Umwelt im Veedel schützenFamilie Hennen verzichtet fast komplett auf Verpackungen
- Klima- und Umweltschutz beschäftigt aktuell viele Menschen. Sie fragen sich, was sie persönlich in ihrem Alltag tun können, um klima- und umweltbewusster zu leben.
- In unserer neuen Serie „Umwelt im Veedel schützen“ haben wir uns in den Kölner Stadtteilen umgesehen, was Bürger in ihren Veedeln für den Klima- und Umweltschutz auf die Beine stellen.
- Dazu geben wir Tipps und Adressen im Veedel.
Sülz – Wieviel Müll produziert eigentlich eine vierköpfige Kölner Durchschnittsfamilie? „Keine Ahnung“, sagt Julia Hennen achselzuckend und geht zu ihrem Mülleimer, den sie hinter der Küchentür deponiert hat.
„Unseren gelben Müll müssen wir mittlerweile nur alle zwei Monate leeren. Restmüll haben wir kaum noch“, sagt sie. Ein Klebestreifen am Deckel des Behälters ist der Nachweis, wie häufig sie oder ihr Mann Wendel Hennen den Müll entsorgen müssen.
Akribisch hält sie es nach. Auch um selbst den Überblick über die Müllmenge zu erhalten. „Anfangs waren die Abstände wesentlich kürzer, jetzt werden sie länger“, erklärt sie. Ob sie es irgendwann schaffen, ganz müllfrei zu leben, kann sie noch nicht beantworten. Die Voraussetzungen dafür sind jedenfalls geschaffen.
Familie Hennen lebt bewusst und ressourcenschonend
Julia Hennen, ihr Mann Wendel, Tochter Martha und Sohn Nepomuk sind das, was man eine bewusst und ressourcenschonend lebende Familie nennt. Ein Auto besitzen sie nicht. „Das war schon mit Moos besetzt, als wir es endgültig abgegeben haben“, sagt Wendel Hennen lachend. Sie fahren Fahrrad oder Bahn. „Wir wohnen hier in Sülz ja sehr zentral, da erübrigt sich ein Auto“, sagt seine Frau. In den Urlaub fahren sie mit dem Zug, aufs Fliegen verzichten sie ganz.
Klamotten kaufen sie häufig in Second-Hand-Läden, auch für die Kinder. Nicht weil sie sich Neuware nicht leisten könnten, Julia Hennen empfindet es als nachhaltiger, so einzukaufen. Sie lebt bewusster, kauft, wenn sie Neuware kauft, fair und nachhaltig und einfach weniger. Ihr Mann, ein „klassischer Klamottenmuffel“, wie er selbst von sich sagt, habe quasi von jeher, zumindest in diesem Punkt nachhaltig gelebt.
Schuhe werden beim Schuhmacher repariert und Kinderklamotten auch mal umgeändert, wenn sie nicht mehr passen oder gefallen. „Guck’ mal hier, das hat Mama mir umgenäht“, sagt Martha und zeigt auf ihr T-Shirt, das für passend gemacht wurde.
„Tante Olga“ ist einer der ersten Unverpacktläden in Köln
Für Martha und Nepomuk ist dieses Leben normal. Sie müssen auf nichts verzichten. „Natürlich kaufe ich ihnen auch mal ein Eis am Büdchen, auch wenn es mir im Hörnchen in der Eisdiele lieber wäre. Auch Spielzeug bekommen die beiden Geschwister. Das sind dann eben die Dinge, bei denen der Müll anfällt.
Das kann jeder tun
Als Käufer aktiv werden: Unverpacktläden wie „Tante Olga“ in Nippes, Viersener Straße 6, (täglich 10 - 19 Uhr, samstags bis 15 Uhr) verzichten bewusst auf jegliche Verpackungen. Aber auch in herkömmlichen Läden können Sie als Käufer den Verpackungen den „Kampf ansagen“. Denn eigene Behälter werden in einem Teil der Läden auch an Frischetheken mit Fleisch, Fisch, Käse und Wurst akzeptiert. Am besten einfach nachfragen.
Wochenmärkte fest einplanen: In allen Veedeln kann man dort mit dem eigenen Korb oder Stoffbeutel einkaufen – googlen Sie dazu „Wochenmärkte in Köln“. Aber auch türkische Supermärkte und Biomärkte bieten Obst und Gemüse lose an.
Kaffee to go-Becher gibt es in vielen Geschäften als Mehrweg – oder den eigenen Becher mitbringen. Weitersagen, wenn Händler bei der Vermeidung von Verpackungen mitmachen. Dann spricht es sich rum.
Wie ich ein müllfreies Leben gestalten kann, darüber informiert die Vereinigung „Zero Waste“. Im ganzen Stadtgebiet bieten sie Infotage und Aktionen wie Kleidertauschbörsen, Stammtische oder Picknicks an. Nächstes Picknick ist am Sonntag, 18. August, im Rheinpark. (swa)www.zerowastekoeln.de
Es war im November 2017 als Julia Hennen begonnen hat, darauf zu achten, möglichst wenig Müll zu produzieren. „Bei Tante Olga fing es an“, so Hennen. „Tante Olga“ ist nicht etwa eine nahe Verwandte mit ökologischem Bewusstsein. „Tante Olga“ ist einer der ersten Unverpacktläden in Köln.
Eher aus Neugierde kaufte Julia Hennen damals dort ein. Nudeln, Reis, Mehl, sogar Zahnputzmittel, Haarwaschmittel und andere normalerweise in Plastik verpackte Waren werden dort ohne lästige Umverpackung angeboten. Auch Süßigkeiten und Knabbereien. Nicht ganz preisgünstig, wie auch Hennen schnell feststellte, aber effektiv für diejenigen, die keinen oder kaum Müll produzieren wollen.
Einkäufe müssen genau geplant werden
Trotzdem sind die Lebenshaltungskosten von Familie Hennen nicht in die Höhe geschnellt. „Wir geben definitiv nicht mehr Geld aus. Das aber funktioniert nur, weil ich wesentlich geplanter einkaufe. So fallen Spontankäufe im Supermarkt komplett weg“, erklärt Julia Hennen.
Der Einkauf muss geplant werden. Gemüse und Obst kauft sie auf dem Markt. Milch wird nur in Mehrwegflaschen mitgenommen, und auch Säfte kauft sie ausschließlich im Glas. Das Wasser kommt aus der Leitung, und wenn es sprudelig sein soll, wird es mit Kohlensäure versetzt.
Kaffee kochen sie mit frischen Bohnen, die Wendel Hennen per Hand mit einer kleinen Mühle mahlt. Das Pulver wird dann ohne Filter aufgebrüht. Und sogar Putzmittel mischt sich Julia Hennen selbst zurecht.
Zahnpasta in Pillenform
Griffbereit stehen drei Fläschchen mit Zerstäuber auf der Ablage im Bad, wo sich Martha gerade die Zähne mit einer Zahnbürste aus Bambus putzt. In einem Glas vor ihr stehen kleine weiße Pillen. „Das ist unsere Zahnpasta“, sagt Hennen und erklärt, dass sie sich mit Wasser cremig auflösen, so dass man putzen kann.
Shampooflaschen oder Duschgel sucht man vergebens im Haushalt von Familie Hennen. Kleine Seifen, die eine für den Körper, die andere für die Haare, liegen auf einer Holzablage an der Badewanne. „Das habe ich alles mit der Zeit gelernt, welche Produkte ich ersetzen kann. Wir haben klein angefangen und unser Konsumverhalten nach und nach verändert“, blickt sie zurück, während sie den Einkauf vorbereitet.
Auf dem Balkon holt sie einen Korb mit Leergut und leeren Marmeladengläsern hervor. Dann holt sie größere Einmachgläser aus dem Regal und packt sie in ihren Rucksack hinein. Früher, da haben sich Wendel und Julia Hennen die Einkäufe aufgeteilt. Heute ist sie diejenige, die es allein erledigt. „Man muss Routinen aufgeben, um einen müllfreien Lebensstil in den Alltag zu integrieren“, sagt sie.
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Die Geschäfte, in denen sie heute einkauft, liegen nicht auf dem Arbeitsweg von Ehemann Wendel. Und mittlerweile ist Julia Hennen der neue Lebensstil fast in Fleisch und Blut übergegangen, auch wenn der Weg dorthin zugegebenermaßen anstrengend gewesen sei, wie sie sagt.
Dialog: Welche Erfahrungen machen Sie damit, Verpackungen zu vermeiden? Haben Sie Tipps, wie man in seinem Veedel umwelt- und klimafreundlich aktiv werden kann? Wir freuen uns über Ihre Zuschriften an die Adresse Kölnische Rundschau, Stolkgasse 25-45, 50667 Köln oder per E-Mail. kr.stadtteile@kr-redaktion.de