Metal, Kölschrock und FC-Hymne: Uwe Baltrusch tanzt auf vielen musikalischen Hochzeiten. Bernd Imgrund sprach mit ihm über Kölner Besonderheiten.
Kölner Uwe Baltrusch„Metal ist meine musikalische Identität“
Uwe Baltrusch trägt nicht nur ein Motörhead-T-Shirt, er kannte sogar deren charismatischen Frontmann Lemmy Kilmister persönlich. Darüber will man natürlich mehr wissen!
Wer war Mark Kaye?
Das war anfänglich mein Pseudonym bei unserer Band Mekong Delta. Ich bin 1988 noch vor dem Abitur eingestiegen, aber Mark Kaye blieb ich nur für eine Platte.
Wie würden Sie einem Schlagerfan die Musik von Mekong Delta beschreiben?
Laute Gitarren, lautes Schlagzeug! Wir waren ziemlich bekannt für unseren Mix zwischen Trash Metal und Anleihen bei der Klassik. Auf dem Album Pictures at an Exhibition haben wir zum Beispiel Modest Mussorgskys Bilder einer Ausstellung auf unsere Musik übertragen.
Ist Metal eine Religion?
Metal ist meine musikalische Identität. Meine ersten Idole waren die Stones, ich wollte schon mit sechs Rockmusiker werden. Meine Konzertgitarre habe ich über ein altes Röhrenradio verstärkt, bald danach bekam ich dann eine echte E-Gitarre. Von Hertie, gebraucht. (lacht)
Wie klang die?
Absoluter Schrott, aber Hauptsache so ein Brett mit nem Hals dran und schön laut.
Waren Sie, von heute aus betrachtet, gut?
Ich will nicht angeben, aber ich wurde noch in den Nuller-Jahren in manchen Polls zu den zehn besten „Progressive Gitarrists“ gezählt.
Ab 1989 haben Sie sogar für einige Zeit bei den Essener Kult-Metallern von Sodom mitgemischt.
Durch meinen guten Ruf bei Mekong Delta bekam ich viele Anfragen für Gastauftritte. Mit Sodom war ich dann auch auf Tour − mit Sepultura im Vorprogramm, die wurden später Weltstars. Für mich war aber immer klar, dass ich zu meiner eigenen Band gehörte und alles andere nur temporäre Sachen waren.
Sie waren jahrelang fast pausenlos auf Tour und haben viele Stars kennengelernt. Wer hat Ihnen imponiert?
Die Sodom-Tour führte auch in den berühmten Marquee Club in London. Im nicht minder bekannten St. Moritz Club waren wir für ein paar Bier, und am einarmigen Banditen, zwischen zwei hübschen Frauen, stand unser aller Held Lemmy Kilmister von Motörhead.
Haben Sie ihn angesprochen?
Der Barkeeper meinte: ,Könnt ihr machen, aber wartet, bis er sein Spiel fertig hat.´ Lemmy kam dann tatsächlich zu uns rüber und entpuppte sich als total netter Mensch und echter britischer Gentleman. Letztendlich sind wir dann zwei Tage mit ihm um die Häuser gezogen. Ganz gesittet, versteht sich.
Vom Trash Metaller zum Vorsitzenden des Heimatvereins Köln: Warum haben Sie das Amt übernommen?
Meine Frau Susanne Kamp spielt schon lange Theater in der Kumede, die ja dem Heimatverein assoziiert ist. Beide Zweige steckten in einer Krise, nicht zuletzt wegen Corona. Meine Frau fragte, ob ich helfen könne, und was macht man aus Liebe? Alles!
Und jetzt nennt Sie jeder „d´r Baas“, wie der Vorsitzende im Kölschen heißt?
Ja, zuweilen werde ich damit auch aufgezogen.
Über 120 Jahre lang sprach man vom „Heimatverein Alt-Köln“. Das „Alt“ haben Sie inzwischen gestrichen.
Wir sind dabei, den Verein für die Zukunft aufzustellen. „Alt“ klingt angestaubt, und es führt auch in die falsche Richtung. Uns geht es ja nicht nur um das ehemalige Köln, sondern vor allem um die Gegenwart. Auch über die Beibehaltung des Wortes „Heimat“ wurde länger diskutiert.
Was bedeutet es für Sie?
Mein Vater kommt aus Ostpreußen, meine Mutter aus einer Winzerfamilie von der Mosel. Ich wiederum bin in Wesseling aufgewachsen und wohne seit Anfang der 90er in Brühl. Ich würde sagen: Brühl ist mein Kölner Veedel, meine Heimat ist Köln, auch von meiner Mentalität her. Von unserer Wohnung aus kann ich übrigens den Dom sehen.
Wie gut ist Ihr Kölsch?
Ich spreche es nicht lupenrein, aber es wird mit jedem Promille besser. (lacht) Kölsche Reden zu halten, überlasse ich meiner Frau, die ein echtes kölsches Mädchen ist.
Als Produzent haben Sie am längsten mit den Wise Guys zusammengearbeitet.
Mit Hannes Schöner von den Höhnern hatte ich ein Studio in Bad Münstereifel. Höhner und EMI haben mich dann als jungen Produzenten mit den Wise Guys zusammengebracht. Eine A-Cappella-Band, fand ich sehr spannend.
Aber ist eine Band ohne Gitarre nicht wie Pommes ohne Ketchup?
Finde ich überhaupt nicht, die Jungs haben ja auch Instrumente mit dem Mund imitiert. Wir haben mit den Wise Guys einen ganz neuen Sound geprägt, die waren zeitweise die erfolgreichste Band ihrer Art weltweit.
Die alten Bläck Fööss waren auch bekannt für ihre schönen Vokalharmonien.
Natürlich. Über die Fööss kommt sowieso nichts drüber, das sind die Godfathers of Cologne!
In den Nullerjahren haben Sie einige Stücke mit ihnen produziert. Was zeichnet sie aus?
Die einzigartigen Stimmen. Und in ihrer Hoch-Zeit die wunderschönen Milieustudien − wie in der Kaffeebud, beim Meiers Kättche oder Bei uns doheim. Das sind die kölschen Evergreens meines Lebens.
1998 waren Sie Mitproduzent des seltsamen Höhner-Songs Die Karawane zieht weiter. Was dachten Sie beim ersten Hören?
Völlig bekloppt, aber positiv bekloppt! Ich war noch in meinen 20ern, die Höhner schon sehr bekannt. Ich habe sie sehr bewundert für ihre Professionalität und die Konsequenz, mit der sie über einzelne Textzeilen diskutierten. Ich habe so einiges beigesteuert zu der Aufnahme, und letztlich wurde das meine erste Goldene Schallplatte, auf die ich sehr stolz bin.
Inzwischen haben Sie zahlreiche dieser Trophäen. Ihr berühmter Produzenten-Kollege Conny Plank hatte sie auf dem Klo seines Studios hängen.
Bei mir hängen die meisten Goldenen im Flur des Studios. Die erste allerdings, genau wie mein Echo, hängt tatsächlich auf dem Klo − aus guter Produzenten-Tradition.
Sie haben mit allen großen Kölner Bands gearbeitet. Wo ordnen Sie Köster & Hocker ein?
Ganz oben, vor allem in Bezug auf die gelungenen Milieustudien. Ich kenne die beiden schon aus ihrer Zeit bei Schroeder Roadshow, denen ich als 14-jähriger Fetz hinterhergereist bin. Hätte ich damals gewusst, dass ich mit ihnen mal eine Big Band-Version ihres Kult-Songs „Sackjeseech“ produzieren dürfte... sehr traurig, dass Frank so früh gestorben ist.
Ihr größter kölscher Erfolg ist die Produktion der FC-Hymne. Was war im Studio der Plan von Ihnen und den Höhnern?
Der Hannes sagte mal, dass man meinen Produktionen immer auch meine Rock-Affinität anmerkt. Das stimmt wohl, wenn Sie sich etwa das Schlagzeug von „Mer stonn zo dir, FC Kölle“ anhören.
Würden Sie die Musik der heute führenden kölschen Bands als Rockmusik bezeichnen?
Das ist für mich eher Pop. Aber wo sind die guten Texte, wo die schönen Milieustudien? Dieses ewige Oh-Oh-Oh und He-He-He kann ich nicht mehr hören. Ich habe viele Jahre lang Lieder auf der „Karneval der Stars“-CD produziert. Hat Spaß gemacht, aber irgendwann war der Punkt erreicht, wo ich damit Schluss machen musste.
Warum?
Mir fehlt da die Liebe. Eigentlich müsste man all diese Bands mal zwei Wochen einschließen, damit sie alte Bläck-Fööss-Platten hören und was draus lernen.
Und die Höhner sind inzwischen eine Schlager-Kombo?
Sie sagen ja selbst, dass sie in die Schlagerszene wollten. Unser Album von 1998 (Die Karawane zieht weiter...) hingegen war im Grunde noch eine Folk-Rock-Platte.
Als Vorsitzender des Heimatvereins stehen Sie zugleich der Kumede vor. Macht sie eher Ohnesorg- oder Millowitsch-Theater?
Kölsches Ohnesorg! Im Gegensatz zum Millowitsch existiert das ja noch, und wie das Ohnesorg-Theater versuchen auch wir, aktuelle Stücke zu spielen, die an die Gegenwart anknüpfen.
Also nicht zum zehnten Mal den Etappenhasen.
Genau. Corona war für uns eine totale Katastrophe, nicht zuletzt, weil wir viel älteres Publikum hatten, das danach nicht wiederkam. Inzwischen sind unsere Aufführungen wieder zu zwei Dritteln ausgelastet, und man sieht viele Zuschauer in ihren Dreißigern. Wir sind auf dem richtigen Weg.
Heimatverein, Theater, hauptberuflicher Produzent: Machen Sie auch noch selbst Musik?
Im Studio spiele ich für Bands alle möglichen Instrumente ein, mal Gitarre, mal Schlagzeug oder Keyboards. 2016 habe ich noch mit meiner Band Stark in der MDR-Silvestershow gespielt, aber das Projekt gibt es auch nicht mehr. Den Gedanken an eine eigene Rock-Band trage ich seit 20 Jahren vor mir her. Aber ich komme nicht dazu.
Wie wäre es mit einer Ein-Mann-Produktion, Sie können doch alles programmieren.
Aber ich kenne auch das Business. Wenn ich an den Start gehe, dann muss es richtig knallen. Alles andere sind Rentnerprojekte, die kann ich mir noch aufsparen.
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten: Wen würden Sie gern produzieren − tot oder lebendig?
John Bonham (1948−1980) von Led Zeppelin. Sein Schlagzeugspiel und Sound sind bis heute richtungsweisend. Led Zeppelin waren für mich die Beatles der Rockmusik, durchweg absolut großartige Musiker. Und Kashmir ist in meinen Augen der bedeutendste Song der Rock-Geschichte.