Köln – In diesen Tagen schaut Dr. Guido Marx nicht auf die Uhr. Seine Sprechzeiten hat er verlängert, bis in den späten Abend hinein impft er momentan so viele seiner Patienten wie möglich. Seit seine Hausarztpraxis in Nippes am Dienstagnachmittag mit dem Impfstoff von Biontech beliefert wurde, herrscht Hochbetrieb. Bis 22 Uhr haben Marx und seine Kollegen im Viertelstunden-Takt rund 50 Patienten geimpft. „Auf unserer Warteliste stehen vor allem chronisch Kranke, Herzpatienten, Lungenkranke und auch viele Krebspatienten“, sagt Marx.
Eine junge Frau mit einem Mammakarzinom, einem bösartigen Brustkrebs, impfte er etwa zwischen zwei Chemotherapien oder einen Patienten mit schwarzem Hautkrebs. „Diese Menschen fallen in der Impfreihenfolge aktuell durch das Raster“, sagt Marx. „Sie haben es zum Teil sehr schwer, einen Termin im Impfzentrum zu bekommen. Auch wenn sie ihre Erkrankung nachweisen können.“ Die Ärzte müssen sich an die Impfreihenfolge halten, können aber selbst entscheiden, wer den größten Bedarf hat.
Rund 500 Hausarztpraxen wurden in Köln in dieser Woche mit dem Corona-Impfstoff beliefert, beschränkt ist die Menge auf aktuell 50 Dosen pro Woche pro Arzt. In Gemeinschaftspraxen ist die Anzahl der Impfdosen deshalb dementsprechend höher.
Für seine Praxis in Nippes hat Dr. Guido Marx extra einen neuen Kühlschrank angeschafft. Der Impfstoff ist dort fünf Tage lang haltbar. „Wenn wir genug Impfstoff haben, werden wir auch am Samstag impfen“, sagt der Hausarzt. Vor allem organisatorisch ist der Impfstart in den Praxen eine Hausforderung für die Ärzte und ihre Mitarbeiter: Alle Patienten, die in Frage kommen, müssen abtelefoniert, Termine kurzfristig vergeben werden. Am Mittwoch sitzt Marx dann im Auto: Hausbesuche. Ein junger Mann im Wachkoma soll geimpft werden. „Es ist wichtig, dass wir zu diesen Menschen nach Hause kommen, sie sind ja auch hochgradig gefährdet.“
Privatpraxen impfen nicht
Nach einer Entscheidung des Bundesministeriums für Gesundheit dürfen bisher nur kassenärztliche Hausarztpraxen den Corona-Impfstoff bestellen. Privatpraxen können ihre Patienten also nicht selbst impfen. Auch eine 70-jährige Rundschau-Leserin aus Braunsfeld wurde von ihrer Praxis abgewiesen, die sich auf Grund einer Vorerkrankung dort impfen lasen wollte. „Das ist mir in meiner vertrauten Praxis doch lieber, als im großen Impfzentrum“, sagt die 70-Jährige im Gespräch mit der Rundschau.
Ein Berliner Arzt will per Gerichtsbeschluss erreichen, dass er in seiner Privatpraxis Patienten gegen das Virus impfen darf. Das berichtet die Deutsche Presse Agentur. Zuständig bei der Klage gegen das Bundesgesundheitsministerium mit Hauptsitz in Bonn ist das Verwaltungsgericht in Köln. (hes)
Auch in der Hausärztlichen Gemeinschaftspraxis in Poll teilen sich die vier Ärzte am Mittwoch auf: Zwei impfen in der Praxis selbst, einer übernimmt die Hausbesuche, Klaus Leuschner ist zudem eingeteilt für einen Dienst im Impfzentrum in Deutz. 142 Impfdosen hat die Praxis in dieser Woche bekommen, nach der regulären Sprechstunde werden am Mittwoch- und Freitagnachmittag Überstunden gemacht. „Die Resonanz der von uns kontaktierten Patienten war durchweg positiv, ich hatte nur glückliche Menschen am Telefon“, berichtet Leuschner, Facharzt für Innere Medizin. In der Praxis in Poll konnten sich Patienten auch selbst auf die Warteliste für die Impfungen melden, zudem haben auch die vier behandelnden Ärzte in den vergangenen Wochen alle ihre Patienten zusammengetragen, die für die Vakzine in Frage kommen. Auch in der kommenden Woche werden es wieder 142 sein.
„Wir kennen unsere Patienten ja sehr gut, wir kennen ihre komplette Krankengeschichte, oft seit Jahrzehnten“, sagt auch Dr. Guido Marx aus Nippes. Ihm persönlich macht jedoch das Voranschreiten der dritten Welle der Pandemie Sorge. „Es fühlt sich an wie ein Wettlauf gegen die Zeit. Wir können nicht die Uhr zurück drehen, aber ich hätte mir gewünscht, dass wir unsere Patienten schon im Januar hätten impfen können und nicht erst im April.“