Die offene Architektur, die geschwungene Treppe mit den Glaskugeln in den Streben und die großen Wandschränke lassen noch erahnen, welche sakralen Schätze hier einmal zu kaufen waren.
Ein letztes GewandNach 138 Jahren schließt dieses Kölner Traditionsgeschäft
Dr. Wolfgang Stracke blickt zufrieden auf sein Lebenswerk. „Ich habe versucht, die Kunst in die Kirche zurückzubringen“, sagt er. Und er ist sich sicher, es ist ihm gelungen. Er steht in seinem leergeräumten Laden in der Komödienstraße. Die offene Architektur, die geschwungene Treppe mit den Glaskugeln in den Streben und die großen Wandschränke lassen noch erahnen, welche sakralen Schätze hier einmal zu kaufen waren. Hat er sein Ziel, die Kunst in die Kirche zu bringen so gut erfüllt, dass nun alles leergekauft ist? Nein, der Grund für die gähnende Leere in dem Haus am Eingang zur Komödienstraße ist ein anderer: Nach 138 Jahren Wefers Paramente endet diese Unternehmensgeschichte in Köln.
Das „hillije Köln“: Noch in den 50er Jahren gab es alleine in der Komödienstraße vier Paramente-Geschäfte. Und Wefers zählte zu den namhaftesten. Köln war Zentrum für sakrale Kunst. Priester, Bischöfe und Kardinäle aus ganz Deutschland und darüber hinaus kamen in die Domstadt - und nicht wenige kleideten sich hier ein. Wilhelm Wefers gründete das gleichnamige Geschäft für Paramente 1885 in Luxemburg, sechs Jahre später verlegte er den Sitz nach Köln in die Nähe des Doms- Zunächst in das Haus Andreaskloster, dann in die Komödienstraße.
Nach der Zerstörung des Hauses durch den zweiten Weltkrieg zog das Geschäft in das Haus Unter den Fettenhennen 9 neben das Café Reichert, musste aber 1957 dem WDR weichen. Wolfgang Strackes Vater hatte das Geschäft zwischenzeitlich mit seiner Frau übernommen. Er ließ von dem Architekten Karl Brand das Kopfhaus in der Komödienstraße errichten. Dort fand neben dem Geschäft ein eigenes Atelier mit der großen Paramentenwerkstatt und rund 20 Beschäftigten Platz. Wolfgang Stracke führte Wefers Paramente ab 1995.
Wandel seit den 50er Jahren
Das Geschäft hat sich seit den 50er Jahren stark gewandelt. Es ist weniger prunkvoll geworden und mit Stracke hat die zeitgenössische Kunst Einzug erhalten. Die Messgewänder in ihren unterschiedlichen Farben, abhängig von den anstehenden Festtagen, waren Schwerpunkt des Geschäftes. Dabei konnte der promovierte Kunsthistoriker seiner Leidenschaft freien Lauf lassen. Er veranstaltete Ausstellungen, bei denen er künstlerische Gewänder präsentierte- 1992 erstmalig unter dem Titel „CASULA“ in der Kunststation St. Peter. Im selben Jahr tourten sie noch nach München und Lübeck, in den darauffolgenden Jahren unter anderem nach Brügge, Linz und Berlin.
Einen besonderen Auftrag bekam er 2014 von dem Bistum Osnabrück. Der Libori-Ornat musste ersetzt werden, da „die alten Gewänder mürbe geworden waren“. Er wird jährlich zu den Feierlichkeiten zu Ehren des Dom- und Bistumspatrons, einem Pfauen, getragen. Der Wiener Künstler Christof Cremer entwickelte dafür einen Entwurf und orientierte sich an Pfauenfedern. Das umgesetzte Ergebnis von Strackes Atelier war ein weißes Gewand aus Seide, in das sie blaue und weiße Fäden webten. Streckt nun der Träger die Arme aus, erinnert das Gewand an das Rad eines Pfaues.
Innerhalb eines Jahres haben die Geschäfte geschwankt. Besonders rund um Weihnachten war bei Wefers Paramente einiges zu tun. Es kamen auch einige Privatleute, beispielsweise um Krippen oder andere sakrale Kunst zu kaufen. Und auch die Erstkommunion war für viele ein Grund, sich in dem Geschäft von Wolfgang Stracke umzuschauen. „Das ist ganz stark zurückgegangen“, berichtet der Geschäftsmann. Dann haben sie sich zunehmend mehr auf die Textilien fokussiert, aber auch Figuren aus dem Mittelalter oder Barock standen in den Regalen.
Der Höhepunkt von Strackes Berufslebens war der Weltjugendtag 2005. Er hatte den Auftrag erhalten, rund 4500 Kaseln (Obergewand) anzufertigen. Diese sollten nicht teurer als ein Hemd sein. Da diese Maßgabe nicht in Deutschland zu erreichen war, ließen sie in Thailand produzieren. Den Entwurf machte der Künstler Leo Zogmayer. Immer wieder kamen die Prototypen in das Geschäft nach Köln, wurden überprüft und schließlich „abgesegnet“. Ein Jahr haben sie an dem größten Auftrag ihres Bestehens gearbeitet. Alle Kaseln wurden rechtzeitig zum Weltjugendtag fertig.
Kritik des Erzbischofs
Stracke hat auch für das Kölner Erzbistum gearbeitet. Viele Kölner Bischöfe und Erzbischöfe hat er kennengelernt. Dabei ist ihm besonders Erzbischof Joachim Kardinal Meisner in Erinnerung geblieben. Mit ihm musste Stracke immer mal wieder über die Gestaltung der Gewänder diskutieren. Einmal habe Meisner eine violette Kasel von Clemens Kaletsch (Künstler aus Wien) tragen sollen. „Er hatte einen Draht zur Kunst und war offen für die Moderne“, sagt Stracke. Trotzdem habe er beim Anprobieren der Kasel das „Gesicht verzogen“, sie aber schließlich doch getragen. Und auch in seinem Ruhestand sei Meisner noch häufiger vorbeigekommen. Mal gab es Kritik: „Nun bin ich schon so oft an ihrem Schaufenster vorbeigekommen, Sie können da auch mal was Neues reinstellen.“ Ein anderes Mal habe er sich nur aufwärmen wollen. Wie auch immer: „Menschlich haben wir uns gut verstanden“, sagt Stracke.
So außergewöhnlich die Geschichte von Wefers Paramente, so außergewöhnlich ist auch das Geschäftsgebäude an der Komödienstraße. Stracke hofft, ein unternehmerischen Nachmieter zu finden. Doch das hat sich bisher nicht einfach gestaltet. Ein Paramente-Geschäft wird es sicherlich nicht mehr werden. Die Zeiten sind nicht danach. Im „hillije Köln“ gibt es nunmehr nur noch ein Geschäft dieser Art, Schmitt Paramente Auf dem Berlich. Dass sich der Inhaber Thomas Schmitt über seine Alleinstellung nicht freut, sagt etwas aus über den Ruf des Hauses Wefers. „Ich bin traurig darüber, dass ein haus mit diesem Niveau, mit dieser Qualität seine Türen für immer schließt“, sagt Schmitt.