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Interview

Ralf Günther über sein Leben und Wirken
Warum Köln die meisten Comedians hat

Lesezeit 7 Minuten
Köln, RSK, Imgrund-Interview mit Ralf Günther

Ralf Günther hat gut lachen: Seine Leidenschaft für Humor konnte er zu seinem Beruf machen – mit Erfolg.

Ralf Günther ist lustig aus Berufung. Er leitete das Cologne Comedy Festival und gründete die „Spaßschmiede“ Brainpool. Mit Bernd Imgrund sprach mit ihm über sein Leben und darüber, wo der Spaß anfängt.

Ralf Günther ist lustig aus Berufung – Er leitete das Cologne Comedy Festival und gründete die „Spaßschmiede“ Brainpool – Mit Bernd Imgrund sprach mit ihm über sein Leben und darüber, wo der Spaß anfängt

Voriges Jahr haben Sie den Deutschen Comedy-Ehrenpreis bekommen. Wofür?

(Lacht) Ich denke, weil ich im Bereich Comedy und Humor sehr viele unterschiedliche Projekte angeschoben habe. Zum Teil waren sie glücklicherweise auch recht erfolgreich, man denke etwa an das Cologne Comedy Festival, das ab dem 11. Oktober zum 34. Mal stattfindet.

Macht ein „Ehrenpreis“ alt?

Ich sehe ihn eher als Ehrung für das bislang Erreichte. Aber ich habe in der Vergangenheit durchaus erlebt, dass Leute sagten, einen Ehrenpreis möchte ich nicht haben. Das klingt halt wie kurz vor der Kiste.

Sie beschäftigen sich auch theoretisch mit Humor. War das schon immer so?

Wie Humor funktioniert, hat mich schon in den 80ern bei unserer Comedytruppe „Die Niegelungen“ interessiert. Ich bin fest davon überzeugt, dass Humor eine völlig unterschätzte Kraft ist. Jeder von uns ist ein Humorexperte: Mit drei Monaten fängt ein Säugling an zu lachen, mit einem Jahr haben wir einen eigenen Humor entwickelt – also noch bevor wir zu sprechen beginnen!

Wie verändert sich Humor mit dem Älterwerden?

Humor entsteht immer in einem Kontext: wann, wo, mit wem und vor wem? Außerdem hängt er mit der eigenen Lebensgeschichte zusammen. Über manche Gags von früher lache ich eventuell gar nicht mehr oder umso mehr.

Vor fünf Jahren haben Sie in Köln das „Institut für Komik“ gegründet. Worum ging es da?

Ursprünglich ging es mir um ein Haus des Humors, analog etwa einem Literaturhaus. Für jede Kunstsparte existieren Museen, Archive, Veranstaltungshäuser, außer für die Comedy. Die Idee, solch eine Institution in Köln auf die Beine zu stellen, fand ich funky. Aber ich habe weder die finanziellen Mittel noch das Haus gefunden. Mit dem Institut für Komik habe ich die Idee dann als virtuelles Projekt ins Netz gesetzt. Aber das ist eben schwerer zu vermitteln als ein reales Haus.

„Wenn die Humorfähigkeit einer Gesellschaft abnimmt, ist es nicht gut um sie bestellt“, sagen Sie.

Humor öffnet den Horizont, indem er überrascht und offen macht für andere Blickwinkel. Wenn das nicht mehr möglich ist, wird es schwierig. Das Zutrauen in die Mehrdeutigkeit von Wörtern geht heutzutage verloren. Warum sonst müssen wir hinter jede WhatsApp-Nachricht ein Icon setzen, das erklärt, wie die Nachricht gemeint war.

Gab es im Nationalsozialismus Comedy?

Natürlich gab es auch damals eine private Humorkultur, die half, mit der Diktatur umzugehen. Aber auch heute treten weltweit viele Comedians unter erschwerten, nicht selten gefährlichen Bedingungen auf. Sie werden beschimpft, werden verhaftet, bekommen Morddrohungen.

Ebenfalls von Ihnen: „Lachen verbindet Menschen und baut Ängste und Aggressionen ab.“ Wie weit reicht das?

Viel weiter, als wir denken. Lachen ist Kommunikation. Es stimuliert die Gesichtsmuskeln, den Körper, es baut Ängste ab und macht locker. Wenn wir richtig lachen, passiert folgendes: Die Augen tränen, und man öffnet den Solarplexus – die verwundbarste Stelle unseres Körpers. Da werden Grenzen eingerissen, Lachen ist ein Zeichen größtmöglichen Vertrauens.

In den 90ern wurde die „Spaßgesellschaft“ proklamiert. Was wurde aus der?

Die Zeit damals war vergleichsweise unbeschwerter als heute.

In den meisten Fällen war der Ausdruck abwertend gemeint.

Es ist erstaunlich, wie viele abwertende Begriffe im Zusammenhang mit Humor kursieren: Klamauk, Blödelbarde, Witzemacher …

„Blödelbarde“ ist doch schön! Ich sage nur: Insterburg & Co.

Stimmt, oder Fredl Fesl. Den habe ich auf der Gitarre nachgespielt und mich schlappgelacht.

Wie haben Corona und die aktuellen Kriege die Comedy-Szene verändert?

Corona bedeutete Stillstand. Die Comedians mussten danach erstmal wieder neue Themen finden, um Stoff für ihre Programme zu bekommen. Der Krieg zwingt auch die Comedians zu reagieren. In der Ukraine existiert eine sehr lebendige Comedyszene, die übrigens Teile ihrer Einnahmen für Kriegsopfer spendet.

Wie interpretieren Sie die Redewendung „Humor ist, wenn man trotzdem lacht“?

Ist mir zu tragödisch. Habe ich nie so richtig verstanden. Man darf nicht nur „trotzdem“ lachen. Man soll immer lachen dürfen!

In welchem Verhältnis stehen Humor und Satire zur Moral?

Sie sind dazu da, gängige Moralvorstellungen zu hinterfragen. Aber sie können auch moralisch, politisch bilden. In den USA beziehen viele Menschen ihr gesellschaftliches Wissen aus den Late Night Shows. Was immer man davon halten mag.

Inwiefern beeinflusst die „PC-Knute“ Ihre Arbeit?

Ich finde, beide Seiten sollten den Ball mal ein bisschen flacher halten. Das Gejammer der Künstler, man dürfe nichts mehr sagen, kann ich nicht mehr hören. Wir leben in einem freien Land, man darf hier sehr viel sagen. Umgekehrt sind mir auch die Moralapostel häufig zu aufgeregt. Humor entsteht in Kontexten, die sich mit der Zeit verändern. Deshalb muss man bei der nachträglichen Bewertung von alten Gags und Sprüchen vorsichtig sein.

Die Liste Ihrer Produktionen ist lang. Haben Sie das alles wirklich selbst (mit-)erfunden?

Als Sat1 uns bei Brainpool den Auftrag für die Harald Schmidt-Show gab, wollten sie dazu eine lustige Comedy-Show im Programm haben. Daraus haben wir die „Wochenshow“ (1996−2002) entwickelt, aus der wiederum Formate wie „Pastewka“, „Ladykracher“ und „Stromberg“ hervorgingen. Die Kunst besteht nicht vorrangig darin, ein Format zu erfinden. Sondern darin, die richtigen Leute vor und hinter der Kamera dafür zu finden.

Wie erfährt man, ob ein Sketch lustig ist?

Indem man ihn vorspielt. Es liegt in der Natur des Witzes, dass einer ihn macht und einer drüber lacht. Über den eigenen Witz zu lachen, ist eine Sonderform. Aber auch dabei hat man jemanden verblüfft – eben sich selbst. So oder so gilt: Witzemachen ist Handwerk, das muss man lernen.

Wo verbirgt sich die harte, Arbeit bei der Comedy-Produktion?

Ich fand's nie unlustig, weil die Arbeit meine Leidenschaft ist. Ich habe das große Glück, mein Arbeitsleben immer vor und/oder mit lachenden Menschen zu verbringen.

Warum ist Bastian Pastewka so lustig?

Er ist unheimlich sympathisch und vertrauenswürdig. Wenn ich Bastian sehe, habe ich direkt ein gutes Gefühl. Dazu trägt ebenso seine Physiognomie bei wie seine Selbstironie. Wir erkennen unsere Schwächen in ihm. Für mich passt zu Bastian ein aussterbender Begriff: Er ist ein echter „Volksschauspieler“, der jede Schicht, jedes Alter, jede Region anspricht.

Drei Entweder-Oder-Fragen: Heinz Erhardt oder Loriot?

Loriot. Heinz Erhardt war wichtig nach dem Krieg. Er heiterte auf, stieß aber nirgendwo an und vermied kritische Themen. Loriot hingegen ist in seinem Wesen, seinem Humorschaffen als Autor, Zeichner und Darsteller viel komplexer.

Klimbim oder Monty Python?

Oh Gott, das kann ich nicht beantworten! Klimbim ist für mich die beste Comedyshow meiner Jugend, ohne Klimbim würden wir hier nicht sitzen. Und für Monty Python gilt dasselbe.

Ich selbst musste zuletzt bei LOL am meisten über Max Giermann und Teddy Teclebrhan lachen. Wie steht es mit denen?

Fangfrage. In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich eine Comedyform stark nach vorn geschoben: die Stand-up-Comedy. Das hat Gründe: Man kann sie gut vermarkten, leicht aufzeichnen und braucht dafür nur ein Mikrofon. Mit Sketchen ist es viel schwieriger. Max und Teddy liebe ich, weil sie mit ihrem gesamten Körper arbeiten, mit Gestik, Mimik und Sprache. Und sie sind vor allem herrlich albern.

Sie sind Mitgründer und Bassist der Band „Fred Kellner & Die Famosen Soulsisters“, in der auch lange Anke Engelke mitwirkte. Warum Soul?

Wegen meiner Sozialisation. Meine Eltern hatten eine Kneipe, die zugleich Restaurant und Diskothek war – die erste in Koblenz übrigens. Wir wohnten da drüber, und ich hörte beim Einschlafen die Musik von unten. Das war damals, in den 70ern, vor allem Soul, wie der von James Brown. Und am besten hörte man den Bass, wenn man im Bett lag, auch das ist geblieben.

Sie haben die Comedytruppe Die Niegelungen unter anderem zusammen mit Knacki Deuser in Ihrer Heimatstadt Koblenz gegründet. Warum wechselten Sie nach Köln?

Nach ein, zwei Jahren merkten wir, dass wir mehr Impulse brauchten. Wir wollten so viel lernen, aber in Koblenz fehlten uns die Möglichkeiten. Also sind wir nach Köln, wo der WDR 1984 das „Sprungbrett-Theater“ eröffnet hatte. Da wollte ich dann unbedingt mal auftreten.

Finden Sie Köln lustig oder eher traurig?

Der Humor wird hier als stadtprägendes Element hochgehalten. Dadurch sind die Zuschauer generell offener. Und deshalb leben hier auch so viele Comedians wie wahrscheinlich nirgendwo sonst in Deutschland.

Am 13. Oktober veranstalten wir in Poldis Straßenkicker-Base in Mülheim ein Fußball-Turnier mit sechs Mannschaften. Es gibt Live-Auftritte der teilnehmenden Comedians, und der Eintritt ist frei.