Unesco-AustauschKatalanen bauen „Menschenturm“ vor dem Kölner Dom
Köln – Ein Turm aus Menschen wuchs unter dem Jubel der Zuschauer vor dem Südportal des Doms langsam in die Höhe. Doch dann trieb ein Wolkenbruch die Menschenturmbauer und ihr Publikum erstmal vom Platz. Als nach einer Viertelstunde die Sonne wieder schien, brachten noch weitere vier lebendige Turmformationen die Betrachter ins Staunen. Bei der höchsten standen sechs Menschen übereinander – einer auf den Schultern des anderen. Ein bisschen bange wurde es manchen Zuschauern, als kleine Mädchen wie die achtjährige Alicia fast so flink wie Eichhörnchen an die Spitze kletterten und dort einen Arm in die Luft reckten. Umso begeisterter waren der Applaus und die Bravo-Rufe.
Der Menschenturmbau vor dem Kölner Wahrzeichen war der Höhepunkt der Feier „#3xUnesco Kölsch-Katalanisches Unesco-Weltkulturerbe“. Denn seit 2010 ist die Tradition der katalanischen Menschentürme ebenso Weltkulturerbe wie der Rheinische Karneval und der Kölner Dom. Bei den waghalsigen Kletterern handelte es sich um die „Castellers de la Vila de Gràcia“ aus Barcelona, Hauptstadt der Region Katalonien im Nordwesten Spaniens, und die „Castellers de Berlin“, die Katalanen und ihre Freunde 2018 in der deutschen Hauptstadt gründeten. Dass der Menschenturm vor dem Dom nun zum Ausdruck der gelebten Städtepartnerschaft zwischen Köln und Barcelona wurde, hatte 2019 ein Handschlag der Karnevalsgesellschaft Altstädter Köln 1922 und ihres Regimentsgeistlichen Stadtdechant Monsignore Robert Kleine im Rathaus von Barcelona besiegelt; wegen Corona war die für 2020 geplante Darbietung verschoben worden.
Symbol sein für den Zusammenhalt einer Gesellschaft
Das Spektakel, das in Köln erstmals zu sehen war, hat vielen deutschen Touristen schonmal bei Besuchen in Barcelona oder Sevilla Gänsehaut gemacht. Der Menschenturmbau ist aber mehr als eine Show, die Tradition will Symbol sein für den Zusammenhalt einer Gesellschaft, die jeden auffängt, der zu fallen droht. „Menschen stehen füreinander ein, das ist der rote Faden“, erklärte Mitinitiator Kleine im Vorfeld. „Ja, es kommt auf das Miteinander an, darauf, dass wir unsere Kräfte vereinen, dann ist das Risiko für alle gering“, bestätigte der verantwortliche Castellers-Gruppenleiter Eduard Conesa. Also Teamgeist, erlernbare gute Technik und Körperbeherrschung statt Kraft. Und nicht zuletzt Taktgefühl, denn wichtige Elemente beim Menschenturmbau sind die Musik von Schalmeien und der Rhythmus von Trommeln. Ein Kind an der Spitze gibt das Signal, dass der Turm vollendet ist, wenn es einen Arm in die Luft streckt.
Geklettert wird barfuß, und alle tragen zu den Vereinsshirts die Faixa (ausgesprochen: Fascha), die traditionelle Bauchbinde der katalanischen Bauern. Der breite lange Schal wird um die Körpermitte gewickelt, fest, aber nicht zu stramm. Auch dabei ist Zusammenarbeit gefragt. Die Faixa dient dem Schutz der Organe, gibt jedem, der im Turm steht, Stabilität und den Zehen der Kletterer Halt.
Marina Clavero gehörte zu den Frauen an der Basis, die so durchtrainiert sind, dass sie auf ihren Schultern das Gewicht von bis zu zehn Stockwerken Menschen darüber tragen können. Dass die Castellers vor dem Dom mehrere Türme bildeten, spielte auf die berühmte Kathedrale Sagrada Familia in Barcelona an, deren Bau 1882 begann, zwei Jahre, nachdem die beiden Spitzen des Kölner Doms fertiggestellt wurden. „Die Basis steht in der Regel nach spätestens fünf Minuten, dann dauert es nur noch zwei bis drei Minuten, bis der Turm fertig ist“, erläuterte Eduard Conesa.
Wie hoch das Bauwerk aus Menschen dann ist, hat er nicht exakt ausgerechnet, fünf bis sechs Meter, schätzt er. „Die Kölner würden wohl sagen: ungefähr elf Meter“, scherzte Kleine, der bei einem Treffen im Gürzenich am Pfingstsonntag seinen Segen zu dem einmaligen Vorhaben gab.
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„Dass der Menschenturmbau vor dem Dom mit unserem Jubiläum 100 Jahre Altstädter zusammenfällt, war so nicht geplant, umso mehr freue ich mich“, sagte Präsident Hans Kölschbach. Die Premiere fällt zudem ins Jubiläumsjahr „25 Jahre Verein Köln-Barcelona“ und „700 Jahre Kölner Domchor“. Das Kölner Mottobild der Castellers hat die Künstlerin Gerda Laufenberg auf Kölschgläser und Bierdeckel gebracht. Die Ausrichter Altstädter, Städtepartnerschaftsverein und Katalanisches Kulturzentrum sind überzeugt: „Der erste Menschenturmbau vor dem Dom wird ausstrahlen.“