Heizung, Benzin, Fliegen - beim Thema Nachhaltigkeit wird es schnell polemisch. Bei der Diskussionsrunde in Zülpich war das nicht der Fall.
Die Tafel als VorbildWie nachhaltig lebt es sich im Kreis Euskirchen?
Milch oder Haferdrink? Was davon ist nachhaltiger? Und wer kann sich Nachhaltigkeit in welcher Form auch immer leisten? Gleiches gilt für die Energiewende, das Auto samt Tempolimit auf Autobahnen oder die Kerosinsteuer.
Alles Reizthemen, alles Themen für abendfüllende Diskussionen. Der Kreisverband der SPD hat den Versuch gewagt, die Diskussion um die Nachhaltigkeit in einer Podiumsrunde in den Fraktionsräumen der Zülpicher Sozialdemokraten an der Münsterstraße auf eine Stunde zu begrenzen. Geklappt hat das einigermaßen gut – auch, weil einige Reizthemen bewusst außen vor gelassen wurden.
Zülpicher Tafel ist am Limit und dennoch ein Vorbild bei der Nachhaltigkeit
Als Gäste hatte Moderatorin Annegret Lewak, Vorsitzende der Zülpicher SPD, Heike Neumann, Vorsitzende der Zülpicher Tafel, und Marvin Strick (SPD Klima Gerecht) eingeladen. Schon nach wenigen Minuten war klar: Hier treffen Generationen aufeinander, die sich auch noch als Optimisten und Realisten entpuppten.
„Im besten Fall hinterlassen wir die Welt der kommenden Generation in einem besseren Zustand. Ich glaube, dass wir das schaffen können“, sagte Strick und forderte damit Neumann mehr oder weniger heraus. Die Chefin der Zülpicher Tafel pflichtete dem jungen Bürvenicher nicht bei. „Das werden wir nicht schaffen. Dafür müsste ganz viel Verzicht geübt werden“, sagte sie.
Lewak: „Sobald sich der Lebensstil ändern soll, geht der Shitstorm los“
Verzicht – das war das Stichwort für Moderatorin Lewak: „Wenn der gewohnte Lebensstil gefährdet ist, geht der Shitstorm los. Keiner verzichtet gerne auf etwas. Das ist ein sehr hoher moralischer Anspruch.“ Verzicht sei aber nötig, wenn man nachhaltig leben wolle.
Dabei verwies die Moderatorin auf den 4. Mai. Das war der sogenannte Erdüberlastungstag in Deutschland. An diesem Tag waren in Deutschland alle natürlichen Ressourcen verbraucht. Das geht aus Berechnungen des „Global Footprint Networks“ hervor. Laut der Organisation wären rund drei Erden nötig, wenn alle Länder pro Einwohner so viele Naturgüter verbrauchten und Emissionen verursachten wie die Bundesrepublik, sagte Lewak: „Wir leben nach der Definition nicht nachhaltig, weil die Welt nicht zukunftssicher sicher ist, da wir über ihre Verhältnisse leben.“
Heike Neumann berichtete, dass die Tafel in Zülpich am Limit sei. „Sowohl Mitarbeiter als auch Kunden“, so die Vorsitzende. „Die Kunden haben aber ganz andere Sorgen als Nachhaltigkeit. Denen ist es völlig egal, ob etwas Bio ist oder nicht.“
Dennoch sei die Arbeit der Tafel sehr nachhaltig. „Wir retten Lebensmittel, die sonst weggeworfen würden, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum bald abläuft oder weil ein Beutel mit Äpfeln nicht verkauft werden kann, weil einer faul ist“, so Neumann: „Wir machen den Beutel auf und verteilen die Äpfel einzeln. Das ist nachhaltig“, sagte die Vorsitzende. Daher sei die Arbeit ein Vorzeigebeispiel für Nachhaltigkeit.
Allerdings mache man auch in Zülpich die Erfahrung, dass die Kunden eher zur Milch als zum Haferdrink greifen. „Haferdrink und Sojajoghurt sind auch bei uns nicht der Renner“, berichtete die Tafel-Chefin. Lewak verwies darauf, dass ein Haferdrink in der Herstellung durchaus nachhaltiger sei als Milch. „Es ist keine Massentierhaltung nötig, und der Methanausstoß ist auch geringer“, so die Moderatorin.
Allerdings rechne sich der Preis von einem Euro für einen Liter Milch für den gewöhnlichen Landwirt sicher nicht. Zum Vergleich: Laut Lewak kostet ein Liter Haferdrink etwa zwei Euro. Den könne sich aber nicht jeder leisten, auch wenn man noch so gerne etwas für die eigenen und nachfolgenden Generationen tun würde.
Gleiches gilt laut Lewak auch für den Strom. „Zwischen Strom-Mix und Ökostrom liegen teilweise 20 Euro Unterschied pro Monat“, sagte sie. Neumann fügte an: „Das ist für viele unserer Kunden bei der Tafel sehr viel Geld.“
Ein Zuhörer der Diskussion sagte, dass es das „Ausschließlich-Prinzip“ nicht geben dürfe. Dann steige der Frust. Man müsse sich entscheiden dürfen – ob Heizung, Verbrenner oder E-Motor, Fliegen oder Bahn.
Dem stimmte Strick zu. Als „Dorf-Kind“ sei er auf ein Auto angewiesen, weil der ÖPNV einfach nicht gut genug ausgebaut sei. Das müsse sich ändern – beispielsweise, indem man Steuereinnahmen stärker für den Ausbau nutze. Obwohl Strick mit dem Auto unterwegs ist, macht er sich dafür stark, dass der Benzinpreis steigt – allein schon, um den Generationen eine bessere Welt zu hinterlassen.