Warum sind aktuell so viele Menschen krank? Ist das ein Vorgeschmack auf den Herbst und Winter? Kinderintensivmediziner warnen bereits vor einer kritischen Versorgungssituation in den Kinderkliniken.
Volle Praxen in KölnIst der Klimawandel schuld an der Erkältungswelle?
Die Nase läuft, der Hals ist dick, der Kopf brummt - auch außerhalb der klassischen Erkältungszeit im Herbst und Winter klagen aktuell viele Menschen über Infekte. Dabei handele es sich nicht ausschließlich um Covid19-Fälle, so die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO), sondern oftmals um Rhinoviren. Diese sind als Krankheitserreger hauptverantwortlich für Schnupfen und Erkältungen.
Das RKI bewertet die momentane Infekt-Lage landesweit zwar allgemein als auf „niedrigem Sommerniveau“. Die hohe Zahl der Atemwegserkrankungen beschäftigt aber derzeit auch viele Kölner Hausarztpraxen. Monika Baaken, Pressesprecherin des Hausärzteverbands Nordrhein mit Sitz in Gremberghoven, kennt den Grund: „Der Klimawandel zeigt sich auch hier: Schnelle Wechsel zwischen trockener und feuchter Luft sowie die andauernde Hitze begünstigen eine Erkrankung der Atemwege.“ Die höhere Zahl an Partikeln und Belastungen in der Luft spürten vor allem Allergiker und andere, die anfällig für Atemwegsinfekte seien, so Baaken.
Berufstätige im Durchschnitt bereits 13 Tage krank
Zudem habe der Anstieg immer noch mit der Aufhebung der Corona-Schutzmaßnahmen zu tun, so die AOK Rheinland/Hamburg. Die Krankenversicherung hat in einer Auswertung von Versichertendaten herausgefunden: Vor allem eine markante Zunahme bei Atemwegs- und Verdauungserkrankungen hat im ersten Halbjahr 2023 zu dem Rekord-Krankenstand von durchschnittlich 7,15 Prozent geführt. So hoch war der Krankenstand in keinem anderen Halbjahr der vergangenen 20 Jahre. Im Schnitt meldeten sich Berufstätige in diesem Jahr bereits 13 Tage krank.
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So manches Wartezimmer platzt also auch im August aus allen Nähten. „Grundsätzlich sind Herbst und Winter die belastendste Zeit in unseren Praxen – zu den hohen Infektionszahlen in der kalten Jahreszeit kommt dann noch die Impfsaison hinzu“, sagt Dr. Markus Beier, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes. Das heiße im Umkehrschluss allerdings nicht, dass die Praxen im Sommer die Füße hochlegen. „Seit langem ist die Auslastung in unseren Praxen hoch, insbesondere bedingt durch Fachkräftemangel, demographischen Wandel und Bürokratie-Overload“, so Beier. Er sieht auch die Politik in der Verantwortung, in diesen Punkten gegenzusteuern.
Um sich für die Wintermonate zu rüsten, rät die KVNO allen Bürgerinnen und Bürgern, insbesondere chronisch Kranken und über 60-Jährigen, ihren Impfschutz im Blick zu haben und verfügbare Auffrischimpfungen zu nutzen. „Dies betrifft neben der Coronaimpfung vor allem auch die Grippeschutzimpfung“, so ein Sprecher der KVNO.
Kinderintensivmediziner warnen vor dem Winter
Hohe Infektionszahlen, mehrere Stunden Wartezeit, Bettensperrungen und Verlegungen - im vergangenen November und Dezember war die Situation der Kinderkliniken deutschlandweit eine Katastrophe. Der kinderärztliche Notdienst wurde von Hilfesuchenden mit Atemwegserkrankungen wie dem RS-Virus nahezu überrannt. Dass der kommende Winter ähnlich wird, davor warnt die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi).
Wenn man im Sommer bereits am Limit sei, so fürchten die Kinderintensivmediziner, werde man im Winter überrollt. „Wir werden genau die gleichen oder noch größere Probleme in diesem Winter bekommen, wie im vergangenen“, sagt etwa Divi-Präsident und Kinderintensivmediziner Professor Florian Hoffmann.
„Die Versorgung von schwer erkrankten Kindern und Jugendlichen ist aufgrund des Fachkräftemangels in der Pflege bis auf Weiteres bundesweit, nicht nur in Köln, eine Herausforderung“, sagt Prof. Dr. Michael Weiß, Ärztlicher Direktor des Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße. Ob es zu neuen Wellen von Erkrankungen mit Grippe, RS-Virus oder anderen Atemwegserregern kommen wird, sei noch nicht absehbar, so Weiß, kann Eltern aber beruhigen: „Wir beobachten gemeinsam mit allen weiteren Einrichtungen der Kinder- und Jugendmedizin in Köln und der Region die Entwicklung der Infektionserkrankungen und sind gut miteinander abgestimmt, um die stationäre Versorgung von schwer erkrankten Kindern und Jugendlichen sicherzustellen.“