Der große UnberechenbareFilmschauspieler Donald Sutherland feiert 85. Geburtstag
- Heute feiert Donald Sutherland seinen 85. Geburtstag.
- Vor allem für seine dunkleren Rollen erinnert man sich an ihn.
- Hartmut Wilmes blickt zurück auf dessen Karriere und Leben.
Köln – Schon dieses seltsam längliche Gesicht mit den großen Zähnen: markant gemeißelt, aber eben nicht nach männlichem Schönheitsideal, dazu schwer lesbar. Nein, der Part des romantischen Liebhabers war Donald Sutherland nicht unbedingt in die Wiege gelegt. Kein Wunder, dass er in Federico Fellinis „Casanova“ eher das krasse Gegenteil verkörperte: einen lieblosen Lüstling, hinter dessen zirzensischer Sex-Akrobatik eine große Tristesse sichtbar wurde.
Überhaupt erinnert man sich heute, da der kanadische Mime seinen 85. Geburtstag feiert, wohl vor allem an seine Ausflüge in die dunkleren Gefilde des Kinos. Den ersten Achtungserfolg verbuchte er 1967 als begnadigter Psychopath in Robert Aldrichs „Das dreckige Dutzend“, einem knallharten, letztlich aber konventionellen Kriegsfilm. Doch erst mit dem Part des Chirurgen „Hawkeye“ Pierce in Robert Altmans zynischer Militärsatire „M.A.S.H.“ (1970) löste Sutherland sein Ticket für den intellektuellen Zirkel des „New Hollywood“.
Und schon ein Jahr später brillierte er in Alan J. Pakulas „Klute“. Als Provinzdetektiv aus Pennsylvania geriet er hier in den New Yorker Sumpf voller Paranoia und Perversion. Und auch wenn John Klute gegen trotzige Widerstände zum Beschützer der bedrohten Prostituierten Bree Daniels (Jane Fonda) wurde, spiegelte der nüchtern-spröde Film vor allem eine Welt gestörter Beziehungen und gedrosselter Gefühle.
Während Jane Fonda zu Recht einen Oscar als beste Hauptdarstellerin gewann, ging ihr Partner leer aus. Das blieb in seiner weit über 150 Rollen umfassenden Karriere so, bis die Academy 2018 als Zeugnis ihres schlechten Gewissens wenigstens die (Trostpreis-)Trophäe für das Lebenswerk spendierte.
Blütezeit in den 70er-Jahren
Die 1970er Jahre waren wohl die beste Zeit des großgewachsenen Schauspielers, der in dieser Dekade unter anderem mit Claude Chabrol („Blutsverwandte“), John Schlesinger („Der Tag der Heuschrecke“) oder Philip Kaufman („Die Körperfresser kommen“) drehte.
1980 war er dann in Robert Redfords nuancenreichem Regiedebüt zu sehen, dem Entfremdungsdrama „Eine ganz normale Familie“. Die vielleicht stärkste Leistung seiner Laufbahn gelang Sutherland in Nicolas Roegs übersinnlichem Thriller „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ nach einer Erzählung von Daphne du Maurier.
An Julie Christies Seite spielte er den Restaurator John Baxter, der das Ertrinken seiner kleinen Tochter nicht verhindern konnte. Und der nie begreift, dass er mit dem immer wieder aufblitzenden Rot ihres Regenmantels in einem morbiden Venedig letztlich sein eigenes Ende vorhersieht. Schärfer, präziser und anrührender hätte man das Psychogramm dieses todtraurigen Untoten kaum zeichnen können.
Lieber in Quebec als in Hollywood
Donald Sutherland mag im engeren Sinne kein Hollywoodstar sein, aber als der große Unberechenbare hat er in fast jedem Genre für verstörende Momente gesorgt: etwa als bestialischer Faschist in Bernardo Bertoluccis Historienepos „1900“, als umsichtiger Stilett-Killer im Spionagethriller „Die Nadel“ oder als allwissender Mr. X in Oliver Stones Verschwörungsdrama „JFK“.
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Der Schauspieler und fünffache Vater – einer der Söhne ist Kiefer Sutherland – lebt zwar mit seiner dritten Ehefrau Francine Racette nach wie vor nicht in Kalifornien, sondern in der kanadischen Provinz Quebec. Und er sagt: „Ich weiß nichts über Hollywood. Ich arbeite nur.“ Tatsächlich lässt die Traumfabrik den Vielbeschäftigten nicht los. In F. Gary Grays cleverem Turbo-Krimi „The Italian Job“ musste er zwar früh ins Gras beißen, fesselt aber als skrupelloser Präsident Snow in der Reihe „Die Tribute von Panem“ auch junge Zuschauer.
Und für den Mann mit dem nunmehr schlohweißen Haar ist mit 85 keineswegs Schluss: Neben Anne Hathaway und Robert DeNiro soll er demnächst in James Grays „Armageddon Time“ zu sehen sein.