Angelika Niescier aus Köln ist beim Deutschen Jazzpreis in der Kategorie Holzblasinstrumente ausgezeichnet worden.
Deutscher JazzpreisKölnerin Angelika Niescier gewinnt in der Kategorie Holzblasinstrumente
Genau genommen hat sie ihn ja bereits in der Tasche, einen Deutschen Jazzpreis. Vor sieben Jahren erhielt die Altsaxofonistin Angelika Niescier (54) in Berlin den Albert-Mangelsdorff-Preis. Und dieser hieß damals ebenfalls „Deutscher Jazzpreis“. Die neue Veranstaltung des Bundes übernahm diese Bezeichnung. Wieso auch nicht, passt ja perfekt. Über diese Anspielung kann die Nominierte Niescier allerdings nur schmunzeln. „Ich arbeite ja nicht für Preise“, erklärt sie gelassen. Das sagt eine, die letztes Jahr den WDR-Jazzpreis erhielt.
Anfänge auf der Blockflöte
Geboren in Stettin (Polen) und aufgewachsen in Deutschland, fing die Musikerin mit 15 oder 16 Jahren mit dem Saxofon an. Davor spielte sie Blockflöte, nicht gerade das coolste Instrument. Aber daran will sie lieber nicht erinnert werden. Die Jazz-Offenbarung kam dann durch eine Kassette mit Musik des legendären Saxofonisten John Coltrane.
Das Band überspielte ihr damals ein Freund. Für Niescier war es wie eine Erweckung, denn „die Macht von Coltranes Musik hat mich sofort gepackt“, erinnert sie sich. Daneben prägte auch die Neue Musik von Komponisten wie Igor Strawinsky und György Ligeti ihren Stil, und das hört man bis heute in ihrem Spiel.
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In den 80ern, während ihrer Schulzeit, war das Saxofon natürlich in der Popmusik sehr präsent. „In der Band von Tina Turner war immer eins dabei“, erzählt Niescier. Auch das weckte bei ihr Interesse an dem Instrument. Nach dem ersten Unterricht schloss sie sich daher sofort der Rockband ihrer Schule an und lieferte ihre ersten Soli ab.
Später studierte sie an die Folkwang-Hochschule in Essen, wo sie bald ihr erstes Jazzquartett „Angelika Niescier-sublim“ gründete. Nach Essen pendelte sie von ihrem damaligen Wohnort Düsseldorf. Diese Stadt verlieh ihr 1998 einen ersten Förderpreis. Doch das benachbarte Köln reizte sie schon damals wegen seiner vielfältigen Musikszene. Der Umzug dorthin war daher nur eine Frage der Zeit.
Ab 2010 erregte Niescier großes Aufsehen mit dem von ihr geleiteten „German Woman Jazz Orchestra“, initiiert von der Deutschen Welle und dem Deutschen Musikrat. Mit dieser Frauen-Big-Band tourte Niescier sogar durch die arabische Welt.
Politische Mission
Das war damals auch eine politische Mission. Bis heute setzt sie sich für einen größere Präsenz von Frauen im Jazz ein. Ganz konkret macht sie das als Kuratorin des Stadtgarten-Festivals „Winterjazz“. Das sei „gendermäßig extrem gut gemischt“, erklärt sie stolz. Leider teilen nicht alle Veranstaltende diese Sichtweise. „Die Frage nach zu wenigen Frauen im Jazz muss daher vor allem vielen männlichen Organisatoren gestellt werden“, findet sie. Jazz sei für sie vornehmlich eine „Livemusik“, denn „sie wird live erforscht“. Deshalb gebe sie bei ihren Konzerten immer „1000 Prozent“ und erwartet dasselbe auch von allen, die mit ihr auf der Bühne stehen. Man glaubt es sofort, denn auch im Gespräch sprudeln die Gedanken aus ihr so energetisch heraus wie ihr Saxofonspiel.
Niescier ist eine umtriebige Künstlerin, die viel komponiert. Stets laufen bei ihr mehrere Projekte gleichzeitig - oft mit unterschiedlichsten Besetzungen. Sogar Kooperationen mit dem Theater, Tanz und Chören hat sie schon gemacht. Dabei sucht sie immer nach dem perfekten Sound für jedes Ensemble, mit dem sie arbeitet.
Musik hat für sie aber auch einen aktuellen Bezug, erläutert sie: „Die Welt brennt gerade an allen Ecken und Enden. Deshalb finde ich es wichtig, sich immer wieder klar zu machen, was für eine Wirkung die Kunst auf die Gesellschaft entfalten kann. Unsere Musik stellt Fragen, und diese werden auch auf der Bühne verhandelt.“
Wurzeln des Jazz
Außerdem möchte sie immer daran erinnern, woher der Jazz eigentlich kommt: „Wir Weiße in Europa müssen uns bewusst machen, dass die Wurzeln unserer Musik in den Errungenschaften von schwarzen Musikern und Musikerinnen liegen, und dass unser Leben und Arbeiten nur durch dieses Geschenk an die Welt möglich ist.“
Bei der Verleihung des Deutschen Jazzpreises am 18. April im Kölner E-Werk bestreitet Niescier mit ihrem Pianisten Alexander Hawkins sogar einen der Live-Acts. Vor einiger Zeit veröffentlichten beide die vielgelobte Duo-CD „Soul in Plaint Sight“. Da kann es Niescier ja fast schon egal sein, ob sie die Trophäe letztendlich gewinnt. Denn präsentieren darf sie ihre Musik auf jeden Fall.
CD aus Chicago
Mit unkonventionellen Formationen überrascht Angelika Niescier gerne. Ein Beispiel dafür ist ihr neuestes Album „Beyond Dragons“ (Intakt Records), auf dem sie gemeinsam mit zwei herausragenden Frauen der US-Jazzszene zu hören ist: der Schlagzeugerin Svannah Harris und der Cellistin Tomeka Reid. Die in Chicago aufgenommene CD zählt John Fordham von der britischen Zeitung „The Guardian“ zu den zehn besten Jazzalben des Jahres 2023. Dabei lobte er auch die Kompositionen, die allesamt von Niescier stammen. Ein Beweis wie hoch Jazz aus Köln international eingeschätzt wird. (mco)