Überfall auf Kneipe „No Name“Urteile im Fall um das „Massaker“ von Nippes aufgehoben
Köln – Der Prozess um den Überfall mit einem Toten und drei Schwerverletzten auf die Nippeser Kneipe „No Name“ im November 2015 muss neu aufgerollt werden. Wie erst jetzt vom Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe bekannt gegeben wurde, hatten die Karlsruher Richter bereits im März das Urteil des Landgerichts aufgehoben.
Damit muss der Prozess, der sich im ersten Durchgang von Oktober 2019 bis Dezember 2020 über 48 Verhandlungstage hinzog – was auch der Covid-19-Pandemie geschuldet war – neu verhandelt werden.
Anders als im ersten Verfahren werden beim kommenden Prozess aber nur noch zwei Angeklagte (33 und 36) auf der Anklagebank Platz nehmen. Der 33-Jährige war wegen Beihilfe zum Mord zu neun Jahren, der 36-Jährige wegen Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Der dritte Angeklagte (35), der wegen mittäterschaftlichen Mordes zwölf Jahren Haft auferlegt bekommen hatte, hatte das Landgerichtsurteil rechtskräftig werden lassen. Er verzichtete auf Berufung. Durchaus verständlich, stellen zwölf Jahre Haft für ein Morddelikt doch ein verhältnismäßig mildes Urteil dar.
Kopfgeld auf die Täter ausgelobt
Rückblende: Im November 2015 gelobte der 35-Jährige, in dessen Bar kurz zuvor eingebrochen worden war, ein Kopfgeld auf die Täter aus. Der 36-Jährige glaubte diese zu kennen und gab dem 35-Jährigen am Tatabend den Tipp, dass diese sich in der Kneipe „No Name“ auf der Neusser Straße aufhielten. Mit seinem Bruder, einer damaligen Kölner „Hell“s Angels“-Größe, sowie dem Präsidenten des „C-Town“-Charters der Rockergruppe, drang der 35-Jährige in den frühen Morgenstunden des 25. November 2015 „wie ein Rollkommando“ zu einer „Strafaktion“ins „No Name“ ein, wie es im Urteilsspruch im Dezember 2020 hieß. Es fielen Schüsse, drei Gäste der Kneipe wurden schwer verletzt und leiden bis heute zum Teil massiv unter den Folgen der Tat, ein vierter Gast erlag noch am Tatort seinen tödlichen Verletzungen. Der Vorsitzende Dr. Jörg Michael Bern sprach in der Urteilsbegründung von einem „regelrechten Massaker“. Das Landgericht hatte aber auch festgestellt, dass keiner der Angeklagten die Schüsse abgefeuert hatte. Diese seien vielmehr von einem oder beiden an dem Überfall beteiligten Rockergrößen abgegeben worden.
BGH nennt Beweisführung lückenhaft
Der BGH rügte nun, dass die Beweiswürdigung der 21. Große Strafkammer im Fall des wegen Beihilfe zum Mord verurteilten 35-Jährigen „lückenhaft“ sei. Das Landgericht habe „bei der Beurteilung des Gehilfenvorsatzes wesentliche Umstände nicht erörtert, die gegen die Annahme sprechen können“, der 35-Jährige „habe Beihilfe zu Tötungsdelikten leisten wollen“. So habe das Gericht nicht nachgewiesen, dass der 35-Jährige in „die Planung des Überfalls“ eingebunden gewesen sei. Vielmehr sei das Landgericht in seiner Entscheidung selbst davon ausgegangen, dass der 35-Jährigen im Verbund mit seinem Rocker-Bruder sowie dem Sektionspräsideten der „Hell’s Angels“ die Tatplanung besorgt hätten.
In Hinblick auf den 36-Jährigen, habe das Gericht „nicht belegt, dass der Angeklagte zumindest den wesentlichen Unrechtsgehalt und die Angriffsrichtung der Haupttat – tödlicher Schuss auf ein Tatopfer – erfasst hatte“. Soll heißen: Der 36-Jährige habe sehrwohl mit einer gewaltsamen Auseinandersetzung im „No Name“ nach seinem Verrat gerechnet, nicht hingegen, dass jemand getötet werden könnte. „Die aufgezeigten Rechtsfehler“, schließt der BGH, entzögen „dem gesamten Schuldspruch die Grundlage“. Jetzt muss eine andere Schwurgerichtskammer am Landgericht Köln den spektakulären Fall neu aufrollen.