Die Diskussion um Pferde im Karneval schreckt einige Züchter ab. Manche Reitgruppen müssen zu Fuß gehen, zum Teil werden die Tiere aus Süddeutschland angeliefert.
Kölner RosenmontagszugDarum scheuen Pferdeverleiher den Karneval in Köln
Der Frust sitzt tief bei Susanne Damm und den Reiterinnen der Kölnischen KG, die gerne im Rosenmontagszug mitgeritten wären. Zum zweiten Mal in Folge haben sie keinen Pferdeverleiher gefunden, der seine Tiere für den Karnevalszug zur Verfügung stellen wollte. „Der Gegenwind und die Anfeindungen waren unserem Verleiher zu groß“, erzählt sie, für die Reitergruppe sei die Situation „frustrierend, denn wir sind uns der Verantwortung gegenüber dem Tierschutz bewusst“, sagt sie. Nun wird die Reitergruppe notgedrungen zur Fußgruppe.
Im Rosenmontagszug werden dieses Mal 234 Pferde über die Kölner Straßen traben, das ist eine leichte Zunahme gegenüber dem Vorjahr, als 197 Tiere zur Verfügung gestellt wurden. „Die Folgen der Pandemie scheinen ausgestanden zu sein, die Lage bleibt jedoch schwierig, auch wenn bei den Lieferanten wieder mehr Pferde im Training sind“, sagt Hajo Jennes, der in der Zugleitung für Pferde und Kutschen verantwortlich ist. Noch vor etwa zehn Jahren begleiteten rund 450 Pferde den Rosenmontagszug, die Verschärfung der Auflagen hat jedoch nach und nach zu einer Reduzierung geführt. In Bonn wird seitdem - auch aus Kostengründen - komplett auf Pferde im Zug verzichtet.
Nicht nur einige Lieferanten, auch Reiterinnen und Reiter nehmen inzwischen Abstand vom Karneval. „Manchmal ist die Sorge ums Image der Grund, manchen ist auch der Aufwand zu groß“, erklärt Jennes. Das Mitreiten im Zug kostet zwischen 2500 und 3000 Euro, denn neben dem Wurfmaterial fallen Leihgebühren und Transportkosten für die Pferde an. Wer wenig Kamelle wirft, kommt auch mit 1200 Euro hin, heißt es von anderen Vereinen. Eine Gesellschaft hatte vorige Session vier Kaltblüter und einen Kutscher für 2500 Euro gemietet. Die vier Pferde mussten vor dem Zug geimpft werden. Die Kosten: insgesamt 1896 Euro.
Auch dieses Mal werden einige Pferde aus Baden-Württemberg und Bayern angeliefert, weil viele Züchter die Pferde-Bestände während der Pandemie aus Kostengründen reduziert haben. Um die Strapazen zu verringern, werden die Tiere bereits sonntags geliefert und beziehen Gästeboxen auf der Pferderennbahn in Weidenpesch. Die meisten Pferde werden aus dem Umland angeliefert, beispielsweise vom Niederrhein oder Westfalen.
Nachdem das Reiterkorps der Damengesellschaft Colombina Colonia voriges Jahr leer ausgegangen war, werden nun zehn Reiterinnen dabei sein. „Es wird immer schwieriger, Pferde zu bekommen. Wir haben uns aufgrund der allgemeinen Diskussion um das Tierwohl für eine überschaubare Zahl von Pferden entschieden“, sagt Reiterkorpsführerin Annette Wolf. Alleine 92 Pferde werden im letzten Drittel des Zuges bei Ehrengarde und Prinzen-Garde mitgehen, ansonsten werden die Menschen am Straßenrand kleinere Pferdegruppen sehen.
Tierschützer protestieren im Geisterzug
Die Diskussion um Tiere im Rosenmontagszug wird seit Jahren geführt, ein Kutschunfall im Jahr 2018 führte landesweit zu schärferen Auflagen. Am Mittwoch bekräftigte die Ratsfraktion von Volt ihr Bestreben nach einem Verbot von Pferden im Rosenmontagszug, Fraktionsvorsitzende Jennifer Glashagen wirft dem Festkomitee „Verantwortungslosigkeit“ vor. Im Geisterzug an diesem Samstag will das „Netzwerk für Tiere Köln“ für einen pferdefreien Karneval demonstrieren. Im Sommer hatte Hajo Jennes mehrere Politikerinnen und Politiker zum Gespräch geladen und die Sicherheitskonzepte des Festkomitees vorgestellt - von Notbuchten bis zur Pferdeambulanz.
Der Rosenmontagszug gilt dieses Jahr erneut als absolvierte Gelassenheitsprüfung, an zwei den Teilnehmenden nicht bekannten Stellen werden Teams mit Richterinnen und Richtern Noten von eins bis vier vergeben. Eine Vier bedeutet ein Nichtbestehen der Prüfung. Voriges Jahr haben laut Festkomitee alle 197 Tiere die Prüfung bestanden. Mit einzelnen Lieferanten seien jedoch nach dem Zug Gespräche über die Auswahl der Pferde geführt worden. Bereits vor dem Zug werden Kutschführerscheine und Pferde kontrolliert.
Schon vor einigen Jahren haben die Vereine begonnen, ihre Kutschen mit hydraulischen Bremssystemen auszurüsten. Wenn Pferde witterungsbedingt aus dem Zug genommen werden, müssen die Kutschen von Traktoren gezogen werden, gelten dann aber formal als Anhänger und müssen andere Anforderungen erfüllen. Beim Für und Wider über Pferde im Zug argumentiert Hajo Jennes so: „Wir werden keine Tierschützer überzeugen, die sagen, Pferde gehören nicht in einen Karnevalszug. Aber ich sage, es braucht Pferde im Karneval, weil ansonsten langfristig das Kulturgut Pferd aus unserem Leben verschwinden wird. Wenn wir nicht gegenwirken, werden Pferde ihre Daseinberechtigung verlieren“, meint Jennes.
Nach 33 Jahren im Sattel wird Hajo Jennes den Zug dieses Jahr auf der Ehrengarde-Tribüne verfolgen. „Aus familiären Gründen“, wie er sagt. Kommendes Jahr will auch er wieder im Sattel sitzen.