Nach einer Krebsdiagnose steht die Welt Kopf. Was hilft, um gut durch die erste Zeit zu kommen? Eine frühere Krebspatientin gibt Tipps.
„Warum sagt mir das denn niemand?“Was man nach einer Krebs-Diagnose wissen muss – Tipps von Betroffener
„Ich war zunächst wie in einer Schockstarre, als würde sich ein Film in Dauerschleife wiederholen. Ich dachte: Das kann ja nicht stimmen, das muss eine Verwechslung sein!“ Diese Gedanken schossen Nella Rausch im Moment kurz nach ihrer Krebsdiagnose durch den Kopf. „Plötzlich sind da Ängste und Unsicherheiten. Aber vor allem auch ganz viele Fragen“.
In der ersten Zeit nach einer Krebsdiagnose stürzt wahnsinnig viel auf die Betroffenen ein. Sie werden nicht nur von Emotionen überwältigt, die sie vorher nicht kannten, sondern stehen auch vor ungewöhnlichen Herausforderungen, auf die sie sich niemals vorbereiten konnten. Und noch während man die Nachricht verarbeitet, müssen bereits Therapien geplant, formelle Dinge eingeleitet und der Alltag umgestellt werden. „Weil ich eine gute Prognose hatte, hielt ich mich an meiner Zuversicht fest“, erzählt Nella Rausch, „und habe mich daher recht schnell geordnet.“
Viele Fragen nach der Krebsdiagnose
Dennoch sei der erste Weg durch den bürokratischen, medizinischen und emotionalen Dschungel kein leichter gewesen. „Oft habe ich im Nachhinein gedacht: ‚Das hätte ich gerne schon früher gewusst!‘“ Weil sie erlebte, dass es vielen anderen Patientinnen und Patienten auch so ging, habe sie ihr Wissen und ihre Erfahrungen im Buch „Warum sagt mir das denn niemand?“ gebündelt. „Natürlich ist jeder Krankheitsverlauf individuell und jeder geht anders mit der Diagnose um“, sagt sie, „aber eins haben viele Krebspatienten gemeinsam: Sie werden schnell einsam und denken, sie müssten das alleine schaffen. Deshalb möchte ich weitergeben, was mir geholfen hat.“
Sechs Tipps von Nella Rausch für die Zeit nach der Diagnose:
Woher bekommt man medizinische Informationen über die Krankheit?
Auch wenn der erste Impuls nach der Diagnose sei, selbst im Netz etwas über die Krankheit zu recherchieren, müsse man hier vorsichtig sein. „Wir alle sind keine Fachleute und können die Informationen oft nicht richtig einordnen“, sagt Nella Rausch. „Deshalb sind immer die Ärzte die wichtigste Quelle. Man sollte alles fragen, was man wissen möchte.“ Am besten schreibe man sich vorher alle Fragen auf und stelle die wichtigsten zuerst.
Dabei dürfe man auch jene Fragen nicht auslassen, zu denen man vielleicht schon Infos aufgeschnappt habe. „Manchmal baut man sich im Kopf sein eigenes Krankheitskonzept zusammen und fragt nicht mehr nach“, sagt Nella Rausch. „Eine Patientin dachte zum Beispiel, sie müsste ihr Leben lang mit einem künstlichen Darmausgang herumlaufen, weil sie nie gefragt hatte, wie lange der dran bleibt.“ Erst zwei Jahre später habe sie erfahren, dass sie sich zu Unrecht Sorgen gemacht hatte.
Wichtig sei, sich von den Ärzten nicht abwimmeln zu lassen. „Der neue Job heißt „Patient-sein“ und das kann der wichtigste des Lebens werden. Wenn man jetzt nicht hartnäckig ist, wann dann!“ Es gehe auch darum, sich selbst zu managen. „Wer die Abläufe im Gesundheitswesen kennt und Fragen stellt, wird besser behandelt.“ Nehme sich ein Arzt keine Zeit, solle man, falls möglich, über einen Wechsel nachdenken und im Zweifel lieber längere Wege in Kauf nehmen.
Wer hilft nach der Diagnose bei formellen Dingen?
Welchen Stellen muss ich Bescheid geben? Was muss ich einleiten? Diese Fragen beschäftigen viele neue Krebspatienten. „All das herauszufinden, ist leider ein Puzzlespiel, denn es gibt eben nicht die Stelle, die alles erledigt oder die man beauftragen kann“, erzählt Nella Rausch. „Vieles muss man sich selbst zusammen suchen.“ Helfen könnten unter anderem die Sozialarbeiter, die es in den Kliniken auf vielen Stationen gebe. Alle wichtigen Informationen zu Themen wie Zuzahlungsbefreiung, Krankmeldung, finanzielle Sicherheit, Krankengeld, Transportverordnung oder Wiedereinstieg gebe es zudem beim Sozialverband VdK.
Krebsberatungsstellen in der Region
LebensWert e.V. – Krebsberatungsstelle Köln e.V.; ASB-Krebsberatungsstelle Rhein-Erft; Malteser Krebsberatung Rhein-Erft
Wie kann das Umfeld am besten unterstützen?
„Das direkte Umfeld ist für Betroffene meist die wichtigste Stütze nach einer Krebsdiagnose“, sagt Nella Rausch. „Es kann eine große Hilfe sein, nahestehende Menschen in Gedanken und Gefühle einzuweihen. Auch getreu dem Grundsatz: ‚Wer verbalisiert, heilt besser‘.“
Aber nicht nur psychologische, sondern auch rein praktische Hilfe könne das Umfeld leisten. „Viele Angehörige dürsten ja danach, helfen zu dürfen. Und deren Talente lassen sich unter Umständen sinnvoll einsetzen. Vielleicht gibt es einen Buchhalter, der beim Papierkram helfen kann oder jemand, der gut kocht oder die Kinder zur Schule fahren kann.“ Je konkreter und unmittelbarer die Hilfe sei, desto besser. „Eine Freundin etwa kam einfach vorbei und hat mal bei uns durchgeputzt.“
Wie kann man sich mit anderen Patienten vernetzen?
„Es gibt Selbsthilfegruppen vor Ort, die teilweise sogar auf die jeweilige Krebserkrankung spezialisiert sind“, sagt Nella Rausch, „dort kann man andere Menschen treffen und sich Tipps einholen.“ Es gebe aber auch digitale Selbsthilfegruppen. „Ich bin zum Beispiel eine sogenannte ‚Mutmacherin‘ bei ‚Yes we cancer‘, einer Organisation, die laut und bunt ist und zeigt, dass das Leben nach der Diagnose durchaus lebenswert ist.“ Um Informationen und Kontakte zu bekommen, kann man sich auch an die Deutsche Krebsstiftung oder Deutsche Krebshilfe wenden.
Wer kann psychologisch begleiten?
„Ich kann nur jedem raten, sich sofort nach der Diagnose psychoonkologische Betreuung zu suchen“, sagt Nella Rausch. „Ich habe direkt eine Verhaltens- und Gesprächstherapie gestartet, um besser mit der neuen Situation umzugehen. Und das war so oft meine Rettung!“ Die Psychoonkologin oder der Psychoonkologe könne einen geschützten Raum bieten und neutral auf die Situation schauen – anders als bei Angehörigen, die selbst oft besorgt und emotional seien. „In manchen Krankenhäusern gibt es auch Psychoonkologen direkt auf der Station. Ich würde empfehlen, gezielt danach zu fragen.“ Nach dem Klinikaufenthalt könne man sich von niedergelassenen Psychoonkologen weiter betreuen lassen. Weitere Infos über das Thema gibt es beim Krebsinformationsdienst.
Wie lässt sich trotz Krankheit auch mal Alltag leben?
„Ich habe immer versucht, so viel wie möglich aus meinem alten Leben zu retten“, erzählt Nella Rausch. „Ich wollte weiterhin am Leben meiner Freundinnen teilnehmen und nicht nur über meine Erkrankung reden.“ Auch Humor sei ganz wichtig. „Man darf zusammen lachen, das befreit. Dann können auch Erkrankte und Angehörige entspannter aufeinander zugehen.“ Auch in der Partnerschaft habe sie bewusst Pausen gesucht. „Mein Mann und ich hatten zwei Räume im Haus, in denen wir nicht über das Thema geredet haben. Das hat uns sehr geholfen“, erinnert sie sich. „Dafür haben wir an anderer Stelle bewusst intensiv über das Thema gesprochen.“
Kurze Auszeiten seien ganz wichtig, um mal aus dem Krankheitsmilieu herauszukommen. „Einfach mal am See sitzen oder ins Grüne gucken“, sagt Rausch. „Und man darf durchaus während einer Behandlung reisen, sofern das körperlich möglich ist. Mit guter Planung, zum Beispiel auch einer ärztlich garantierten Versorgung am Urlaubsort und Abstimmung mit den Ärzten ist viel möglich.“
Und nach der Therapiephase gehe es dann darum, in passendem Tempo Dinge wieder selbständig zu tun. „Während man krank ist, bekommt man viel abgenommen, sodass man später oft gar nicht merkt, wie viel man schon wieder alleine kann“, sagt Nella Rausch. „Um wieder Vertrauen in sich selbst und den eigenen Körper zu entwickeln, sollte man ruhig das wagen, was schon wieder geht.“
Buchtipp: Nella Rausch, „Warum sagt mir das denn niemand? – Was Du nach einer Krebsdiagnose alles wissen musst“, BOD, 168 Seiten, 19,99 Euro