Das Mare Atlantico erinnert an eine mediterrane Markthalle. Hier kaufen Privatpersonen genauso wie Spitzengastronomen ein. Das Angebot geht weit über den frischen Fisch hinaus.
Ein Stück Meer in KölnWas das Mare Atlantico am Großmarkt so besonders macht
Augen zu und einfach mal riechen. Das sei der beste Tipp, um etwas über die Qualität und die Frische der Waren zu erfahren. Also gut. Eine salzige Brise begleitet die eisige Luft des Kühlhauses in die Nase. Der Geruch erinnert an Meer, vielleicht an einen Hafen. Frischer Fisch riecht weitestgehend neutral. „Auf Frische und Qualität legen wir viel Wert“, sagt Bruno Granese, blau-weiße „Napoli“-Mütze, Gummistiefel, lange weiße Schürze und immer ein breites Grinsen im Gesicht. Wenn er für seine Kunden den Fisch verpackt, kann es gut sein, dass dieser noch vor drei Tagen im Ozean schwamm.
In den Auslagen warten Thunfisch, Schwertfisch, Zander, Barsch, Dorade, Steinbutt oder Seeteufel, Steinbeißer, Zackenbarsch, Knurhahn oder Drachenkopf auf einen Abnehmer. Das Angebot ist riesig. Und variiert von Tag zu Tag. „Je nach Angebot und Nachfrage kann das einen Tag später schon wieder ganz anders aussehen“, sagt Granese. Wenn Kunden Extra-Wünsche äußern, versuche man diese zu erfüllen.
„Das, was wir hier geschaffen haben, ist ein Stück Meer mitten in der Stadt. Ein Paradies“, sagt Sarantis Agiakatsikas, von allen nur Sarantis genannt. Der Grieche betreibt mit seinen vier Brüdern das Mare Atlantico. Dass aus dem Fischladen einmal das werden würde, was es jetzt ist, war nicht der Plan. Vor fast 50 Jahren eröffneten seine Eltern ihr erstes Geschäft in Euskirchen. 1981 ging es in Köln weiter. Erst in der Großmarkthalle, später in der Immobilie am Rande des Großmarkts in Raderberg. „Am Anfang war alles sehr fischlastig“, erzählt Sarantis Agiakatsikas. Irgendwann kam die Tiefkühl-Ware und Fleisch dazu. „Als dann Kunden sagten, sie bräuchten diesen und jenen Wein oder Champagner, dann haben wir den dann irgendwann einfach auch angeboten.“
Weil die Nachfrage da war, entstand auch eine kleine Espressobar und eine mittlerweile gut bestückte Käsetheke. An kleinen Holztischen sitzen an diesem Freitagmittag zwei Rentner und essen belegte Brötchen. Überall gibt es Kleinigkeiten zum Probieren. „Wir sind zusammen mit unseren Kunden gewachsen“, sagt Agiakatsikas. Die Atmosphäre erinnert ein wenig an eine mediterrane Markthalle. Bis vor zehn Jahren bestand die Kundschaft vor allem aus Gastronomen und Händlern, die die Waren dann zum Beispiel auf Wochenmärkten weiterverkauften. Doch dann brachten die Gastronomen immer häufiger ihre Freunde mit, die dann wiederum Freunde mitgebracht haben.
Mare Atlantico: Unter den Kunden sind auch Spitzengastronomen
Auch Vertreter der gehobenen Gastronomie gehören zu den Kunden. Der mit einem Michelin-Stern ausgezeichnete Edel-Italiener Alfredo, das La Fonda oder auch das Poisson, das laut eigener Aussage beste Fischrestaurant der Stadt. Auch im ehemaligen Zwei-Sterne-Restaurant Le Moissonnier landete schon Fisch auf dem Teller, der zuvor im Mare Atlantico über die Theke ging.
Guiseppe Arena kauft schon seit fast 25 Jahren hier ein. „Nach so langer Zeit hat man eine persönliche Beziehung aufgebaut“, sagt der Betreiber des Ristorante Arena in Braunsfeld. Natürlich kaufe er auch woanders ein, doch die Auswahl und die Qualität spreche bei Mare Atlantico einfach für sich. „Heute habe ich zum Beispiel Rochenflügel für die Tageskarte eingekauft“, sagt Arena. „Sowas gibt es nicht überall.“
Die Ware kommt aus Griechenland, Italien, Frankreich, den Niederlanden oder den Faröer-Inseln. Die ersten Lieferanten laden ihre Waren ab 4 Uhr morgens ab, für Sarantis beginnt der Tag um 5 Uhr. Abladen, Sortieren, Vorbereiten. Um 6 Uhr öffnet der Laden und schließt um 18 Uhr.
In den vergangenen Jahrzehnten habe sich das Konsumverhalten in Bezug auf Fisch stark verändert. Früher gab es einmal in der Woche Fisch – am Mittwoch. „Sowas gibt es jetzt nicht mehr“, sagt Sarantis. Sein Ziel sei es, eine breitere Zielgruppe für Fisch und generell für frische und gesunde Lebensmittel zu begeistern. Das betuchtere Paar, das sich zum Fisch noch ein, zwei gute Weine mitnimmt, genauso aber die Familie mit zwei Kindern und etwas weniger Geld in der Tasche. „Makrelen oder Sardinen, die kann sich jeder leisten.“ Zubereitungstipps gibt es für die Kunden gratis dazu. „Einfach ein paar Karotten, Zucchini und Aubergine in den Ofen, die Makrele obendrauf, 20 Minuten in den Ofen und fertig.“
Sushi sei sowohl bei Privatleuten als auch bei Gastronomen noch immer im Trend. „Die Läden gibt es ja an jeder Ecke“, sagt Sarantis. Weil viele asiatische Kunden bei Mare Atlantico einkaufen, hat er auch das Sortiment asiatischer Produkte ausgeweitet.
Zukunft auch im Umfeld des Großmarkts ungewiss
Es könnte also alles so schön sein. Doch das Paradies ist in Gefahr. Auch wenn das Mare Atlantico nicht direkt zum Großmarkt gehört, bangt Sarantis Agiakatsikas um seine Existenz. Die Zukunft des Großmarkts ist nur noch bis 2025 gesichert, was danach passiert - ungewiss. Wenn es den Großmarkt in Raderberg nicht mehr gibt, hat auch das Mare Atlantico in Raderberg keine Zukunft, ist sich Sarantis sicher. Im Großmarkt finde jeder einen Job, er selbst beschäftige 40 Mitarbeiter mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen. Inklusion im Kleinen, sei das. „Das alles“, sagt Sarantis, „darf auf keinen Fall sterben“.