Kölns OpernintendantinDieses Fazit zieht Birgit Meyer nach zehn Jahren
Köln – „Es war wie in einem Buschkrankenhaus. Man hatte eine OP am offenen Herzen und musste erst einmal für Licht sorgen.“ Birgit Meyer, promovierte Medizinerin, sparte in der Bilanz ihrer zehnjährigen Intendanz an der Oper Köln nicht an drastischen Bildern. Meyer war 2009 zusammen mit Uwe Eric Laufenberg an die Kölner Oper gekommen, zunächst als Chefdramaturgin und Operndirektorin. Nach Laufenbergs Kündigung 2012 übernahm sie dessen Posten. Es war kein leichter Auftakt für die neue Intendantin: Zu den Schulden in Millionenhöhe kamen die Unwägbarkeiten, wie die Oper ihre Stücke auf die Bühne bringen sollte. Zuerst fand sie im Musical Dome, im Palladium und anderen Spielstätten ein Zuhause. Als 2015 klar wurde, dass man noch nicht in die Oper am Offenbachplatz zurückkehren konnte, ging es in das Staatenhaus.
Nassgeschwitzte Sänger
Das Interim wertet Meyer rückblickend als Gewinn. „Das Ensemble ist zusammengewachsen. Jeder Intendant kann sich glücklich schätzen, ein so gutes Haus zu übernehmen.“ Die Personalie steht aber schon fest. Im September tritt Hein Mulders Meyers Nachfolge an. Meyers Vertrag hatte Oberbürgermeisterin Henriette Reker nicht verlängert, was ihr regional und überregional Kritik einbrachte. Vor allem wegen der Begründung, Köln müsse als Opernstadt an Ansehen gewinnen, mehr Gäste sollten angelockt werden.
Spielzeit 2021/22 in Zahlen
Abgesehen von vier pandemiebedingten Absagen konnten in der Spielzeit 2021/22 alle geplanten Vorstellungen umgesetzt werden. 12 700 Schüler und Studenten besuchten die Aufführungen, das entspricht laut Oper 25 Prozent der gesamten Besucherzahlen. Allein bei der Wiederaufnahme der Produktion „Carmen“ betrug der Anteil der gebuchten Karten für Schüler und Studenten mehr als 30 Prozent.
150 Besucher mit Demenz oder kognitiven Beeinträchtigungen waren in dieser Spielzeit in den Vorstellungen der Kinderoper dabei. (jan)
Nichts ließ Meyer gestern vom Zerwürfnis mit Generalmusikdirektor François-Xavier Roth verlauten, das die Ursache für ihren Abgang gewesen sein dürfte. Aber sie nannte in der obligatorischen Jahrespressekonferenz zum Abschluss der Spielzeit einiges, mit dem sie punkten konnte. Vor der Pandemie seien die Aufführungen zu 92 Prozent ausgelastet gewesen. In der letzten Spielzeit habe man sich dem Niveau mit einer 90-prozentigen Auslastung wieder genähert. Durchschnittlich 25 Prozent der Besucher seien Schüler und Studenten. Im Staatenhaus fand Meyer ihrer Ansicht nach dann beste Voraussetzungen für eine neue, zeitgemäße Oper. Es galt, „auf 16 000 leeren Quadratmetern ohne eine einzige Lampe“, so Meyer, etwas Neues aufzubauen.
Die offen gestaltete Architektur habe dem Publikum einen niederschwelligen Zugang ermöglicht. „Backstage und der Bereich des Publikums liegen direkt beieinander. Das ließ Nähe entstehen“, so Meyer. Und wenn man einen nassgeschwitzten Sänger direkt vor sich stehen habe, komme die Atmosphäre der Oper noch einmal ganz anders an. „Der Dialog mit dem Publikum sollte fortgeführt werden“, erklärte Meyer.
„Oper für Jung und Alt“ als Meilenstein in Köln
Ein Meilenstein sei die Zusammenarbeit mit dem Verein für seelische Gesundheit zur Förderung des Kölner Alzheimer Präventionszentrums gewesen. Aus einer privaten Anfrage, ob ein an Demenz erkrankter Angehöriger eine Veranstaltung besuchen könne, wurde das preisgekrönte Projekt „Oper für Jung und Alt“. Nun liegt auch eine Broschüre des Symposiums zu „Oper und Demenz“ vor. Im August erscheint im Verlag Walther König ein dreibändiges Buch, das sich mit dem Kosmos Staatenhaus, der Chronologie der Spielzeiten von 2006/07 bis 2021/22 sowie dem Titel „Was Oper kann“ beschäftigt. Die Lebendigkeit der Oper gelte es auch am Offenbachplatz zu erhalten, erklärte die scheidende Intendantin.
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Auf die Frage, ob das schwieriger werden dürfte, wenn man das Staatenhaus verlassen habe, sagte sie: „Die Würfel sind schon lange gefallen.“ Städte wie Düsseldorf, die für Abriss und Neubau ihrer Oper entschieden, hätten womöglich aus dem Beispiel Kölns Konsequenzen gezogen. Es gelte nicht nur ein Gebäude zu renovieren. Die Architektur müsse Begegnung zwischen Besuchern und den Menschen auf und hinter der Bühne möglich machen. „Es geht nicht mehr, sich in ein Opernhaus zurückzuziehen“, so Meyer. Im Elfenbeinturm zu wohnen, sei noch nie richtig gewesen. Jüngst wurde die Oper mit dem German Brand Award ausgezeichnet, nachdem sie sich 2020 auf den Weg der Markenfindung begab. Weitere Ausgezeichnete: Firma Bosch und Katzenfutterhersteller Sheba.