Gutachten stellt Funktionsfähigkeit infrageKölns Taxi-Gewerbe steckt tief in der Krise

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Schwere Zeiten für die Kölner Taxifahrer: Mietwagen-Konkurrenz und gesellschaftliche Entwicklung führen zu weniger Fahrten.

Schwere Zeiten für die Kölner Taxifahrer: Mietwagen-Konkurrenz und gesellschaftliche Entwicklung führen zu weniger Fahrten.

Ein aktuelles Gutachten wirft Zweifel an der Funktionsfähigkeit des Kölner Taxigewerbes auf, mit Bedrohungen durch Corona, Uber und sich wandelnde Konsumgewohnheiten.

Das Kölner Taxigewerbe steckt in der Krise. Teils durch unabwägbare Faktoren wie Corona, teils durch Mietwagenanbieter wie Uber oder Bolt, teils aber einfach auch durch gesamtgesellschaftliche Entwicklungen: Es wird schlicht weniger Taxi gefahren, sowohl in der Stadt wie in der Fläche. Ein Gutachten der Firma Linne und Krause kommt sogar zu dem Schluss, dass „die Funktionsfähigkeit des Kölner Taxigewerbes in weite Ferne“ gerückt sei.

Warum ein Gutachten?

In regelmäßigen Abständen — genau sind diese nicht definiert — müssen Gutachten zur Funktionstüchtigkeit des Taxigewerbes als Teil des Öffentlichen Nahverkehrs in Auftrag gegeben werden. Über diese Gutachten wird entschieden, ob Genehmigungen erteilt oder bestehende zurückgenommen werden können. Hintergrund war ursprünglich, einen ruinösen Wettbewerb der Taxiunternehmer untereinander durch eine „gesunde“ Anzahl an Taxis in der Stadt zu verhindern. Das letzte Gutachten stammt aus dem Jahr 2015.

Welche Methodik wurde angewandt?

Die Untersuchung wurde von Mai 2022 bis März 2023 durchgeführt und berücksichtigt unter anderem die Auswirkungen der Corona-Krise und des Ukraine-Krieges sowie die zum Untersuchungszeitpunkt vorliegenden Jahresabschlüsse. In die Untersuchung wurden 336 von 560 Einzelunternehmen einbezogen sowie alle 226 Unternehmen, die mehr als ein Fahrzeug laufen haben.

Wie ist der momentane Stand?

Köln war nie und ist keine Taxi-Hochburg wie etwa Düsseldorf oder München. Die Anzahl an Fahrzeugen ist etwas geringer als in anderen Städten. In Köln liegt sie im Mittel bei etwa einem Fahrzeug pro 1000 Einwohner. Rechnet man die Mietwagen hinzu, ergibt sich rund das Doppelte. Daraus ergibt sich laut Gutachten „eine ernsthafte Bedrohung der Existenz- und Funktionsfähigkeit“ des Kölner Taxigewerbes durch App-basierte Mietwagen. In den 15 größten deutschen Städten liegen die Werte für Taxis teilweise deutlich über den Kölner Zahlen.

Wie viele Taxis gibt es in Köln?

In Köln sind zurzeit 1154 Genehmigungen auf 786 Betriebe verteilt. Den größten Teil der Flotte stellen die Alleinunternehmer mit einem Fahrzeug (560). 2019 kamen professionelle Taxis auf einen Nettoerlös von durchschnittlich 82 000 Euro, wobei die höchsten Gewinne von Betrieben mit mehreren Fahrzeugen erzielt wurden. Das Durchschnittsalter der professionellen Flotte liegt bei 4,2 Jahren und wird fast ausschließlich mit Dieselkraftstoff betrieben.

Was waren die Auswirkungen der Corona-Pandemie?

Waren 2019 die Taxis im Durchschnitt noch an 304 Tagen im Einsatz, ging die Zahl der Einsatztage im zweiten Corona-Jahr 2021 auf 265 Tage zurück. Die Erlöse brachen auf über 50 Prozent ein und haben sich seitdem nicht mehr vollständig erholt. Bei größeren Betrieben machte sich laut Gutachten der Rückgang am deutlichsten bemerkbar. Die bis vor Corona geltende Nachfrage nach Taxis insbesondere im Messe- und Wirtschaftsverkehr, im Tourismus, Karneval sowie dem Nachtleben habe deutlich an Gewicht verloren. Auch das Passagieraufkommen am Flughafen hat noch nicht die Passagierzahlen der Jahre vor Corona erreicht.

Wie sehen die Zahlen konkret aus?

Die per Telefon vermittelten Fahrten gingen von 2019 bis 2022 um rund ein Drittel zurück, für 2023 wird mit etwa 1,1 Millionen „Funktouren“ gerechnet – weniger als die Hälfte als noch im Jahr 2010. Noch dramatischer ist der Einbruch bei den „Einsteigertouren“, also denen per Handzeichen am Straßenrand. Hier lagen die Rückgänge durchgehend bei über 50 Prozent in den Jahren 2020 und 2021.

Wer nutzt hauptsächlich die Taxis?

Patienten- und Krankenfahrten haben ebenso wie Schüler- und Fahrten für Menschen mit Behinderung seit den letzten Gutachten sukzessive zugenommen. Aber auch der demografische Wandel der Gesellschaft ist laut Gutachten bereits spürbar — die Taxi-Fahrgäste werden älter. „Gerade Senioren sind häufiger in ihrer Mobilität eingeschränkt und auf individuelle Angebote angewiesen“, heißt es in dem Gutachten von Linne und Krause. Besonders bei Arztfahrten seien Taxis ein unverzichtbarer Teil der Daseinsvorsorge.

Wie hoch ist der irreguläre Wettbewerb?

Grob gesagt ein Drittel aller Taxis fahren laut Gutachten „semiprofessionell“. Was nichts anderes heißt, als dass die Fahrzeuge jenseits aller wirtschaftlichen Plausibilität eingesetzt werden. Dabei wurde der operative Überschuss errechnet, wonach maßgeblich der Überschuss ist, der sich aus der Einnahme- und Überschussrechnung beziehungsweise aus der Gewinn- und Verlustrechnung ergibt. Die Gutachter kommen zu dem Schluss: Der Einsatz so vieler semiprofessioneller Unternehmen deute ihrer Ansicht nach auf einen ruinösen Wettbewerb hin, der die Funktionsfähigkeit des Taxigewerbes generell in Frage stelle. Allein mit einer Beschränkung der Taxizahl sei dem Problem nicht abzuhelfen.

Betrifft das auch Mietwagen?

Ein wenig verklausuliert, gehen die Gutachter davon aus. Betriebsprüfungen in anderen Städten hätten gezeigt, dass das Geschäftsmodell als Subunternehmer aufgrund nicht kostendeckender, vorgegebener Entgelte und übermäßigen Umsatzprovisionen von 25 bis 30 Prozent betriebswirtschaftlich nicht legal zu betreiben sei. Schon damit sei ein Betrieb im Rahmen der Steuer – und Sozialgesetze nicht mehr möglich, sofern die Plattformbetreiber nicht zeitweise außerordentliche Boni, Investitionshilfen oder Werbekostenzuschüsse ausschütten.

Welche Schlüsse zieht das Gutachten?

Zunächst einmal, die Zahl der Genehmigungen von derzeit 1154 nicht zu erhöhen. Aber auch keinen direkten, sofortigen Abbau: „Der Gutachter empfiehlt, die Zahl der Taxigenehmigungen perspektivisch abzubauen durch eine betriebswirtschaftlich orientierte Prüfung der subjektiven Zulassungskriterien. Sofern dabei ernsthafte Anhaltspunkte für die Unzuverlässigkeit des Unternehmers festgestellt werden, sollte keine Wiedererteilung erfolgen.“

Wie geht es weiter?

Die Verwaltung wertet das Gutachten nunmehr aus und prüft die Umsetzung von Maßnahmen. Dazu wird sie das Gutachten den Taxizentralen, der zuständigen Interessenvertretung sowie der Industrie- und Handelskammer Köln zur Kenntnisnahme zuleiten. Die Stadt Köln wird die Kontrolle von App-vermittelten Mietwagen fortsetzen und intensivieren. Nach einer angemessenen Frist soll die Entwicklung des Marktes dann erneut untersucht werden.

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