Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Eigene Schau in Köln Im Museum Ludwig übernehmen Kinder das Ruder

Lesezeit 3 Minuten
Kinderspiele aus aller Welt zeigt das Museum Ludwig in  „Kids take over“

Kinderspiele aus aller Welt zeigt das Museum Ludwig in „Kids take over“

Das Museum Ludwig übergibt den Stab an Kinderkuratoren, eine eigene Schau einzurichten.

Der Satz „das dürfte doch ein Kinderspiel sein“, sagt sich so leicht. Fragt der international gefeierte Künstler Francis Alÿs aber, was die Kinder in Südkorea auf der Straße für Spiele spielen, gibt es dazu gar nichts mehr zu sagen. Wohnraumverdichtung, Daddelspiele auf Smartphone oder Playstation – Hüpfkästchen und Seilchenspringen sind vielerorts, verstärkt durch Corona, auf dem Rückzug.

Museum in den Schulen

Alÿs, ein wunderbarer Kommunikator, ist seit einem Vierteljahrhundert weltweit unterwegs, um Kinder beim Spielen zu filmen, mit ihnen zu sprechen, Skizzenbücher anzulegen oder Performances zu machen, in denen er zum Beispiel mit großem Eisklotz durch Mexico City zieht, bis der letzte Schmelzwassertropfen verdunstet ist. Auf der Biennale in Venedig wurden seine Werke gefeiert und auf der documenta.

„Neidisch geworden“, so Yilmaz Dziewior, Direktor des Museum Ludwig, seien andere Häuser, als sie erfuhren, dass der in Belgien geborene und in Mexiko lebende Künstler in Köln die Ausstellung „Kids take over “ mit 50 Schülern aus Kalk und Chorweiler kuratiert. Rita Kersting, stellvertretende Direktorin gelang es, ihn für das Projekt zu gewinnen, mit dem das Ludwig neue Wege in der Kunstvermittlung gehen will. Anderthalb Jahre ging das Museumsteam in die Schulen.

Der Erfolg ist laut Kersting umwerfend, die Kinder machten begeistert mit. Playstation und Daddeln traten in den Hintergrund. In einer Art „Stabübergabe“ sollten sie Werke aus dem Bestand kuratieren, die nun zu sehen sind. Da ist zum Beispiel die „Orangenverkäuferin“ von Natalia Gontscharowa, die Arsenije und Flavio so gut gefiel, dass sie die Bewegungen auf dem Bild gleich nachtanzten.

Neben Deborah Roberts’ „American#“ klebte Lina die Sprechblase an die Wand „Cool das du da bist.“ Gemeint ist das Kindermuseum im großen Saal, das dazu aufruft, sich aktiv einzubringen und sei es nur, dass man auf den uralten Overheadprojektor schreibt, wie man das Bild des Informelmalers Bernard Schultze nennen würde. „Farbregen“ oder „das bunte Etwas“ stehen schon da.

Bullerbü und Beklemmendes

Alÿs , Träger des Wolfgang-Hahn-Preises 2023, den die Freunde des Museum Ludwig ausloben, versteht sich mehr als Chronist, denn als Aktivist. Wer die Ausstellung betritt, wird unweigerlich durch seine Videos in die Welt der Kinder eingefangen, als drehe man sich um die eigene Achse, bis der Kopf schwummrig und der Gang torkelnd ist.

Im Geräuschpegel zu den Filmen zeigt sich aber, dass egal was für ein Spiel da gerade gespielt wird, die Regeln gerne einmal etwas „eigen“ sind. Derweil ist die Energie immer unerbittlich. Den Erwachsenen eröffnet sich eine Welt der Erinnerung, die nicht verklärt sein muss. Es gibt Bullerbü-Bilder aber auch Beklemmendes: In der Ukraine wird „Luftalarm“ gespielt. Täuschend echt ist die Nachahmung der Sirenen. Zwar ist das Gesicht des Jungen aus dem Kongo begeistert, aber sein „Spielplatz“ spricht Bände. Es ist die Halde einer Kobaltmine, die er mit einem Reifen erklimmt, um damit in rasanter Fahrt wieder nach unten zu sausen. Die Kamera ist immer dabei.

Verhalten klingen die Jungs, die der Künstler nach ihrem Namen fragt, und die gerade Fußball mit einem unsichtbaren Ball gespielt haben – auf einer Straße mit ausgebrannten Autos und zerbombten Gebäuden in Mossul im Norden des Iraks. „Haram Fußball“, Dribblings, und Kopfbälle, spielen sie quasi pantomimisch ohne Ball, da die Terrormiliz IS Bälle verboten hatte. Alÿs drehte die Szene, obwohl Mossul Tage zuvor von der Herrschaft der Terrormiliz befreit wurde.

Im Begleitprogramm zu „Kids take over“ lädt das Ludwig am 29 April, 18 Uhr, zum „Kunstbewusst-Vortrag“. Dirk Snauwaert spricht dann unter dem Titel „Ekstase und Melancholie – Francis Alÿs mitten in unserer Comédie humaine“ Am Dienstag 24. Juni, 18 Uhr , sprechen Henrike Plegge, Anja Hild und Santi Grunewald über die Schau. Bis 3. August, Di bis So 1o – 18 Uhr, Bischofsgartenstr. 1