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Serie „Schon einmal gehört?“Britta Fehrmann baut Strumpfbein-Instrumente für ihre Band 120DEN

Lesezeit 4 Minuten
Britta Fehrmann von der Band 120DEN baut Synthesizer aus Dekobeinen für Damenstrümpfe.

Britta Fehrmann von der Band 120DEN baut Synthesizer aus Dekobeinen für Damenstrümpfe.

In unserer kleinen Serie „Schon einmal gehört?“ stellen wir Exoten und ihre Geschichten vor. Zum Auftakt sprach Susanne Schramm mit Britta Fehrmann, die Dekobeine für Damenstrümpfe zu elektronischen Keyboards und anderen Klangkörpern umbaut.

Es ist 74 Zentimeter lang, hautfarben und den Rundungen und Proportionen der weiblichen Anatomie nachempfunden. Aus Kunststoff gefertigt und innen hohl, bringt es nur etwas mehr als ein Kilo auf die Waage. Normalerweise begegnet man ihm bekleidet: in Kaufhäusern, Wäscheboutiquen und in den Schaufenstern derselben. Britta Fehrmann braucht es nackt. So, wie die Maschine es schuf: das Deko- oder Strumpfbein. Um aus ihm etwas völlig Neues zu erschaffen.

Instrumentenbau in Eigenregie

Sie baut es um zu einem Instrument, auf dem sie auch selbst musiziert. Als Frauenband 120DEN steht Fehrmann gemeinsam mit Conny Crumbach, Tina Tonagel und Gesine Grundmann auf der Bühne. Alle vier spielen Bein. Und bauen ihre Instrumente in Eigenregie.

Was 2019 als einmaliger Beitrag zu einer Ausschreibung für Klangkunstideen in erweitertem Sinne gedacht war, hat sich inzwischen zu einem veritablen Langzeitprojekt entwickelt. Für drei der vier Frauen (Tina Tonagel arbeitet auch als Klangkünstlerin) war das Neuland. Sowohl was die Montage als auch das Musikmachen angeht.

„Ich habe früher mal Orgel gespielt, aber mit 14 aufgehört“, sagt Fehrmann. „Musikinteressiert war ich schon immer. Alle meine Freunde haben Musik gemacht und in Bands gespielt. Aber das waren halt immer die Männer. Ein Freund zum Beispiel, der hat mit Sechs schon mit Gitarre angefangen, der war ein echt guter Gitarrist. Mit 16 habe ich gedacht, der hat so einen Vorsprung, das kann ich nie wieder einholen. Ich musste 40 werden, um festzustellen: total egal. Ich spiele sehr gerne Bein. Mich macht das sehr glücklich.“

Auch dass sie sich immer stärker und besser ins Bauen eingefuchst hat, macht gute Gefühle: „Die erste Anleitung habe ich im Internet gefunden, da war ein Schaltkreis offengelegt, und es wurde auch was dazu erklärt. Das hat sich mir auf Anhieb nicht so erschlossen, aber mit vielen Lernplattformen und Hilfe von einem befreundeten Profi in dem Bereich habe ich es geschafft.“

Arbeit mit der Kreissäge

Die Beine bestellen sich Britta und die anderen 120DEN-Frauen im Internet, als nächstes gilt es, einen Schaltplan zu skizzieren und auf Pappe zu übertragen und dann zu überlegen: „Wie ordne ich das am Bein ein? Was kommt wohin? Wie lang müssen die Kabel sein?“ Je nachdem, wo die fertig gelötete Platine hin soll, wird am Bein später eine Aussparung angezeichnet und ausgesägt: „Dafür gibt es ein spezielles Werkzeug, den Dremel, eine Art Mini-Kreissäge. Das ist immer eine totale Sauarbeit – das staubt total. Und die Stärke vom Bein ist auch immer unterschiedlich, es gibt Stellen, da ist der Kunststoff richtig dick und an anderen ist er richtig dünn, je nachdem, wie er eingeflossen ist.“

Inzwischen gibt es im Band-Fundus eine Vielzahl von Beinmodellen: wie das mit der eingebauten Gitarrensaite, das mit dem integrierten Schallplattenspieler oder das mit dem Synthesizer: „Tina hat eins mit einem Mini-Keyboard gebaut, ,Connys Dosenbein' kombiniert eine Dose mit einem indischen Zupfinstrument, dem Gopichand.“ Auch Effektgeräte werden verbaut, am Percussion-Bein sorgt eine Rassel für zusätzliche Rhythmik.

Inzwischen gibt es auch ein Drum Pad-Bein: „Uns ist aufgefallen, dass uns ein Schlagzeug fehlt. Dann habe ich mal recherchiert, bin darauf gestoßen, hab“ das bestellt und ausprobiert.“ Je nach Optik kann ein Bein – mit Platine sichtbar außen angebracht – an einen Cyborg oder einen Steampunk erinnern oder – mit herausragendem Drum Pad in Schwarz – wie eine coole Reminiszenz an die 1980er wirken.

Workshops für Kinder und Erwachsene

Ihr neues Modell nennt Fehrmann liebevoll-ironisch „mein Angeberbein.“ Das Teil ist echt chic und macht optisch ordentlich was her. Je nachdem, welcher Ton angespielt wird, wechseln zwölf rechteckige Lämpchen die Farbe: von Pink zu Gelb zu Grün, zu dunklerem Pink, hellerem Mintgrün und dann wieder zu Gelb.

Sind der Fantasie dabei gar keine Grenzen gesetzt? „Doch, ganz natürliche. Das Bein hat nur ein bestimmtes Fassungsvermögen. Es passen halt nur so viele Kabel und Elektronik rein, wie reinpassen.“ Was das handwerkliche Knowhow angeht, sind alle vier 120DEN-Frauen inzwischen ziemlich fit. So fit, dass zwei von ihnen, Fehrmann und Tonagel, Workshops für Kinder und Erwachsene im Bereich Elektronik anbieten. Das, was da gebaut wird – beispielsweise eine Fantasiemaschine – dürfen Teilnehmende dann auch mit nach Hause nehmen.