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Corona in KölnKölns Kulturschaffende besorgt über schleppenden Kartenverkauf

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Philharmonie

Noch gibt es freie Plätze, aber im Vergleich zum Streaming ist in der Philharmonie deutlich mehr los. 

Köln – „Normal ist das nicht“, räsoniert Kabarettist Martin Zingsheim in seinem neuen Programm, das morgen Premiere im Senftöpfchen feiert. Das Haus hat den Termin bewusst auf den 11. November gelegt und will „parallel zum Karneval“ Flagge für die Kulturveranstaltungen zeigen. Denn auch wenn sie ihre Pforten wieder öffnen können, stehen Theater, Oper oder Philharmonie vor dem Dilemma, dass das Publikum noch verhalten reagiert.

„Das Kaufverhalten der Kulturinteressierten ist nach wie vor sehr vorsichtig und zögerlich. Das erschwert unsere Arbeit enorm, da nichts wirklich planbar ist“, sagt Senftöpfchen-Theaterleiterin Alexandra Franziska Kassen: „Mindestens 10 Prozent der Veranstaltungen müssen aufgrund zu geringer Ticketverkäufe abgesagt beziehungsweise verlegt werden. Das ist für alle Kulturschaffende ein Drahtseilakt.“

Schleppender Kartenverkauf

In der Kultur-Redaktion der Rundschau mehren sich die Anrufe und Mails mit Bitten, eine Veranstaltung noch einmal anzukündigen, damit der schleppende Kartenverkauf vielleicht doch etwas an Fahrt aufnimmt. Zu disponieren, oder gar zu wissen ob eine Veranstaltung sich rentiert, ist auch vor dem Hintergrund steigender Inzidenzzahlen gerade nicht einfach.

Jana Lösch, Sprecherin beim Schauspiel, spricht von einem „deutlichen Einbruch beim Kartenverkauf“. Premieren würden noch vergleichsweise gut besucht. „Das Publikum dort ist ein anderes“, sagt Lösch. Viele Besucher wollten als erste dabei sein. Danach werde es weniger. Aber noch sei es zu früh, um Zahlen über die Auslastung der Veranstaltungen in Depot 1 und 2 vorzulegen. „Wir haben erst seit Anfang November wieder die volle Bestuhlung.“ Aktuell seien die Abo-Verkäufe noch ausgesetzt.

Meike Becker, Sprecherin der Oper, hat Zahlen: „Wir erleben zur Zeit eine große Zugewandtheit des Publikums. Vor der Pandemie haben wir mit 93 Prozent Auslastung aufgehört. Aktuell erfahren besonders die Vorstellungen für Kinder und Jugendliche eine hohe Nachfrage, wie ,Der Ring des Nibelungen für Jung und Alt’“ , so Becker. Die Auslastung des „Rheingold“ liege bei 86 Prozent – und die Uraufführung der „Geschichte vom Fuchs, der den Verstand verlor“ (Premiere 20. November) sei mit über 90 Prozent ausgelastet. „Von den 17 Vorstellungen ,Hänsel und Gretel’ (Premiere: 19. Dezember) sind bereits über 40 Prozent verkauft“, so Becker.

Probleme mit ausländischen Musikern

Unwägbarkeiten gibt es, wenn Gast-Ensembles aus dem Ausland auftreten. So musste die Westdeutsche Konzertdirektion das für Freitag in der Philharmonie angesagte Konzert im Zuge der Deutschland-Tournee mit Pianist Mikhail Pletnev und dem Russischen Nationalorchester aufgrund des starken Anstiegs der Infektionszahlen und des Lockdowns in Moskau kurzerhand wieder absagen. Aus gut informierten Kreisen ist allerdings zu hören, dass die Sputnik-Impfung einen Strich durch die Rechnung macht. Auf Europa-Tourneen müsste das russische Ensemble zusätzlich tägliche Tests vorlegen. Dafür sei der Aufwand zu hoch. Intendant Louwrens Langevoort stimmt trotzdem Töne der Zuversicht an: „Anfang November haben wir den Kartenverkauf für die Zeit bis März gestartet und in kurzer Zeit sind 7000 Karten rausgegangen. Ich bin optimistisch.“ Anfang Januar beginne wieder der Abo-Betrieb, der Vorverkauf habe bereits begonnen. In der aktuellen Spielzeit werden bisherige Abonnenten mit dem Angebot kontaktiert, über einen Code ein Ticket zu lösen. Dabei kann auch Langevoort ein zögerliches Verhalten feststellen. Aber Namen wie Daniel Barenboim oder Sir Simon Rattle wiederum hätten sich als Publikumsmagneten erwiesen, so dass ihre Konzerte schnell ausverkauft gewesen seien. Mit solchen Größen können die kleinen Ensembles nicht locken.

Theatergemeinde Köln verliert viele Mitglieder

Während der Corona-Zeit hat die Theatergemeinde Köln rund die Hälfte der 12.000 Mitglieder verloren. In normalen Zeiten liegt die Fluktuation der Mitglieder bei etwa 15 Prozent. Doch nun hat die Zuschauerorganisation seit zwei Jahren keine Werbung gemacht, lange gab es gar keine Veranstaltungen, später sorgte das Regel-Wirrwarr für Chaos und auch jetzt halten sich viele Zuschauer noch zurück. Mittlerweile laufe der Verkauf wieder langsam an, sagt Geschäftsführer Norbert Reiche. „Wir hoffen, dass es keinen Lockdown mehr gibt und schauen mit Optimismus nach vorne.“ Anschub im Verkauf soll eine große Werbeaktion verschaffen, die in der kommenden Woche startet.

Auf Kritiken setzt das Theater im Bauturm. Das mache Besucher neugierig. Bei der Bestuhlung schränkt sich das Haus ein. „Das Publikum fühlt sich wohler, wenn es nicht so vollgestopft ist“, sagt Leiter Bernd Schlenkrich. Bis Oktober waren es nur 51 Plätze, also unter 50 Prozent. Seit November sind es 71 Plätze. Die Zuschauerzahlen schwanken zwischen 25 und 65, ausverkaufte Veranstaltungen seien die Ausnahme. Im Vergleich zur Zeit vor Corona werde das Theater nur zur Hälfte besucht.

Auf 2- ode r 3 G-Beschränkungen ganz zu verzichten, wie es das „Netzwerk Musik in Freiheit“ unter Verweis auf Teilhabe forderte, findet Schlenkrich abwegig. „Dann würde kaum einer kommen.“ Sollte 2 G gelten, sehe er das gelassen: „Derzeit sind pro Veranstaltung gut zwei Besucher dabei, die ein negatives Testergebnis vorlegen. Die anderen haben Impfnachweise.“