Barbara Steiner, Direktorin des Bauhauses Dessau spricht im Interview über die bedeutende Schule für Architektur, Design und Kunst und die Kritik an ihr.
Bauhaus DessauWarum sorgt das Bauhaus heute noch für Streit, Frau Steiner?
Vor dem 100. Geburtstag des Bauhaus-Gebäudes in Dessau 2025 hat die sachsen-anhaltische AfD-Landtagsfraktion das Haus als „Irrweg“ bezeichnet und moniert „Verherrlichung“. Barbara Steiner, Direktorin des Bauhauses Dessau, hält im Gespräch mit Stefan Lüddemann dagegen.
Die AfD hat das Bauhaus als „Irrweg der Moderne“ bezeichnet. Wie ordnen Sie das Bauhaus ein?
Das Bauhaus ist wichtig in der Moderne, steht aber nicht allein. Nicht alles geht auf das Bauhaus zurück. Schon im 19. Jahrhundert haben sich Reformbewegungen mit der Industrialisierung auseinandergesetzt. Das waren Versuche, gesellschaftlich aktiv zu wirken. Wir wissen heute um die Schattenseiten einiger dieser Projekte. Die Utopie, die Lebensumstände der Menschen ändern und bessern zu wollen, ist nicht immer geglückt. Einige dieser Wege führten in totalitäre Systeme.
Es gab ja Bauhäusler, die im Nationalsozialismus weitergearbeitet haben, nicht?
Genau. Die am Bauhaus ausgebildete Otti Berger ist im Konzentrationslager ermordet worden, Fritz Ertl, ebenfalls vom Bauhaus, gehörte zu den Planern dieser Lager. Die Zeit des Bauhauses ist eine sehr gespaltene Zeit. Bei den Akteuren sehen wir viele Widersprüche im Handeln. Es gibt das Bauhaus nicht ohne seine Ambivalenzen. Ich frage mich auf diesem Hintergrund oft, wo wir heute stehen und wie es mit unseren Widersprüchen aussieht. In der Zeit des Bauhauses gibt es einen großen Spannungsbogen von emanzipatorischen Ambitionen bis hin zu gesellschaftlichen Problemlagen. Es galt, Wohn- und Lebensumstände entscheidend zu verändern. Dieses Projekt gehört auf die Haben-Seite des Bauhauses. Es gibt aber auch Schattenseiten.
Die AfD hat behauptet, das Bauhaus werde nun einseitig glorifiziert. Ist das wirklich so?
Das stimmt so nicht. Das Phänomen Bauhaus ist sehr differenziert aufgearbeitet. Es gibt Fans des Bauhauses, aber das muss keine Kritiklosigkeit bedeuten. Man muss nicht jeden Aspekt des Bauhauses positiv sehen. Ich scheue mich, negative Entwicklungen der Moderne immer nur auf das Bauhaus zu beziehen. Auch diese Einrichtung war in ihre Zeit eingebettet.
Wo sehen Sie die positiven und wo die negativen Aspekte des Bauhauses?
Positiv sehe ich die Ambition, sich mit gesellschaftlichen Problemlagen zu befassen und Lösungsvorschläge zu machen. Das haben sich die Akteure des Bauhauses weiß Gott nicht leicht gemacht. Die Frage, wie mit minimalen Mitteln maximale Qualität erreicht werden kann, ist heute noch interessant. Der Qualitätsanspruch des Bauhauses fasziniert mich, weil es immer darum ging, was der Mensch braucht. Wichtig sind aber auch die Ästhetik des Bauhauses und sein Umgang mit dem Material. Der Umgang mit Material war sehr innovativ. Ich finde es bestechend, wie am Bauhaus Ökonomie mit dem Sozialen zusammengedacht worden ist.
Und die negativen Seiten?
Alle Veränderungen führen dazu, dass auch Traditionen und das mit ihnen verbundene Wissen verloren gingen. Jeder Strukturwandel kostet. Die Moderne hat die Tradition zerstört. Dieser Vorwurf wird der Moderne oft gemacht.
Genau das klingt ja auch bei der AfD durch. Sie spielt den internationalen Baustil gegen regionale Stile aus. Aber entspricht das nicht Argumentationsmustern der NS-Zeit?
Das kennen wir nicht nur aus der NS-Zeit. Natürlich gehört diese Kritik von der Moderne als Zerstörerin der Tradition zur Zeit des Nationalsozialismus. Sie zieht sich aber auch durch das ganze 19. Jahrhundert. Zur Moderne mit ihrer Industrialisierung gehört aber auch die Umweltzerstörung. Dieses moderne Leben brauchte eben unglaublich viel Energie. Heute würden wir die sozialen und ästhetischen Aspekte des Bauhauses eben auch mit ökologischen Fragen koppeln. Wirklich absurd finde ich aber den Vorwurf der AfD, die Bauhaus-Gebäude seien seelenlos. Das Gegenteil ist der Fall.
Wie ordnen Sie den Antrag der AfD insgesamt ein? Die AfD führt eine Kampagne gegen die Kultur. Gehört die Kritik am Bauhaus in diesen Kontext?
Ja, natürlich. Es geht gar nicht um das Bauhaus, sondern um Fantasien einer Reinheit. Es geht immer wieder um eine deutsche, eine völkische Kultur. Die ist immer wieder mit Vorstellungen der Reinigung verbunden. Vieles davon geht auch argumentativ fehl. So spielt die Regionalisierung ja auch am Bauhaus eine erhebliche Rolle. Das Bauhaus in Dessau unterscheidet sich dadurch von den anderen Standorten in Weimar und Berlin, weil es hier schon Fragen der Raumplanung gegeben hat. Natürlich war auch die kosmopolitische Dimension des Bauhauses für die Rechten immer ein Stein des Anstoßes.
Ist Kultur nicht immer kosmopolitisch?
Ja, denn Künstler sind mobile Menschen, die nach Anregungen aus allen Richtungen suchen. Kultur lebt vom Austausch. Umgekehrt weiß ich gar nicht, was deutsche Nationalkultur überhaupt sein soll. Solche Vorstellungen landen immer bei etwas Gewalttätigem, bei Vorstellungen einer angeblich entarteten Kunst. Denn wer definiert überhaupt, was überhaupt als deutsch gelten soll? Dazu gehören immer Vorstellungen von einer Reinigung, die zu allen totalitären Regimen gehört. Viel wichtiger sind die Herausforderungen der Gegenwart. Das Bauhaus hat sich diesen Herausforderungen gestellt.
Wie sind denn die Diskussionen mit der AfD vor Ort, in Dessau gelaufen?
Wir haben unsere Überlegungen zum Bauhaus in Dessau in den entsprechenden Ausschüssen diskutiert. Zwei Ratsmitglieder der AfD waren dabei. Sie haben unsere Darlegungen gehört und ja auch konstruktiv mitdiskutiert. Mit dem Antrag der AfD im Landtag hat das nichts zu tun. Aber da geht es wohl auch eher um politisches Kalkül.