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„Celebration“-TourneeDarum war Madonnas Auftritt in Köln einzigartig

Lesezeit 5 Minuten
Madonna ist in Schwarz gekleidet und singt in ein Mikro.

Madonna beim Auftritt in London.

Madonna in Köln: zwei praktisch ausverkaufte Konzerte in der Arena, eine knapp zweieinhalbstündige Show, gespickt mit Hits aus 40 Jahren.

Wenn ein Weltstar auf Tournee geht, wünscht sich jeder Fan, dass dem Auftritt, dem er beiwohnt, ein Moment der Einzigartigkeit innewohnt. Dieser Traum ging für die 16.000 beim ersten der beiden Madonna-Shows in der Lanxess-Arena in Erfüllung: Mit 95 Minuten Verspätung gönnte die 65-Jährige ihnen die längste Wartezeit der „Celebration“-Tournee, bis sie mit „Nothing really matters“ einen furiosen Auftakt hinlegte.

Und über den weitesten Teil des knapp zweieinhalbstündigen Abends hielt dieser Energielevel: eine ausufernde Party mit Hits am laufenden Band, spektakulär präsentiert auf einer Bühne, von der aus gleich mehrere Laufstege bis in die Hallenmitte führten. Laser, Licht, Projektionen – an Technik wurde nicht gespart.

Tochter Mercy am Flügel

Diese kam aber auch in Sachen Musik zum Zuge: Sie kam vom Band, bis auf ein paar Live-Einsätze von Gitarre – von ihr selbst oder Sohn David Banda gespielt – oder Flügel, auf dem Tochter Mercy James sie zu „Bad girl“ begleitet.

Wie immer bei Madonna-Konzerten hört man auch ihre eigene Stimme in Teilen aus der Konserve. Aber, wenn man Karten für ihre Shows kauft, weiß man das. Eine großartige Sängerin war sie nie, wollte sie – mit Ausnahme ihres Filmauftritts als „Evita“ – auch nie sein.

Madonnas Ziel war immer ein Star zu werden, und das hat sie nicht zuletzt geschafft, weil sie eine begnadete Entertainerin ist.Und in der Arena geraten die Beats so laut und durchdringend, dass es fast egal ist, ob sie nun live singt oder nicht.

Rotzig-unperfektes Frühwerk

Aber unterhalten wird man vortrefflich an diesem Abend, der als heißer Ritt durch letztlich mehr als 40 Jahre Karriere konzipiert ist. Los geht's in New York, wo Madonna nach ihrer eigenen Musiksprache sucht; herrlich post-punkig schrammelt sie dazu auf der E-Gitarre die frühe Single „Burning up“ runter. Das Rotzig-Unperfekte der ersten Madonna-Jahre feiert hier einen charmanten Triumph.

Auf den Hurra-Hedonismus von Hits wie „Holiday“ lässt sie die dunkelste Seite der 80er-Jahre folgen und erinnerten an die Heerscharen von AIDS-Toten: Zur Ballade „Live To Tell“ werden auf den im Hintergrund und an den Laufstegkanten platzierten Leinwänden Fotos von Menschen projiziert, die Opfer des Virus wurden.

Kreuze, Kutten, Rosenkränze

Zunächst nur einige, darunter Prominente wie der Zeichner Keith Haring oder der Fotograf Robert Mapplethorpe, werden es mehr und mehr, die Flut der Fotos scheint nicht stoppen zu wollen, wie seinerzeit auch das Sterben kein Ende nehmen wollte. „Ich bin eine der Glücklichen, die überlebt haben“, hatte sie schon zuvor gesagt. Unbestritten der intensivste und stärkste Moment dieses Abends.

Dass darauf ihr kirchen-kritisches „Like A Prayer“ folgt, zu dem halbnackte Tänzerinnen und Tänzer turnen und sich mehr oder minder unsittlich berühren, ist Madonna-logische Konsequenz. Kreuze, Kutten, Rosenkränze — wie es sich gehört.

Durchdachte Provokation

Die durchdachte und gut inszenierte Provokation gehört einfach zu ihrer öffentlichen Person und funktioniert auch 35 Jahre später noch.

Hatte Madonna sich immer schon freizügig gegeben, in den 90ern ließ sie für ihren Bildband „S.E.X.“ alle Hüllen fallen. „Erotica“ und „Justify my love“ sorgten für den entsprechend aufgeladenen Soundtrack.

Doch wie so oft bei diesem Konzert hat man das Gefühl, dass Madonna der Magie ihrer alten Songs nicht mehr so ganz über den Weg traut. Die Eleganz, das Sinnliche oder auch die Spielerische wurden gnadenlos zugewummert. Richtig weh tut das bei „Vogue“, dessen Original von einem lässig-herrausfordernden Fingerschnipsen geprägt war.

Wie der Dreh zu einem Videoclip

Über weite Strecken wohnt man praktisch auch dem Dreh für einen üppigen Videoclip bei. Viele Aktionen sind auf eine der vielen Kameras ausgerichtet. Die perfekt geschnittenen Resultate kann man in Echtzeit auf den Leinwänden bewundern.

Da vollführen Teile der 24-köpfigen Tänzerschar zu „Justify my love“ in fleischfarbenen Trikots eine Modern-Dance-Choreografie und werden dabei im Stile Busby Berkeley von oben gefilmt. In der Projektion wird daraus ein Kaleidoskop, wie man sie aus den 30er-Jahre-Musicals des Regisseurs kennt.

Generell sind die Tanznummer so inszeniert, dass um Madonna herum jede Menge Action ist, sie selber sich aber bei den Schrittkombinationen zurückhält, manche nur andeutet. Aber warum soll man gerade von ihr mehr erwarten als von anderen Altersgenossinnen und -genossen? Wild getanzt hat sie früher, heute überlässt sie das den anderen, ganz im Bewusstsein der eigenen Grenzen. Und da wird auch nicht kaschiert, dass das linke Bein mit orthopädischen Tapes bandagiert ist.

Eingeschränktes Tanzen

Doch es geht auch bedächtiger. Ausgerechnet das Cover von Gloria Gaynors „I will survive“ gerät zu einem musikalisch innigen Moment. Nur mit einer Akustikgitarre bewaffnet macht Madonna aus dem Disco-Kracher ein kleines, intimes Lied – ordentlich gesungen, allein auf der Bühne präsentiert: Die 16.000 fressen ihr förmlich aus der Hand.

Auch optisch ist sie wieder ganz die alte: Das modische „Puffy-Face“ mit dem sie sich in den letzten Monaten gezeigt hatte, ist Vergangenheit.

Doch ansonsten setzt sie auf die permanente Reizüberflutung – auf der riesigen Bühne passiert meistens an alle Ecken und Ende gleichzeitig etwas, von den immer wieder aus- und eingerollten Projektionsflächen ganz zu schweigen.

Langeweile gen Ende

Das fordert seinen Tribut. Spätestens im letzten Viertel ist man genervt, wenn ein weiterer Kostümwechsel durch einen Einspieler kaschiert werden muss. Schon zuvor gab es überflüssige Spiel-Szenen, die endlos lang und aufgesetzt daherkamen.

Auch musikalisch beginnt es zeitgleich zu plätschern. Zu „Bitch, I'm Madonna“ schlüpft zwar das komplette Tanzensemble in die ikonischen Looks der Pop-Diva. Aber das macht das Lied nicht besser, und das Finale begleitet man mit Schulterzucken. Man hatte den Abend über viel, viel Besseres gesehen.