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NS-DOK in KölnNeue Ausstellung über Kritik im Nationalsozialismus

Lesezeit 4 Minuten

Die Ausstellung im NS-DOK thematisiert verschiedenen Formen von Kritik im Nationalsozialismus.

Im NS-Dokumentationszentrum thematisiert eine neue Ausstellung, wie das Regime auf Kritik reagierte. Es geht nicht um Personen, sondern um Formen der Kritik. Die Ausstellung ist bis Februar 2025 zu sehen.

Über Kritiker des Nationalsozialsozialismus wird viel gesprochen. In der Gesellschaft hat sich ein Bild vom Widerstand etabliert, ein Bild von Personen, die gegen das Regime gekämpft haben und nicht selten dabei ihr Leben ließen. Wie das Regime überhaupt mit Kritik umgegangen ist und was erlaubt war, ist bislang selten Thema gewesen. Genau darum geht es jetzt in der neuen Ausstellung des NS-Dokumentationszentrums (NS-DOK) am Kölner Appellhofplatz. Am Donnerstag wird sie eröffnet. Das Team rund um den Projektleiter Dr. Jan Neubauer hat dafür über mehrere Jahre Akten und weiteres Archivmaterial durchgearbeitet.

Ausstellung im NS-Dok: Vier Formen der Kritik

Betritt man den Ausstellungsraum, ist man zunächst umgeben von Plexiglasscheiben. Die Ausstellung ist in zwei Bereiche unterteilt. Der erste Teil widmet sich den verschiedenen Kritikformen. Er zeigt, wie das NS-Regime mit Kritik und Meckerei im Nationalsozialismus umgegangen ist. „Wir wollen nicht die etablierten Bilder von Widerstand und Kritik reproduzieren, sondern Überzeugungen und Haltungen hinterfragen“, sagt Dr. Annemone Christians-Bernsee, stellvertretende Direktorin des NS-DOK. Die Ausstellungsmacher haben vier Formen der Kritik im NS-Staat ausgemacht: Widerspruch unterdrücken, Meckerei steuern, Sagbares bestimmen und Unmut begegnen. Bunte Scheiben trennen sie in der Ausstellung räumlich voneinander. Ergänzt werden sie mit Infotafeln und Fallakten.

Dr. Jan Neubauer, Dr. Henning Borggräfe, Dr. Annemone Christians-Bernsee (v.l.n.r.) in der Ausstellung im NS-DOK

Dr. Jan Neubauer, Dr. Henning Borggräfe, Dr. Annemone Christians-Bernsee (v.l.n.r.) in der Ausstellung im NS-DOK

In der Ausstellung liegen 60 Fallakten aus, in denen Besucherinnen und Besucher wie Historiker blättern können. Sie wurden eigens für die Ausstellung gedruckt und enthalten Briefe, Fotos oder Verwaltungsunterlagen aus verschiedenen Quellen. Darin werden aber nicht die Biografien von Personen dargestellt, sondern vielmehr die Vorgänge, nachdem sie mutmaßlich Kritik am Nationalsozialismus geäußert haben. Die Fallakten sind der zentrale Kern der Ausstellung und den bereits genannten vier Formen von Kritik zugeordnet. Für ein besseres Verständnis haben die verantwortlichen Historikerinnen und Historiker die Mappen kuratiert und leiten die Lesenden so durch die Fälle. Um die Orte des Geschehens zu verdeutlichen, ist neben den Mappen ein Stadtplan Kölns aus den dreißiger Jahren angebracht.

NS-Dok in Köln: Karnevalist Karl Küpper als Fallbeispiel

So können Besucherinnen und Besucher etwa mehr über Fälle der Kritikform „Sagbares bestimmen“ erfahren. Die Form ist nicht klar definiert und musste immer wieder ausgehandelt werden. Die Fälle fanden überwiegend im öffentlichen Raum statt. Das verdeutlicht der Fall des Karnevalisten und Büttenredners Karl Küpper. Er hat das Regime über mehrere Jahre auf der Bühne verhöhnt und kritisiert. Erst 1939 erteilte man ihm ein Redeverbot, welches nach einem absolvierten Wehrdienst aber wieder aufgehoben wurde.

Die Kritikform „Widerspruch unterdrücken“ geht dann doch mehr in Richtung Widerstand. Fällen aus diesem Bereich begegnete das Regime mit harten Strafen. In der Ausstellung kann man dazu mehr über ein Kommunistisches Netzwerk erfahren, das sich immer wieder neu organisieren und Verbote umgehen konnte. Trotz massiver Verfolgung hatte das Netzwerk 1936 rund 150 Mitglieder. Dessen Vorsteher Otto Kropp wurde dann aber ein Jahr später verhaftet und zum Tode verurteilt.

Entwicklung des Widerstandes

In einem zweiten Teil der Ausstellung können Besucherinnen und Besucher mehr über den Begriff des Widerstandes ab 1944 lernen. An einem Zeitstrahl lässt sich die Entwicklung des Begriffes über die Jahrzehnte hinweg ablesen. „Widerstand ist ein Begriff der Erinnerungskultur“, erklärt Dr. Henning Borggräfe, Direktor des NS-DOK. In der NS-Zeit war er nicht gängig und kam erst nach Kriegsende auf. Britische Medien berichteten erstmals von „resistance movement“ (dt. Widerstandsbewegung) in den besetzten Gebieten. Während der Entnazifizierung wollten sich zahlreiche Personen und Gruppen dann mit diesem Begriff in ein gutes Licht stellen.

Bei der Frage nach dem Gegenwartsbezug der Ausstellung verweist Projektleiter Neubauer auf die jüngsten Wahlergebnisse. Die Ausstellung liefert Einblicke in die deutsche Gesellschaft, von der sich nur wenige dem Regime widersetzt haben. So weit dürfe es nie wieder kommen. Außerdem fügt der Historiker hinzu: „Alle Menschen, die meinen, sie lebten in einer Meinungsdiktatur, sollen sich die Ausstellung hier angucken.“ Dann würden sie sehen, was das wirklich bedeutet.

Die Ausstellung wird am Donnerstag, 12. September, im NS-Dokumentationszentrum am Appellhofplatz eröffnet und bis zum 16. Februar zu sehen sein. In der Zeit gibt es regelmäßig Führungen und Begleitveranstaltungen, u. a. ein Podiumsgespräch zu Massenmedien, ein Vortrag zu Gestapogewalt und eine Konferenz zur Widerstandsforschung 80 Jahre nach Kriegsende.

Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 10-18 Uhr, Samstag und Sonntag 11-18 Uhr.

Eintritt: 4,50 Euro/ ermäßigt 2 Euro, kostenfrei am ersten Donnerstag des Monats.