Acht Brücken. Die Britin nimmt Texte von Samuel Beckett als Inspirationsquelle für ihre Klanginstallationen.

„Seine skelettartige, fragile und musikalische Sprache. Das sind Perlen präziser Wörter.“ Samuel Beckett hält die Britin Rebecca Saunders in Bann. Besessen sei sie von der Prosa des irischen Schriftstellers, seit ihr eine Freundin Ende der 1990er Jahre dessen Buch „Stirrings Still“ (Rührungen noch) in die Hand drückte. Für die zeitgenössische Komponistin sind Becketts Betrachtungen Inspirationsquelle.

Signal für die Unabhängigkeit

An ihn erinnert auch der Titel für die 13. Ausgabe des Festivals „Acht Brücken“: „Musik oder Nichts“. Vom 28. April bis 7. Mai dreht es sich um die Stille, als deren Lautmalerin Saunders gilt. Die 55-Jährige ist in diesem Jahr Porträtkomponistin. Die zeitgenössische Komponistin – sie studierte bei n Wolfgang Rihm – erhielt unter anderen den Ernst von Siemens Musikpreis, den Paul-Hindemith-Preis sowie den Mauricio-Kagel-Musikpreis der Kulturstiftung NRW.

Deren Generalsekretärin, Andrea Firmenich, sieht in dem Festival ein deutliches Zeichen, sich von den gegenwärtigen Krisen nicht unterkriegen zu lassen. „Die Freiheit der Kunst ist ein Seismograph für die Freiheit der Gesellschaft.“ Die Kultureinrichtungen in Deutschland und insbesondere in NRW seien im internationalen Vergleich gut durch die Krise gekommen. Sie seien inmitten der Ungewissheit wichtig für das Ringen nach Unabhängigkeit. Das Festival gebe ein Signal auf hohem Niveau. Unter den 50 Veranstaltungen an 13 Spielstätten gibt es 36 Uraufführungen.

Wie Louwrens Langevoort, Intendant der Philharmonie und Gesamtleiter von Acht Brücken, gestern bei der Vorstellung des Programms hervorhob, gibt es auch deswegen Kompositionsaufträge, „damit wir wissen, wie wir unsere Grenzen überschreiten.“ Saunders sei eine Spezialistin für das Thema.

In Diskussion mit dem Publikum zu treten, ist ihr ein großes Anliegen: „Denn es ist Teil des musikalischen Daseins.“ Das Festival biete die Gelegenheit, auf verschiedenen Ebenen und an unterschiedlichen Orten, in unterschiedlichen Architekturen Neue Musik zu hören. Am 6. Mai wird ihr Stück „Yes“ von 2017 im Sartory-Saal durch das Ensemble Musikfabrik aufgeführt.

Das Ensemble Modern ist am 1. Mai mit ihren Stücken „Scar“ (2018-19), „Skin“ (2015-16) und dem neuen Werk von 2023 in der Philharmonie zu hören. Dichter und Lauter, auch länger seien ihre Kompositionen in den vergangenen Jahren geworden. „Es ist eine andere Emotionalität“, sagt Saunders. Eindrücke des russischen Angriffs auf die Ukraine verarbeitet sie. Und sie beschäftigt sich in ihren Klangzellen mit Themen wie Wut, Gewalt und Sex.

Mit 2464 Spieluhren

Den Auftakt macht Saunders mit ihrer Klanginstallation „Myriad III“ und 2464 Spieluhren, die bereits ab dem 19. April in der Kunststation Sankt Peter zu erleben ist. „Mit Spieluhren verbindet jeder persönliche Erfahrungen“, sagt Saunders. Ursprünglich war Myriad für eine landschaftsarchitektonische Biennale in China angelegt. Am 28. April treten neun Musiker des Ensemble Mosaik mit der Installation in Dialog.

WDR-Sinfonieorchester und Rundfunkchor unter der Leitung von Christian Măcelaru eröffnen das Festival mit Werken von Mark Simpson, György Ligeti und Claude Vivier in der Philharmonie. Am Samstag gibt es unter anderem eine interaktive Klanginstallation zu Claudia Robles-Angels „The Exhausted Sound Space“ in der Alten Feuerwache.

Sonntag spielt Helmut Lachenmann im Europäischen Workshop Werke von Naomi Pinnock und Pawel Malinowski im Wallraf-Richartz-Museum. Die männliche Einsamkeit thematisiert Lucia Ronchetti in ihrer Choroper „Chronicles of Loneliness“, der Texte aus Leopardis „Zibaldone di pensieri“ zugrundeliegen.

In der Philharmonie treten dabei die Knaben des Kölner Domchores, der Chor des Bach-Vereins und der Männergesangverein der Stadt auf. „Gespenster und Fahnen“ „Ohne Garantie“ heißt es am Montag, 1. Mai, wenn im Funkhaus am Wallrafplatz „Musik für die Zukunft“ von Max Andrzejewski und Zola Mennenöh erklingt. Unter dem Titel „Gespenster und Fahnen“ führt der WDR Rundfunkchor unter Nikolas Fink am Mittwoch im Museum für Angewandte Kunst Werke von Gordon Kempe und Peter Eötvös auf.

Das Gürzenich-Orchester sowie das Raschèr Saxophon Quartett unter François-Xavier Roth spielen am Sonntagvormittag Werke von Anton Bruckner und Bernhard Gander. „Bereits vor Corona waren Les espaces Acoustiques von Gérard Grisey angesetzt“, verrät Langevoort. „Das ist ein tolles, symphonisches Stück, das mit der Bratsche ansetzt und in großer Orchesterbesetzung endet“. Zu hören ist es zum Ende des Festivals mit der Jungen Philharmonie, dem Ensemble Modern, dem IEMA Ensemble und Dirigent Ingo Metzmacher.

Kompositionswettbewerb

Der Kompositionswettbewerb ist seit 2011 mit der Gründung von Acht Brücken ein fester Bestandteil des Festivals. Komponisten unter 35 Jahren können sich bewerben, drei Werke werden ausgewählt und mit Preisgeldern dotiert. Am 30. April, 17 Uhr, ist die Uraufführung im WDR-Funkhaus am Wallrafplatz. Dann ist auch „see green Hills spill into the valley“ von Tom Belkind zu hören.

Es spielt das Érma-Ensemble unter der Leitung von Yorgos Zievras. Beim Acht Brücken Lunch gibt es an verschiedenen Tagen musikalische Kostproben bei freiem Eintritt. Dabei werden Werke der Live-Elektronik genauso vorgestellt, wie es Proben mit Percussion oder Streichern gibt. achtbruecken.de