Reportage aus KölnUnterwegs mit der KD – Ein bisschen weite Welt erleben
Köln – 9.30 Uhr am letzten Donnerstag der Sommerferien. Sanft gleitet die MS Rheinfantasie vom Anleger in der Kölner Altstadt. „Wir haben 114 Gäste an Bord“, weiß Restaurantmanager Alex Cay nach einem Blick in seinen Computer. In Porz, Wesseling und Bonn werden weitere Menschen zu- und aussteigen. In Königswinter werden 134 Passagiere an Bord sein. Die Kleinstadt am Drachenfels ist heute Endstation der täglichen Linienfahrt.
„Wegen des Niedrigwassers können wir derzeit nicht wie normalerweise bis nach Linz fahren“, sagt Kapitän Heiko Felix. Der 52-jährige gebürtige Mecklenburger ist seit 1996 bei der Köln-Düsseldorfer Deutsche Rheinschiffahrt GmbH (KD). Seine Lehrzeit hat er auf der Elbe absolviert. „Beides schöne Flüsse“, findet er. Doch eigentlich hatte er schon als kleiner Junge von der Hochseeschifffahrt geträumt. „Zur Hochsee durfte in der DDR aber nur, wer lupenrein war“, sagt er lakonisch. Auch so wie es gekommen ist, liebt er seinen Beruf.
Langweilig werde der nie − und das, obwohl er immer auf dem selben Schiff ist. 85 Meter lang, 40 Meter breit − diese kleine Welt teilt Felix mit dem Rest der Crew. Und zwar mehr oder weniger 24 Stunden am Tag, oft sieben Tage die Woche oder länger. „Meine Familie sehe ich vielleicht einmal im Monat für ein bis zwei Wochen. Ich bin schon mehr auf dem Schiff zuhause“, sagt er dreifache Vater. Seine Frau hat Verständnis, sie war früher als Köchin auf einem anderen KD-Schiff. „Meine Familie kennt das nicht anders. Wir telefonieren viel“, erklärt Felix und wirkt zufrieden. Hat er frei, nimmt er sich gerne sein Fahrrad und kurvt über Land.
Etwa 25 Frauen und Männer leben während der Saison größtenteils auf der MS Rheinfantasie. Es sind Matrosen ebenso wie Service- und Küchenpersonal. Gut die Hälfte der Crew kommt aus den Philippinen. „Es gibt aber auch Menschen aus Bulgarien und anderen Ländern und einen Kölschen Jung“, sagt Barkeeper Isidro Seguin und fügt hinzu, „Die Saisonkräfte kommen im April und bleiben bis Ende des Jahres.“ Er selbst hat zwar eine Wohnung in Köln, bleibt aber trotzdem meistens nachts auf dem Schiff. „Nicht nur, wenn wir in Düsseldorf oder anderswo ankern. Wir sind hier einfach ein gutes, festes Team. Das ist wirklich schön“, sagt Isidro Seguin.
Mit seinem Kellner-Kollegen Asen Filipov aus Bulgarien wechselt er auch schon mal ins Englische bei der Unterhaltung. „Am Feierabend sprechen wir von den Philippinen untereinander Tagalog“, sagt Seguin fröhlich während er am frühen Vormittag schon Aperol Spritz mixt. Nicht ungewöhnlich. Die Gäste verbringen hier einen Kurzurlaub. „Wenn einer sieht, das ein anderer Aperol trinkt, dann machen das immer mehr Leute. Wenn junge Menschen in der Gruppe kommen, kann es zum Frühstück auch schon mal ein Pittermännchen geben“, weiß Restaurantmanager Cay.
Hellblaue Geflechtstühle und strahlender Himmel
An diesem Tag hingegen ist das Publikum eher älter. „Wir sind hier mit 17 Leuten von einer Busreisegesellschaft. Die Fahrt nach Königswinter ist Teil unserer einwöchigen Rheinland-Tour“, erzählt eine 79-Jährige aus Thüringen. Bei deutlich über 30 Grad lassen sich die Rentnerinnen und Rentner auf dem Sonnendeck vom lauen Fahrtwind abkühlen. „Mit dem Wind ist es gut auszuhalten. Die Temperatur merkt man hier vorne nicht“, findet eine Reisende. „Uns gefällt es sehr gut“, sagt ein Italiener aus Bergamo, der mit seiner Frau unterwegs ist. Gerade trinkt er das erste Kölsch seines Lebens. Aus den Lautsprechern klingt beschwingte Popmusik, die hellblauen Geflechtstühle strahlen mit dem Himmel um die Wette und das Uferpanorama gleitet langsam und lautlos vorbei.
Wenn Menschen vom Ufer aus winken, winken auch die Kellner manchmal zurück. „Das mache ich gerne, damit macht man Leuten so einfach eine Freude“, sagt Asen Filipov. Die Rechnungen werden in der Regel nicht sofort kassiert. Schließlich können die Gäste das Schiff nicht so schnell verlassen. „Wir fragen, wo sie aussteigen“, sagt Filipov, der seit fünf Jahren bei der KD kellnert. Das Trinkgeld sei okay. „Du musst die Leute gut behandeln“, lautet sein Erfolgsrezept.
„Ich wollte vor dem Ferienende noch einen schönen Ausflug mit meiner Tochter machen“, sagt Mutter Gabi aus Düsseldorf. Eine gute Entscheidung offenbar. „Ich finde es sehr entspannt. Wir wollen zum Drachenfels“, sagt die 13-jährige Viktoria. Dass sie nicht schon in Düsseldorf aufs Schiff konnten, wundert die beiden aus der Landeshauptstadt.
Aber es hat einen guten Grund. Um die fünf Stunden braucht die Rheinfantasie um sich von Düsseldorf rheinaufwärts nach Köln zu kämpfen. Derzeit würde sie wahrscheinlich noch länger brauchen. Schuld ist das Niedrigwasser. Etwa zwei Meter weniger Wasser unter dem Kiel als normalerweise hat die Rheinfantasie jetzt. Tendenz: weiter sinkend. „In den letzten Jahren häufen sich die Niedrigwasserphasen“, stellt Kapitän Felix fest während er nur einen Steinwurf entfernt vom Rodenkirchener Strand schippert.
„Hier ist die Fahrrinne im äußeren Bereich am tiefsten“, weiß er. Er fährt langsamer als bei normalem Wasserstand. „Höchstens zehn Stundenkilometer.“ Denn er nimmt auch Rücksicht auf die Frachtschiffer. „Das ist Berufsehre, dass man die Geschwindigkeit drosselt“, erklärt der Kapitän. Je schneller Schiffe aneinander vorbei fahren, desto mehr saugen sie sich gegenseitig das Wasser weg. Und das kann jetzt für einen Frachter fatal werden. „Frachtschiffe haben wirklich teilweise nur noch 20 oder 25 Zentimeter Wasser unter dem Kiel“, weiß Felix.
Vor allem an der Deutzer Platte, „einer der schlechtesten Stellen auf dem Rhein“ zähle jede Tonne Ladung. Niedrigwasser ist extrem schlecht für die Binnenschiffer. „Sie fahren mit einem drittel der normalen Ladung“, sagt Felix mitfühlend
Der jüngste Passagier ist erst sechs Wochen alt
Solche Dinge interessieren den zweijährigen Levin noch nicht. Für ihn ist alleine wichtig, dass er mit Mama, Papa und Brüderchen Levin (sechs Wochen) einen Ausflug mit Bus, Schiff und Zug macht. „Er findet das toll, dass wir so viele Verkehrsmittel nutzen“, sagt Mutter Lara Haller. „Von Bonn aus fahren wir mit dem 9-Euro-Ticket zurück nach Köln“, ergänzt Vater Paul Haller. Er schwärmt von der Langsamkeit der Reise mit dem Schiff. Das entspanne.
Das könnte Sie auch interessieren:
In der Küche im unteren Stock der MS Rheinenergie indes ist Langsamkeit nicht angesagt. Souschef Dimitar Dimitrov aus Bulgarien und Koch Arne Gliemroth aus Troisdorf hantieren mit Töpfen und Pfannen. „Wir kochen mit frischen Zutaten und wirklich noch freihändig hier“, sagt Gliemroth, der Lauch für eine Kartoffelsuppe dünstet. Der Souschef schwenkt derweil ein Gulasch in der Pfanne. „Gulasch wird oft nachgefragt, aber auch unsere Pasta Arrabiata und natürlich Schnitzel in allen Varianten“, sagt Dimitrov. Für die Crew gibt es eigenes Essen: Putengeschnetzeltes, Reis, Salat und Pfannkuchen.
Einer nach dem anderen isst schnell. Auf der Brücke vertritt ein Matrose den Kapitän während der zu Mittag isst. „Es schmeckt immer gut“, sagt er. Auch mit dem Kochen für die Crew gibt sich die Küchenmannschaft Mühe. Eigentlich kein Wunder. „Hier an Bord ist das Team wie eine Familie. Wir sitzen wirklich alle im selben Boot“, sagt Gliemroth. Er genießt es, wenn die Philippiner manchmal in der Freizeit kochen: „Das schmeckt anders und auf den Philippinen war ich noch nie.“