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„Alten Schätzchen eine Chance geben“Kölner Nachlassauflöserin verkauft Antiquitäten auf über 200 Quadratmetern

Lesezeit 4 Minuten
Linda Brovot steht in ihrer neuen Antiquitätenhalle in Köln-Rodenkirchen inmitten alter Möbel und Kunstwerke.

Linda Brovot steht in ihrer neuen Antiquitätenhalle in Köln-Rodenkirchen.

Linda Brovot betreibt eine neue Antiquitätenhalle in Köln-Rodenkirchen. Sie erzählt vom Wandel des Nachlassgeschäfts der letzten 25 Jahre.

Wer KPM oder Meissener Porzellan sucht, Silberbesteck, Kerzenständer, Kommoden, Schränke, Esszimmerstühle oder Omas Leinenbettwäsche, der ist in Rodenkirchen richtig. Dort gibt es seit sechs Monaten eine Halle, die das Herz von Antikliebhabern und Trödelfans höher schlagen lässt.

Inhaberin ist Linda Brovot, die Antiquitätenhändlerin und Nachlassauflöserin aus Leidenschaft ist. „Ich bin in die Fußstapfen meines Vaters getreten, der schon in den 80er Jahren Wohnungsräumungen für das Ordnungsamt gemacht hat. Als er krank wurde, habe ich mit 18, sofort nach der Schule, mein erstes Gewerbe angemeldet. Diesen Schritt habe ich nie bereut“, sagt Linda Brovot, die in den letzten 25 Jahren so manches vollgestopfte Haus innerhalb kurzer Zeit besenrein geräumt hat.

Köln-Rodenkirchen: Nachlassauflösung arbeitet nachhaltig

Nur Entrümpeln war ihr bald zu wenig. Inzwischen ist sie zertifizierte Sachverständige für Hausrat, arbeitet mit einem Nachlassverwalter zusammen und kennt sich bestens mit antiken Sammlerstücken aus. Zu ihren Kunden zählen Erben, die weit weg wohnen und keine Zeit haben, sich um den Nachlass der Verstorben zu kümmern. Andere möchten einfach nicht dabei sein, wenn eine Eichen-Schrankwand, für die die Verstorbenen lange gespart haben, zerlegt wird.

Zwei Porzellan-Figuren aus den Schwarzenburger Werkstätten in der Antiquitätenhalle von Linda Brovot.

Porzellan-Figuren aus den Schwarzenburger Werkstätten in der Antiquitätenhalle von Linda Brovot.

„Nach dem ersten Telefonat weiß ich, was auf mich zukommt. Die einen fragen: „Was krieg ich, was wollen Sie haben?“ andere wollen sich haarklein mit dem Nachlass auseinandersetzen, noch andere wollen Ballast abwerfen und mir nur den Hausschlüssel in die Hand drücken. Ich verstehe sie alle und möchte ihnen gerecht werden: Ich versuche, jeden Nachlass so nachhaltig wie möglich aufzulösen. Ich sehe sofort, ob etwas wertvoll ist. Und ich kenne Händler und Auktionshäuser, wo man die Schätzchen verkaufen kann. Den Rest, das, was nicht zu vermarkten ist, den spende ich an karitative Vereine“, erzählt sie.

Kölner Antiquitätenhandel in neuer Halle auf über 200 Quadratmetern

Nicht selten hat Linda Brovot auch die unangenehme Aufgabe, den Erben den Zahn zu ziehen, dass das Familiensilber eine wertvolle Antiquität ist. Sie muss ihnen klar machen, dass das Besteck nur versilbert und dass es für den für ach so wertvoll gehaltenen Rosenthal-Teller maximal zehn Euro gibt. „Kommt ein Vertrag zustande, dann biete ich für den gesamten Hausstand eine Summe X an. Davon habe ich vorher im Kopf schon die Kosten für die Räumung abgezogen.

Vielen jungen Leuten fehlt der Sinn für Qualität, sie kaufen billig und in einem Jahr landen die Sachen auf dem Sperrmüll
Linda Brovot,Nachlassauflöserin

„Aus den verwertbaren Sachen versuche ich Kapital zu schlagen, manchmal ist ein Schätzchen dabei, aber oft sind es auch nur Lagerleichen“, sagt die Geschäftsfrau und zeigt auf den riesigen fast drei Meter hohen Lothringer Barockschrank, der, so vermutet sie, wohl bis ans Ende aller Tage in der neuen Halle stehen bleiben wird.

Bunte Vasen stehen auf einem Regal.

Bunte Raritäten wie diese finden Besucher in der riesigen Halle.

In den letzten Jahren hat das Internet das Geschäft verändert, die Nachfrage vor Ort ist nicht da: Auch Teppiche, Marken-Porzellan, Kristallgläser sind nur schwer zu verkaufen. Beliebt bei Sammlern sind derzeit aber Bilder zeitgenössischer Künstler. Auch Meissener Porzellan ist gefragt, aber nur Stücke, die bis 1850 in reiner Handarbeit entstanden sind. Danach wechselte auch in Meissen die Produktion zur Serienfertigung.

Die Nachfrage leidet auch unter einem veränderten Einkaufsverhalten der jüngeren Generationen, gerade auch was Einrichtungsgegenstände angeht: „Vielen jungen Leuten fehlt der Sinn für Qualität, sie kaufen billig und in einem Jahr landen die Sachen auf dem Sperrmüll. Dabei kann man auch mit einem überschaubaren Budget einen Schrank oder Stühle kaufen, die eine gute Qualität haben und einfach ein Eyecatcher sind.“

Buntes Angebot auf 200 Quadratmetern in Köln-Rodenkirchen

Bislang hat Linda Brovot die Ware auf Antik- und Trödelmärkten verkauft, doch das ewige Ein- und Auspacken ist der dreifachen Mutter inzwischen zu zeitaufwändig. Die neue Halle soll etwas Entschleunigung bringen. Das Angebot auf den über 200 Quadratmetern ist so bunt wie das Leben. „Ich freue mich über jeden, der den alten Schätzchen noch mal eine Chance gibt. Ob Nostalgiker, Idealisten oder Menschen mit wenig Geld, alle können bei mir fündig werden.“

Wer Zeit und Muße hat, entdeckt zwischen viel Nostalgie-Ramsch auch mal Raritäten wie wertvolle Porzellanfiguren aus den Schwarzburger Werkstätten oder eine Atmos Kaminuhr von Jaeger-Lecoultre. Die Händlerin ist überzeugt: „Antiquitäten sind grün. Die Möbel haben nicht nur Charakter und Patina, sondern sind alle statt mit Chemie mit Bienenwachs behandelt worden – mehr Nachhaltigkeit geht beim besten Willen nicht.“


Die Halle ist samstags von 9.30 bis 14.00 Uhr geöffnet und befindet sich in Rodenkirchen an der Industriestraße 165, Gebäude 9. Weitere Informationen unter: www.antik-ankauf-brovot.de