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Vor zweitem LockdownKölner Gastronomen sprechen über ihre Sorgen

Lesezeit 5 Minuten
Gastro

Carsten Eine (im Bild links) und Thomas Kämmerling (im Bild rechts), Inhaber und Geschäftsführer des Restaurants Weissenburg

Köln – „Wenn es nur ums Geld ginge, hätten wir im Frühjahr komplett zugemacht und würden es jetzt wieder tun. Der Lieferservice ist bestenfalls ein Nullsummenspiel.“ Haben Carsten Eine (im Bild links) und Thomas Kämmerling (im Bild rechts), Inhaber und Geschäftsführer des Restaurants Weissenburg an der fast gleichnamigen Straße, aber nicht. Im Gegenteil, alle 26 Beschäftigten – etwa die Hälfte Mini-Jobber – wurden gehalten.

„Zwei Wochen vor dem ersten Lockdown war klar, dass etwas kommen würde. Wir mussten uns darauf einstellen“, sagt Kämmerling. Nur – auf was? „Es war extrem schwierig, an Informationen zu kommen. Wir wussten abends nicht, ob wir morgens öffnen können.“ Klare Ansagen gab es im Vorfeld genauso wenig wie eine funktionierende Kommunikation.

Der erste Lockdown

Als der Außer-Haus-Verkauf erlaubt wurde, war klar, dass sie diesen Weg gehen würden. Aber einen Restaurant-Betrieb umzustellen ist nicht einfach. Was für Gerichte funktionieren außer Haus, wie viel Essen geht raus, wie viele Lebensmittel müssen auf Lager gehalten werden, wie läuft die Bestellung und Bezahlung ab? Die Weissenburg hatte Glück, im März hatte das Team auf ein neues Kassensystem umgestellt, das auch übers Smartphone funktioniert. „Mit der alten Kasse wäre das gar nicht gegangen“, sagt Kämmerling.

Viele Stammkunden blieben treu, wofür man extrem dankbar ist. Der Mittagstisch lief einigermaßen kontinuierlich. Abends wurde geschlossen, um die Menschen nicht auf die Straße zu treiben. Etwa 20 Prozent Umsatz generierten Eine und Kämmerling damals. Die Zeit wurde genutzt, um umzubauen und zu renovieren. Azubis, Mini-Jobber, Festangestellte und Chefs machten sich gleichermaßen die Hände schmutzig. Um die 10 000 Euro wurden investiert.

Die erneute Öffnung

In den Osterferien brach das Geschäft noch einmal ein, bis es plötzlich hieß, in zwei Tagen könne man wieder öffnen. „Das haben wir gar nicht geschafft“, sagt Kämmerling. Immer neue Verordnungen mussten umgesetzt werden, in der Zwischenzeit hatte das Restaurant längst einen eigenen, strikten Hygiene-Plan aufgestellt. Zum Glück spielte das Wetter mit – und die Stadt. Die Weissenburg hatte eine Außengastronomie, die durfte jetzt um einige Parkplätze erweitert werden. Dachte man.

Mitten im gerade wieder einsetzenden Mittagsgeschäft erschien das Ordnungsamt und verlangte, die Tische abzuräumen – die stünden auf einer Lieferzone, was nicht erlaubt sei. Es folgte ein straßenjuristischer Crash-Kurs per Smartphone, bei dem sich herausstellte, dass die Lieferzone keine ist, sondern ein eingeschränktes Halteverbot, Zeichen 286. Und da durfte man Tische aufstellen. Die Mitarbeiter des Ordnungsamts zogen wieder ab. Und leider musste man auch erfahren, dass es missgünstige Zeitgenossen gibt – immer wieder wurden vermeintliche Verstöße angezeigt. „Wir haben uns peinlich genau an alle Vorgaben gehalten“, berichtet Kämmerling. „Nicht zuletzt aus diesem Grund.“ Stück für Stück ging es wieder etwas bergauf.

Der Sommer

Das Wetter hielt, die Gäste hielten die Treue und die Stadt ihr Versprechen, möglichst unkompliziert zu helfen, wo es möglich ist. Auch der Vermieter kam Eine und Kämmerling entgegen. Das Geschäft berappelte sich langsam, auch wenn der Umsatz nach wie vor weit entfernt vom Vorjahr war – in den besten Zeiten immer noch gut 20 Prozent darunter. Statt 90 Plätzen im Innenbereich waren es nun 48, allerdings spielte sich hier so gut wie nichts ab. Statt 36 Plätzen auf der großen Terrasse waren es jetzt 18, nur die „kleine Terrasse“ gewann durch die Tische auf der Straße vier Plätze dazu. Immerhin, der Laden warf wieder etwas ab. Das musste er auch, denn die nächsten Investitionen standen vor der Tür. Der Herbst dräute, es war klar, dass man die Außengastro weiter brauchen würde.

Mithilfe eines befreundeten Architekten und erneut in kompletter Eigenregie wurde ein Markisenbereich behutsam eingehaust. Auch hier wieder ohne konkrete Vorgaben, also wurde alles so konstruiert, dass im behördlichen Notfall alles schnell wieder zurückgebaut werden kann. Und auch der große, vordere Bereich wurde in eine Art Wintergarten umgewandelt. Inklusive Heizstrahler und neuer Außenplanen – und einem Viren-bekämpfenden Luftreiniger für den Innenraum. Macht noch einmal gute 15 000 Euro. Andere Investitionen mussten zurückgestellt werden. Eigentlich fühlten sich Eine und Kämmerling für den Herbst gerüstet.

Bis die Corona-Zahlen wieder massiv anstiegen. „Man merkt sofort, wenn die Diskussionen losgehen. Die Leute sind verunsichert. In den letzten zwei Monaten hatten wir um die 40 Prozent Umsatzrückgang“, sagt Kämmerling. Das Weihnachtsgeschäft fällt komplett aus, von 50 Veranstaltungen ist keine einzige übrig geblieben.

Von Woche zu Woche

Dass es einen erneuten Lockdown geben würde, davon war in der Weissenburg niemand mehr überrascht. Wie man sich dabei fühlt? „Schlicht verarscht“, sagt Kämmerling, „nach all den Investitionen und Konzepten“. Selbst wenn die Hilfen kämen, selbst wenn das Kurzarbeitergeld aufgestockt werden sollte, selbst wenn man den Außer-Haus-Verkauf optimiert und über Vytal-Mehrwegverpackungen nachhaltig gestaltet – es bleibt die soziale Komponente. Die Service-Kräfte werden alle über Mindestlohn bezahlt, bekommen aber kein Trinkgeld mehr. Fast ein Drittel des Verdienstes. Das Haus bleibt zu, ein Veedels-Treffpunkt bricht wieder weg. Und dass es bei den angekündigten vier Wochen bleibt, daran glaubt kaum noch jemand.

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„Wir werden weitermachen. So lange es nur irgendwie geht. Wir sind Gastronomen und keine Schließer“, sagen Eine und Kämmerling. Nun müssen sie wieder von Woche zu Woche schauen, wie es weitergeht.