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StadionkonzertDie Fantastischen Vier begeistern die Fans in Köln

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Thomas D (l.), Smudo (m.) und Michi Beck

Köln – „Ihr seid so geil gewesen, schon vom ersten Titel an!“ Der erste Titel, „MfG – Mit freundlichen Grüßen“, ist da schon fast 90 Minuten vorbei, und fast 30 bleiben noch bis zum Ende. Die Fans im RheinEnergieStadion können das Kompliment unbedingt erwidern.

Gemeinsam mit den Fantastischen Vier haben sie bei tropischen Temperaturen abgefeiert, sich durch die Jahrzehnte gerappt. Die „30 Jahre Live“-Tour von Michi, Thomas D, Smudo und And.Ypsilon ist ein Best of, ein Querschnitt von Hits und Lieblingsstücken. Was sonst?

Grenzwertiger Sound trübt die Stimmung nicht

Wenn die Dreierformation an der Front, mit Andreas Rieke alias And.Ypsilon als Mann im Hintergrund, zeigt „Was geht“, dann ist das „Zu geil für diese Welt“ und „Jetzt geht´s ab“ hat gerade prophetischen Charakter. Auch die Urväter des deutschen Hip-Hop können, wie zuvor am gleichen Ort schon „Die Ärzte“ und „Die Toten Hosen“, ein Mehrgenerationen-Publikum für sich verbuchen. Komplett ausverkauft ist das Kölner Stadion diesmal allerdings nicht, bei voller Füllmenge haben hier 40 000 Menschen Platz, geschätzt sind´s am Samstag drei Viertel davon.

Die Fanta4-Liveband sorgt für ordentlich Schmackes. Der Sound an sich klingt, wieder mal, grenzwertig. Stadien korrekt zu beschallen, ist eine hohe Kunst. Der Begeisterung kann das nichts anhaben. Von oben betrachtet muss das Meer der winkenden Arme im Innenraum wirken wie ein Tier mit Tausenden von Tentakeln. Männer Mitte 50 reißen sich schweißnasse T-Shirts von den Fleisch gewordenen Jahresringen, werfen die triefenden Textilien in die Luft und fangen sie wieder auf oder lassen sie wie weiße Windmühlenflügel über den Köpfen kreisen.

Bei „Dicker Pulli“ halten zwei tätowierte Arme ein Stück der titelgebenden Strickware Richtung Bühne. „Denn sie ist weg, weg. Und ich bin wieder allein, allein. Sie ist weg, weg“, erschallt die ewige, aber niemals gestrige Hymne der Verlassenen, auch wenn sie über ein Vierteljahrhundert alt ist.

Trio bleibt ständig in Bewegung

„Wir müssen mal auf die Setliste gucken, kann ja noch was kommen“, flachst Michi Beck. Und danach kommt dann, mit „Der Picknicker“, „Hitisn“ und „Tag am Meer“, eine geballte Ladung Fanta4-Geschichten. Müde geworden ist das Männertrio in vorderster Linie kein Stück. Fast ständig in Bewegung, wippend, hüpfend, federnd, den Laufsteg runter zur Plattform im Innenraum und wieder zurück.

Eigentlich hätten sie ihr 30. Bühnenjubiläum schon 2019 feiern können, aber da waren sie noch auf „Capitain Fantastic“-Tour unterwegs (und machten in Köln in der Lanxess-Arena Station). Die „30 Jahre Live“-Tour musste aufgrund der Pandemie zweimal verschoben werden. Auch die Kölner Konzerte, erst für den 20. Juni 2020, dann für den 3. Juli 2021 angesetzt, fielen flach. Jetzt war es wirklich soweit. Wobei es 2022 noch einen 30. Geburtstag zu feiern gibt: Der Mega-Hit „Die da!?!“, mit dem die Fanta4 den Deutsch-Rap in die Charts brachten, kam 1992 heraus. Und wurde prompt gebührend gewürdigt.

Mit „Krieger“ naht der Moment von Thomas D. Alle Spots sind strahlenförmig auf den 53-Jährigen gerichtet, starr wie eine Statue präsentiert er den nackten Rücken, die Leinwände rechts und links und in der Mitte tauchen die Szenerie in blutiges Rot. Zur fast-schon-Schlagerhaftigkeit von „Einfach sein“ (wobei der Text dann doch nicht so einfach ist) mit dem Einspieler einer auf einen Piekser gesteckten singenden Paprika-Olive ist das ein himmelweiter Unterschied.

„Es ist so geil hier“

Immer wieder bestätigen die Fantas ihr Publikum, wobei ein Eigenschaftswort, dem heutzutage etwas Antiquiertes anhaftet, in Abwandlungen immer wieder Verwendung findet: „Es ist so geil hier“, „Köln – ihr Geilis!“ Und womöglich macht auch das gute Gefühle, so wie die fetten Bläsersätze, die knalligen Farben der Leinwände oder Zeilen, für die andere ein Rap & Reim-Tutorial bräuchten, während die Pioniere des deutschen Sprechgesangs ganz locker King Kong und Qi Gong auf Dingdong packen. Weil es mal Zeiten gab, wo deine Eltern es sehr ungeil fanden, wenn du geil gesagt hast.

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Hinterher, auf dem Weg zur Straßenbahn quer über die Wiese, in der Nase den Duft von sonnengegerbtem Gras und junisüßen Linden- und Holunderblüten, spielt die Jukebox im Kopf Stücke wie „Yeah Yeah Yeah“, „Gebt uns ruhig die Schuld (den Rest könnt ihr behalten)“ und „Ernten was wir säen“. Schön war´s. Fast zwei ganze Stunden lang. Die vorbeigingen wie nix.