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„Maybrit Illner“Liefers mit fahrigem Talk-Auftritt – Lob von Palmer

Lesezeit 5 Minuten
Liefers bei Illner

Jan Josef Liefers bei Maybrit Illner

Bei Maybrit Illner lautete das Thema am Donnerstagabend „Freiheit, Solidarität, Widerspruch – spaltet Corona das Land?“ Zu Gast waren Schauspieler Jan Josef Liefers, FDP-Vize Wolfgang Kubicki, Tübingens Grüner Bürgermeister Boris Palmer, Hamburgs Regierender Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim.

Mit Jan Josef Liefers war eine Person zu Gast, deren Aktion #allesdichtmachen seit genau einer Woche sicherlich zur Meinungsspaltung in Deutschland beigetragen hat. Nachdem sich Liefers bereits mehrfach im TV und auch in einem großen Streitgespräch mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in der „Zeit“ rechtfertigte, bekam er nun auch im ZDF die Gelegenheit, seine Position zu vertreten.

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Maybrit Illner will zunächst wissen, ob Corona auch schon unsere Debattenkultur infiziert hat. Die Aktion #allesdichtmachen habe eine Welle Empörung hervorgerufen und dabei neben sachlicher Kritik auch Kommentare ausgelöst, die völlig indiskutabel seien bis hin zu Morddrohungen. Warum die Aktion so missverständlich sei, fragt sie Liefers. Dieser erzählt noch einmal die Geschichte, die er auch schon bei der „Zeit“ präsentierte. Nachdem er sich im vergangenen Jahr zunächst täglich über Corona informiert habe, litt er irgendwann unter dem thematischen Overkill und wurde „kirre“. Er habe dann vor Weihnachten Zeitungen abbestellt, Newsfeeds nicht mehr gelesen und die Informationen ausgeblendet. Anfang Januar habe er dann aber wieder Nachrichten geschaut.

Liefers spricht von „Homogenität in der Berichterstattung" und dem „Alarm“, der stets verbreitet worden sei. Das sei zu viel gewesen. Für die „Tatsache, dass ein Großteil der Menschen in diesem Land kerngesund war“, sei dies nicht angemessen. Von den Querdenkern grenzt er sich wortreich ab. Eine Erklärung, warum er nicht mitbekommen haben will, wie deren Narrative funktionieren, liefert er allerdings nicht. In seinem Video bei #allesdichtmachen benutzt er ironische Wendungen wie „unnötiger und kritischer Disput“, den es in den Medien „glücklicherweise“ nicht gebe, oder er sagt „Zweifeln Sie nicht!", denn das sei ja schließlich nicht erwünscht. „Wir sollten einfach nur allem zustimmen, was man uns sagt“, heißt es an anderer Stelle.

Liefers verliert den Faden

Liefers wirkt insgesamt fahrig und verliert mehrmals den Faden. Von seiner pauschalen Medienkritik rückt er immer weiter ab. Dietrich Brüggemann und Bernd K. Wunder würde er nicht näher kennen. Als die Anfrage kam, habe er es versäumt, sauber zu recherchieren, wie denn der Hintergrund der Initiatoren sei. Es hätten gute Freunde mitgemacht, daher habe er nicht so viel hinterfragt. „Bei relativ undifferenzierten Maßnahmen ist es schwer, differenzierte Kritik zu verlangen“, rechtfertigt Liefers mit Blick auf die Coronapolitik die Aktion. Er lenkt den Blick auf die Kulturbranche, die seit über einem Jahr fast vollständig am Boden sei. Er habe eine „Debatte anstoßen“ wollen, sonst säße er schließlich nicht hier.

„Aber hat das Ihrer Branche jetzt geholfen?" will Mai Thi Nguyen-Kim wissen. Die Wissenschaftsjournalistin fand die Aktion „sehr unglücklich“ und wundert sich über die Naivität von Liefers, der die Reaktionen aus dem Querdenker-Lager offenbar nicht vorhergesehen hat. „Jede Spaltung verschlimmert die Pandemie für alle", bedauert sie. Man solle die extremen Meinungen, die in den sozialen Medien vertreten werden, nicht in den Fokus stellen. Diese seien trotz ihrer Lautstärke nur eine Minderheit.

Peter Tschentscher zeigt ebenfalls Unverständnis über #allesdichtmachen: „Als ich diese Videos gesehen habe, habe ich mich gefragt: 'Was ist die Botschaft?'" Die Botschaft sei einfach nicht verstanden worden, und so hätten die Schauspieler Beifall von der falschen Seite bekommen. „Die Luft ist benzinhaltig, und #allesdichtmachen hat ein Streichholz drangelegt“, bebildert er die Gefahr.

Boris Palmer dankt Jan Josef Liefers

Der zugeschaltete FDP-Politiker Wolfgang Kubicki hat einen ganz anderen Blick auf die Initiative der Schauspieler. Er fand #allesdichtmachen „sehr pointiert“ und verweist auf die Kunst- und Meinungsfreiheit. Boris Palmer unterstützt die Aktion erwartungsgemäß ebenfalls. Tübingens OB präsentiert sich als Rebell und Verteidiger der freien Meinung. Er kenne sich seit Jahren mit Cancel Culture aus uns lasse sich den Mund nicht verbieten, steigt er wortgewaltig in die Diskussion ein. Er würde trotz jahrelanger Anfeindungen nicht mit einer „Schere im Kopf“ reden. „Danke, Herr Liefers, für diese Aktion!“, sagt er vom Bildschirm herab zum „Tatort“-Schauspieler.

Dann geht es um das Tübinger Modell der Öffnungen, das wegen der Bundesnotbremse eingestellt werden musste. Es habe einfach auch zu viele Touristen aus dem Umland und von weiter her angezogen, so Palmer. Palmer stichelt gegen Tschentscher: Sogar Bürger aus Hamburg seien nach Tübingen gereist, um „ein Stück Lebensqualität“ zu genießen.

Nord-Duell zwischen Tschentscher und Kubicki

Als es um Ausgangssperren geht, wird Tschentscher auch von Kubicki unter Beschuss genommen. Hamburg verzeichnet sinkende Inzidenzen – laut RKI inzwischen sogar unter 100 – , seit es dort eine strenge Ausgangsbeschränkung ab 21 Uhr gibt. Diese Kausalität sieht Kubicki allerdings nicht in seiner Ablehnung: „Sie müssen natürlich behaupten, die Ausgangssperre würde was bringen, denn andernfalls müssten sie sie sofort wieder aufheben“, behauptet Kubicki und beruft sich auf zwei Studien aus Gießen und Oxford. „Man kann nicht sagen, wir setzen bestimme Grundrechte einfach außer Kraft, weil das einem bestimmten guten Zweck dient“, stänkert er. Leider fragt niemand in der Runde nach, wie er denn das Vermeiden von zahlreichen weiteren Toten so lapidar abtun kann.

Nguyen-Kim bringt Kubicki auf den Boden der wissenschaftlichen Tatsachen zurück. Es sei klar, dass Infektionen zum einen in Kitas und Schulen, zum anderen am Arbeitsplatz und daneben im privaten Bereich stattfänden. Und es sei unstrittig, dass man die Anzahl privater Treffen durch eine Ausgangssperre deutlich senken könne.

Gegen Ende des Talks geraten Tschentscher und Kubicki aneinander. Kubicki verweist immer wieder auf sein Heimatland Schleswig-Holstein, wo die Inzidenzen in vielen Kommunen auch ohne Ausgangssperren niedrig seien. Die Corona-Politik des Bundes würde absurde Blüten treiben. So gebe es etwa auf Helgoland eine Ausgangssperre, obwohl es kein Infektionsgeschehen aufweise. „Das was sie tun ist irreführend“, wirft Tschentschner Kubicki vor und verliert seine Gelassenheit kurzzeitig. Der Spezialfall einer abgelegenen Insel, die aber verwaltungsmäßig zu einem Kreis mit höherer Inzidenz gehöre, tauge keinesfalls als Argument gegen die Wirksamkeit dieser Maßnahme.