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Weg vom „Turbo-Abi“Wechsel zu G9 stellt Köln vor riesige Herausforderungen

Lesezeit 4 Minuten
G8 zu G9

Symbolbild

Köln – Um zu ahnen, dass diese Rechnung mit Unbekannten nicht glatt aufgeht, braucht man nicht gut in Mathe zu sein. Denn mit der Umstellung von G8 zu G9 ändert sich nicht nur eine Ziffer hinter dem G wie Gymnasium. Ein ganzes Schulsystem wird neu auf Kurs gebracht mit dringend erforderlichen zusätzlichen Plätzen und Überbrückungs-Angeboten. Das stellt vor enorme Herausforderungen. Um die stemmen zu können, muss sich die Kommune rüsten für die gewaltige Pflichtaufgabe. 2025/26 ist nicht mehr weit.

Allgemeine Notlage an den Schulen

Die Schülerzahlen steigen, die Nachfrage nach Gymnasien und Gesamtschulplätzen ebenfalls, die Zahl der Plätze reicht längst nicht für alle. Die Umstellung auf G9 muss in Krisenzeiten von Schulplatzmangel und -baunotstand gestemmt werden. Erste Konzepte mit Anmietungen werden aufgelegt, Containerlösungen und Investoren für den Schulbau dringend gesucht. Dazu gibt es bis zur Obergrenze volle Klassen und viele Mehr-Klassen, die ohne Erweiterung der Raumangebote künftig so nicht mehr möglich sein werden.

Die „Lücke“ im System

Die heutigen Neuntklässler sind der letzte Jahrgang, die in NRW die verkürzte Gymnasialzeit bis zum Abi durchlaufen. Bereits 2023/24 zeigen sich erste spürbare Wirkungen in der Umstellung vom Turbo-Abi auf G9: Bei G8 umfasst die Sekundarstufe I fünf Jahrgangstufen (5.-9.) und drei Jahrgänge in der Sekundarstufe II (Eingangsphase, Qualifizierungsstufe 1, Q2). Bei G9 verlängert sich der Aufenthalt in der Sekundarstufe I um ein Jahr (bis 10.), während die Sek II unverändert bleibt. 2023/24 geht zum ersten Mal der 9. Jahrgang ins 10. Schuljahr über und bleibt damit in der Sek I. Die Eingangsphase an den Gymnasien ist also nicht besetzt, es entsteht eine Lücke.

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Für die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler ändert sich nicht viel, weil sie einfach von der neunten in die zehnte Klasse wechseln. Doch muss es für Wiederholende sowie Schulform-Wechselnde die Möglichkeit geben, 2023/24 die Eingangsphase Sek II zu belegen. Ein Problem bekommen vor allem „Sitzenbleiber“ und Seiteneinsteiger auch, weil sie sich an fremden Schulen eingewöhnen müssen: Sie werden in ausgewählten „Bündelungsgymnasien“ aufgefangen.

Bündelungsgymnasien zur Überbrückung

In ganz NRW werden diese eingerichtet, um die entstehende Angebots-Lücke für die betroffene Gruppe zu überbrücken, für die es nur an einer G8-Schule weitergehen kann. In Abstimmung mit der Bezirksregierung Köln habe die Stadt Köln „Vorkehrungen getroffen, um ein angemessenes Schulangebot für die Betroffenen zu realisieren“, teilt sie auf Anfrage der Rundschau mit. Der Platzbedarf betrage rund 400 Schulplätze in der Eingangsphase Sek II.

Statement der BSV

Julius Amels (16), BSV

Die BezirksschülerInnenvertretung Köln (BSV) befürwortet einhellig die Rückkehr vom Turbo-Abi G8 zu G9, bei der Frage nach der Umsetzung allerdings gibt es Kritik. „Ein Jahr mehr Zeit, das finden wir sehr richtig, das eröffnet uns mehr Freiraum für persönliche Entwicklung oder Zeit für ein Austauschjahr. Es gibt weniger Druck bei einem Jahr länger und gleichbleibendem Lernstoff“, sagt Julius Amels (16), BSV-Vorstandsmitglied und Schülersprecher am Apostelgymnasium.

Durch Corona und Distanzunterricht seien allerdings „Riesen-Lernlücken“ entstanden, was nicht in einem Jahr aufzuholen sei. Hier bedürfe es besondere zusätzliche Angebote und gezielte Unterstützung. „Das wird an jeder Schule unterschiedlich gehandhabt, da fordern wir mehr Chancengleichheit“, so Julius Amels. Die BSV setze sich unter anderem mit ihrem Projekt „mentale Gesundheit“ dafür ein, die Situation zu verbessern, nachdem in Coronazeiten Kontakte eingeschränkt waren.

2023 sei ein entscheidendes Jahr: Mit Blick auf die Bündelungsgymnasien sei zu beachten, dass Seiteneinsteiger oder Wiederholer sich an fremden Schulen neu orientieren müssten. Bei der grundsätzlich befürworteten Umstellung auf G9 fordert die BSV Köln, die Lehrpläne frühzeitig fertigzustellen.

Kritik und Sorgen gibt es vor allem wegen des großen Platzmangels und -bedarfs an Gymnasien, der „wahrscheinlich ja auch durch Container ausgeglichen werden soll“, so der Elftklässler, sie seien aber kein Ersatz für reguläre Klassenräume. „Wir fordern für jeden eine angemessene gute Lernumgebung. Und die Digitalisierung muss vorangehen.“ (MW)

Die Kölner Bündelungsgymnasien sind: Kaiserin-Augusta-Schule Innenstadt, Georg-Büchner-Gymnasium in Weiden und Kaiserin-Theophanu-Schule in Kalk. Hinzu kommt das erzbischöfliche Ursulinen-Gymnasium. Durch die städtischen Bündelungsschulen können zum Schuljahr 2023/24 440 Schulplätze in der Sek II angeboten werden. Die Raumsituation dort wurde „intensiv geprüft“ und ist auskömmlich“, teilt die Schulverwaltung auf Anfrage der Rundschau mit.

Tausende zusätzliche Schulplätze 2025/26 nötig

Riesige (Platz)-Herausforderung: Am Ende des Schuljahres 2025/26 verlässt durch die Rückkehr zu G9 kein Abi-Jahrgang die Gymnasien. Rund 4300 Schülerinnen und -schüler bleiben das zusätzliche letzte Schuljahr länger in den Schulen. Gleichzeitig werden rund 4600 Kinder stadtweit in den Eingangsklassen der Gymnasien erwartet (300 mehr). Alleine dafür würden sechs neue Gymnasien mit insgesamt 25 Zügen mit vorgezogenem (Interims-)Start errichtet, wodurch 675 neue Schulplätze entstehen sollten, rechnet die Verwaltungvor. Viel Zeit bleibt für Planung und Bau nicht, in drei Jahren entstehen nur selten neue Schulen.

Container sollen Lücken stopfen: „Ergänzend sollen sehr kurzfristig an den bestehenden Gymnasien Nachverdichtungspotenziale in Form von zusätzlichen Schulcontainereinheiten und Anmietungen im Umkreis umgesetzt werden“, heißt es. Wo? Offen. Durch solche Maßnahmen solle ab 2023/24 die Zeit bis zur Fertigstellung der nötigen Gymnasien überbrückt, zusätzliche Raumkapazitäten für den im System bleibenden 2025/26-er Jahrgang geschaffen werden. Die Zeit drängt.