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Glukose-Fall in KölnAussage unter Tränen - „Sofort gemerkt, dass etwas nicht stimmt“

Lesezeit 3 Minuten
Blick auf die Gerichtsbank: In mehreren Ordnern sind die Vorgänge rund um den Glukose-Fall zusammengefasst.

Blick auf die Gerichtsbank: In mehreren Ordnern sind die Vorgänge rund um den Glukose-Fall zusammengefasst.

Die Schwangere hatte das gleiche Mittel genommen wie die Frau, die kurze Zeit später daran starb.

Hätte der Tod einer Schwangeren und ihres per Notkaiserschnitt zur Welt geholten Kindes im Herbst 2019 verhindert werden können? Am 19. September 2019 hatte die 28-Jährige einen Test auf Schwangerschaftsdiabetes bei ihrem Gynäkologen gemacht. Anschließend war sie kollabiert und Stunden später verstorben. Der Grund: Die für den Test verwendete Glukose-Lösung aus der Heilig Geist Apotheke in Longerich war mit dem Betäubungsmittel Lidocainhydrochlorid verunreinigt. Eine Zeugin (31) im Prozess wegen versuchten Mordes gegen die geschäftsführende Apothekerin (52) zeigte sich davon jedenfalls überzeugt — wenn man ihr nur geglaubt hätte.

Die Frau berichtete am Donnerstag vor dem Landgericht, dass sie zwei Tage vor dem Tod der damals 28-Jährigen und ihres Kindes ebenfalls einen Test auf Schwangerschaftsdiabetes bei ihrem Gynäkologen machen sollte. Sie habe den Test jedoch abgebrochen, weil die Mischung ungewöhnlich bitter geschmeckt habe. „Ich habe einen Schluck genommen und sofort gemerkt, dass etwas nicht stimmt“, sagte die Zeugin. Von einer vorangegangenen Schwangerschaft, erinnerte sich die 31-Jährige, dass die Glukose-Lösung „unangenehm süß“ schmeckt. Die Arzthelferin habe sie dazu bewegen wollen, die restliche Lösung zu trinken, doch die Frau weigerte sich, zum Glück für sie und ihr Ungeborenes.

Frau hatte Ärztin wiederholt gewarnt

Wenige Minuten später habe sie ein Taubheitsgefühl auf der Zunge wahrgenommen, dann habe sie keine Luft mehr bekommen und einen epileptischen Anfall erlitten. „Das Ungeborene in meinem Bauch hat wild getobt“, erinnerte sich die Frau, die während ihrer Aussage zeitweise mit den Tränen kämpfte. Sie habe auch wiederholt gewarnt, man solle das Mittel keiner weiteren Patientin verabreichen. „Aber ich wurde nur belächelt“, sagte die Frau. „Ich bin nicht blöd. Ich hatte in der Schule Chemie-Leistungskurs. Zuckerlösungen müssen süß schmecken“, sagte die Zeugin weiter. Die Ärzte hätten ihr aber „verklickern wollen“, dass sie gestresst sei.

Der Ehemann (33) bestätigte die Aussagen seiner Frau. Wiederholt habe sie darauf aufmerksam gemacht, dass mit der Glukose-Lösung etwas nicht stimmen könne, etwas drin sei, was nicht reingehört. Das habe er auch der Apotheke mitteilen wollen. „Ich bin da rein, wurde aber raus geschimpft.“

Aussage von Reanimationsexperten

Zwei Tage später — also jenem Tag, an dem die 28-Jährige und ihr Kind starben — hatte die 31-Jährige dann aber einen Anruf von der Kripo bekommen. Ihr sei gesagt worden: „Sie hatten recht, der Zucker war mit Lidocain vermischt.“ Sowohl die Frau, als auch der Mann zeigten sich vor allem froh, dass die Vergiftung keine Folgen für ihr Kind hatte. Die 31-Jährige sagte: „Ich war einfach nur froh, dass der Kleine gesund geboren wurde.“ Folgeschäden seien nicht festgestellt worden, sie selbst habe die Sache recht erfolgreich verdrängt.

Ein nach dem Ehepaar vernommener Notarzt (55) war am 19. September 2019 im Dienst bei der Feuerwehr. Er sei vom Krankenhaus in Longerich als Reanimationsexperte für das spätere Opfer angefordert worden. Der Notarzt sagte: „Wenn wir gewusst hätten, dass eine Lidocain-Intoxikation vorgelegen hätte, dann hätte man spezielles Verfahren zur Rettung einleiten können.“ Man hätte dann eine Fettlösung verabreicht. Ob die 28-Jährige und ihr Kind überlebt hätten, da wollte sich der Zeuge nicht festlegen.