Kölner Bürger kritisieren „vertane Chance“Aus für ersehnte Umgehungsstraße in Porz
- Der Online-Versandriese Amazon lässt in Spich auf 12.000 Quadratmetern ein Zentrallager bauen.
- Der Porz-Zündorfer Bürgerverein hält die Anbindung des neuen Gewerbegebiets für rücksichtslos.
- Das Gelände galt lange als eine Option, den Porzer Süden vom enormen Pendlerverkehrs aus dem Rhein-Sieg-Kreis zu entlasten.
Porz – Eine vertane Chance zur Entzerrung des Pendlerverkehrs aus dem Rhein-Sieg-Kreis in Richtung Köln kritisiert Reiner Lindlahr, der im Vorstand des Zündorfer Bürgervereins viele Jahre an Ideen zur Lösung der immensen Verkehrsprobleme mitgearbeitet hat. Er nimmt Bezug auf eine Straßenbaumaßnahme an der Frankfurter Straße, die – wie sich jetzt herausgestellt habe – nicht der notwendigen Verkehrsentlastung, sondern rein wirtschaftlichen Interessen diene.
Lange ungenutztes Tunnelbauwerk
„Der Online-Versandriese Amazon lässt auf dem Gelände des bisherigen Krötensees ein neues Zentrallager bauen. Dafür spielen Umwelt- und Artenschutzgründe offenbar keine Rolle“, sagt Lindlahr. Mit genau dem Hinweis auf schützenswerte Natur seien aber stets alle Versuche abgeschmettert worden, durch die schon vorhandene Bahnunterführung eine Verlängerung der Niederkasseler Umgehungsstraße zu führen.
Gleich hinter der Grenze zwischen Lind und Spich, wo die Bahnstrecke parallel zur Frankfurter Straße B8 verläuft, liegt ein Tunnelbauwerk, das viele Jahre nicht genutzt wurde. Jetzt ist die Bahnunterführung für Fahrzeuge erschlossen und führt zu einem neu gebauten, tiefergelegten Kreisverkehr an der Einmündung der Belgischen Allee in die Frankfurter Straße. Auf der südlichen Seite der Bahnunterführung, jetzt bequem zu durchfahren, entsteht ein neues Amazon-Zentrallagermit einer Logistikfläche von 12.000 Quadratmetern. Dafür wurde ein neues Gewerbegelände geschaffen.
Refugium für seltene Tierarten
Lindlahr sagt: „Ursprünglich gehörte die Fläche zu den Spicher Seen. Hier lag der Krötenweiher. Trotz der Bedeutung für Umwelt und Artenvielfalt wurde dieser See in den vergangenen zwei Jahren verfüllt und planiert.“ Dabei sei auf der Website der Stadt Troisdorf noch zu lesen: „Schilfsee, Spicher See (auch Grüner See), Schwalbensee und der Krötenweiher liegen auf Troisdorfer Stadtgebiet. Die Seen im Troisdorfer Stadtgebiet sind als Biotopverbundflächen mit herausragender Bedeutung ausgewiesen.“Das 33 Hektar große Areal der Spicher Seen liegt teils auf Kölner, teils auf Troisdorfer Gebiet. Wo in den 1950er Jahren Kies gewonnen wurde, sind Baggerseen mit Namen wie Molchweiher, Storchensee und Krötenweiher in den Folgejahrzehnten zum Refugium seltener Tierarten wie Kreuzkröte, Wachtel und Rebhuhn geworden.
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Deshalb hat die Stadt Köln auch bereits vor 14 Jahren Begehrlichkeiten zurückgewiesen, die Seen teilweise planieren und in Gewerbeflächen umwidmen zu lassen.
Im Rhein-Sieg-Kreis hingegen gab es 2010 im Streit zwischen Gewerbenutzen und Naturschutz einen Kompromiss: Der 35 000 Quadratmeter große Storchensee und der Molchweiher sollten demnach erhalten bleiben, laut Beschluss konnte der Krötenweiher allerdings zugekippt werden. Hauptargument war damals, dass im Damm zwischen Storchensee und Krötenweiher eine NATO-Pipeline verläuft, für deren Sicherheit die Böschungen verstärkt werden mussten. Dabei sei der knapp einen Hektar große Krötenweiher so verkleinert worden, „dass es sehr schwierig geworden wäre, dort ein lebensfähiges Gewässer auf Dauer zu erhalten“, hieß es seitens des Kreis-Umweltamtes. Der Weiher wurde zur Verfüllung und späterer Gewerbenutzung freigegeben.
Tägliches Verkehrschaos in Zündorf und Langel
Lindlahr erinnert an die über viele Jahre laufenden und frustrierenden Bemühungen auch seitens des Zündorfer Bürgervereins, den Verkehr aus dem Rhein-Sieg-Kreis nicht länger über Zündorf/Langel nach Köln zu führen. Ein Vorschlag war, die Autofahrer über eine auszubauende Trasse entlang der Spicher Seen von der Niederkasseler Umgehungsstraße und durch die Unterführung zur Frankfurter Straße zu lenken. Mit Hinweis auf Biotope voller Leben seien solche Wünsche abgelehnt worden. Lindlahr kritisiert, dass die zwei Jahre währende Straßenbaumaßnahme an der Frankfurter Straße – aus Steuermitteln finanziert – für die Ansiedlung eines Unternehmens wie Amazon samt des damit verbundenen enormen Lieferverkehrs möglich sei. Dabei zahle Amazon in Deutschland kaum Steuern.
Endlose Verkehrsströme
Hingegen bleibe „die Nutzung des teuren Tunnelbauwerks für eine Verkehrsentlastung der Menschen in der Region leider auf der Strecke“, bedauert er. Damit werde Politikverdrossenheit geschürt. Was sich an Berufsverkehr morgens und abends durch die Nadelöhre Langel, Zündorf und weitere Porzer Ortsteile quäle, sei zu einem großen Teil Verkehr aus dem Rhein-Sieg-Kreis. „Die Pendlerzahlen wachsen stetig, auch weil der Rhein-Sieg-Kreis neue Baugebiete ausgewiesen hat“, sagt Lindlahr. Für viele dieser Autofahrer brächte eine Verlängerung der Ortsumgehung Niederkassel (L274) eine täglich spürbare Verbesserung, ist er überzeugt.Die Stadt Troisdorf verweist hingegen auf durchaus bestehende Pläne zur besseren Verkehrsanbindung für Pendler, die unter Umständen auch im Bereich der Spicher Seen liegen könnte. Pressesprecherin Bettina Plugge sagt: „Wir warten auf eine Entscheidung zwischen den derzeit noch vier denkbaren Varianten für die Anbindung der künftigen Autobahnquerspange.“ Wenn die rechtsrheinische Autobahn A 555 und die Flughafenautobahn A59 mittels einer Rheinquerung verbunden werden sollen, seien Anschlussvarianten beispielsweise bei Lind, aber eben auch im Bereich der Spicher Seen denkbar.
Zu den Varianten laufen derzeit Planungsdialoge des Landesbetriebs Straßen NRW, bringt Plugge in Erinnerung. „Wir warten auf den Abschluss der Planungswerkstatt Ende des Jahres“, sagt die Pressesprecherin. Von der Festlegung auf die Rheinspangen-Linienführung hingen die weiteren Planungen auch im Bereich Troisdorf ab.