Bei der Vorstellung von Stephan Klemms neuestem Werk erkunden Radsport-Legenden und Gäste die Geschichte und Gegenwart der Tour de France, eingebettet in humorvolle Anekdoten und Charakterporträts.
„Tour de France. Kein Berg zu hoch, kein Weg zu weit“Sporthistoriker Stephan Klemm stellt sein neues Werk vor
Ein Abend für den Radsport: Über 100 Gäste kamen am Dienstag im Deutschen Sport- und Olympiamuseum zusammen, um eine Lesung eines Kölner Autors und Journalisten mitzuerleben. Der Sporthistoriker Stephan Klemm stellte sein neues Werk vor, in welchem das drittgrößte Sportereignis der Welt im Zentrum steht: Das Buch „Tour de France. Kein Berg zu hoch, kein Weg zu weit“ ist eine aufregende Reise durch die Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Tour und ein interessantes Stück Sportgeschichte, welches im Museum vorgestellt wurde.
Reporter-Legende zu Gast
Gänzlich unbescheiden nennt sich das über 600 Seiten starke Werk im Untertitel: „Das neue große Standardwerk zur härtesten Radrundfahrt der Welt“. Passend zu den starken Worten ließ Klemm Taten folgen und brachte zu seiner Buchvorstellung zwei deutsche Radsport-Größen mit: Der 44-jährige ehemalige Tour de France-Fahrer Fabian Wegmann wurde ebenso herzlich begrüßt wie der 83-jährige Herbert Watterott. Der gebürtige Bensberger darf getrost als Reporter-Legende im Radsport bezeichnet werden: Ganze 41 Mal war Watterott für die ARD bei der Tour dabei gewesen.
Dementsprechend gab es viel zu erzählen - die Lesebeiträge von Klemm waren nur auf kurze Passagen reduziert. Das neue Buch geht genau wie die Tour über 21 Etappen und enthält Rückblicke, Porträts und Anekdoten. Einige wurden im Museum präsentiert, zur Erheiterung der Gäste.
So ging es zu Beginn tief in die humorvolle Historie der Tour de France: Der erste Sieger Maurice Garin war Alkohol und anderen Genüssen des Lebens gegenüber nicht abgeneigt. Als Lohn für seinen Erfolg erhielt er statt des großen Geldes Massagen. Mit drei Stunden Vorsprung gewann Garin 1903, aber wohl nicht auf die faire Art. „Schummeln gehörte damals dazu - und auch heute ist es irgendwie noch Teil des Radsports“, so Stephan Klemm.
Werk von Stephan Klemm ist mehr als nur ein Buch
Andere hatten Pech, brachten es jedoch trotzdem zu Ruhm. Nach einem Gabelbruch marschierte Fahrer Eugene Christophe 1919 kilometerweit in eine Dorfschmiede. „Dort hämmerte er, bis die neue Gabel hergerichtet war. Weil ein kleiner Junge für ihn den Blasebalg bediente, bekam er eine Zeitstrafe von zwei Minuten. Stunden später erreichte er sein Ziel“, schmunzelte Klemm. Die Tour gewann er nie, zu den Helden zählt er trotzdem.
Eine andere Legende lernte Herbert Watterott kennen: Der „ewige Zweite“ Raymond Poulidor sei immer in einem gelben Hemd gefahren, aber nie im gelben Trikot. Ein echtes gelbes Trikot brachte Watterott auch mit: Der Tour-Überflieger Eddy Merckx aus Belgien, fünfmaliger Sieger der Tour, überließ es 1970 seinem Masseur - und dieser gab es Watterott. Das Trikot wurde den staunenden Gästen im Museum präsentiert: „Es liegt meist sicher verwahrt bei mir im Schrank, neben dem schwarzen Trikot für den Verlierer“, lachte der Reporter.
Auch das gepunktete Bergtrikot von Fabian Wegmann aus dem Jahr 2004 bekamen die Gäste zu sehen. Ein großer Kölner Name im Radsport und zugleich enger Freund des Tour-Siegers Jan Ullrich kam anschließend auf die Bühne und erhielt viel Applaus: Artur Tabat organisierte 45 Jahre lang den Radklassiker „Rund um Köln“ und forderte eine neue Sichtweise auf Ullrich, der durch einen Doping-Skandal öffentlichen Kredit verspielt hatte.
Insgesamt geriet der Abend zu kurz für die vielen Puzzleteile der Tour. „Die Geschichte der Tour ist eine wahnwitzige Aufgabe“, lachte Klemm. Ein Blick ins Buch lohnt dennoch nicht zuletzt wegen der Porträts wahrer Helden wie Gino Bartali, der 1943 rund 800 jüdischen Menschen durch Dokumentenschmuggel das Leben rettete. Angesichts dieser Beispiele gerät der Sport in den Hintergrund - und so ist das Werk von Klemm mehr als nur ein Buch über den Radsport, sondern ein Panoptikum eines Weltereignisses.