In einer neuen Ausstellung im Rautenstrauch-Joest-Museum bekommen Weberinnen die Möglichkeit, ihre Teppiche selbst kreativ zu gestalten und damit Geschichten zu erzählen. Etwas, das ihnen sonst verwehrt bleibt.
Neue Ausstellung in KölnHier erzählen Teppich-Weberinnen ihre Geschichte
Haben Sie sich schonmal Gedanken darüber gemacht, wer den Teppich gewebt hat, über den Sie laufen? Das ist eine der Fragen, die am Anfang der Ausstellung „We are not Carpets - Ich erzähle dir meine Geschichte“ stehen. Seit Donnerstag ist die Ausstellung im Rautenstrauch-Joest-Museum zu sehen. Ausgestellt sind Teppiche, die wie Kunstwerke daherkommen. Sie erzählen Geschichten, zeigen Tiere oder Menschen und enthalten bunte Farben. Gewebt haben sie Frauen, die sonst nie über ihre Arbeit bestimmen dürfen. Eine Weberin sagt über ihre Teilnahme an der Ausstellung: „Ich habe als eine Maschine begonnen und während des Projektes habe ich angefangen, meinen Körper zu fühlen.“
Ausstellung wissenschaftlich begleitet
Die Ausstellung ist ein Langzeitprojekt, welches die Universität Köln und Universität Gent wissenschaftlich begleiten. Ziel der Ausstellung ist es, die persönlichen und sonst verborgenen Geschichten der Weberinnen zu erzählen. „Das ist auch eine Geschichte von Kolonialismus, Gewalt und Ausbeutung“, erklärt Simone Pfeifer, die zu Medienanthropologie an der Universität zu Köln forscht und Mitkuratorin der Ausstellung ist. Die Ausstellung ist nun das Ergebnis einer gemeinschaftlichen Arbeit mit den Weberinnen. Es sei ein langer Weg bis zur Ausstellungseröffnung gewesen, der sich aber gelohnt habe.
Seit Jahrhunderten sehen Auftraggebende, so das Museum, die Weberinnen als anonyme Arbeiterinnen. Kreativität spiele bei ihrer Arbeit keine Rolle, sie arbeiteten Aufträge wie Maschinen ab. Nach knapp zwei Jahren Suche hatte das kuratorische Team der Ausstellung erste Weberinnen gefunden, überwiegend aus dem Iran. Die Suche gestaltete sich jedoch nicht nur wegen der Kontaktaufnahme schwierig. Einige Frauen hatten bei einer Teilnahme Angst, ihren Job zu verlieren oder Ärger mit ihren Familien zu bekommen. „Es ist gängig geworden, dass Weberinnen nicht denken sollen“, sagt Kurator Arjang Omrani. Am Ende sind knapp zehn Frauen Teil des Projektes geworden.
Unterdrückung bei der Arbeit
Betritt man die Ausstellung sieht man zunächst gemusterte, rote Teppiche, die im Volksmund als „Perserteppiche“ bekannt sind. Bereits hier sprechen Frauen über ihre Arbeit, die sie zu Sklavinnen mache. Häufig müssten sie Geld für ihre Familien ranschaffen, da sie ohne das hart verdiente und niedrige Einkommen nicht überleben würden. Die Arbeit verschaffe den Frauen also keine Unabhängigkeit, sondern unterdrücke sie immer weiter. Meist werde das Geld dann auch nach den Wünschen ihrer Männer ausgegeben.
Das Herz der Ausstellung sind die Teppiche der Weberinnen, mit denen sie ihre persönlichen Lebensgeschichten erzählen. Sie haben sich selber Gedanken gemacht, wie sie einen Teppich gestalten möchten. Die Herstellung hat mehrere Monate gedauert. Eine Weberin hat in ihrem Werk die Unterdrückung durch ihren Onkel thematisiert. Zum ersten Mal hatte sie selbst in der Hand, wo sie sich positionieren kann. Auf dem Teppich hat sie sich mit ihrer Mutter und den Geschwistern dargestellt. Ihr Onkel ist neben ihnen im Gefängnis zu sehen. „In dem Teppich habe ich die Macht“, kommentierte die Frau ihr Werk.
Videos und Audios geben private Einblicke
Ergänzt werden die Teppiche von Video- und Audioaufnahmen, in denen die Weberinnen über sich sprechen. Die Videos zeigen die Frauen auch zu Hause mit ihren Kindern, es sind private Einblicke. Eine von ihnen berichtet, wie das Projekt sie verändert hat. Sie sei in der Zeit reflektierter und ruhiger geworden. „Ich habe Fehler zugelassen, die ich zuvor versucht habe zu vermeiden“, berichtet sie.
Außerdem sind die Weberinnen während der Zeit auch noch in anderen Bereichen kreativ geworden. Einige haben angefangen Tagebuch oder Gedichte zu schreiben. Auszüge davon liegen auch in der Ausstellung aus. Ebenfalls zu sehen sind die Skizzen, die einige Weberinnen für ihre Teppiche erstellt haben, was sie ansonsten nie machen. „Normalerweise kommen die Zeichnungen immer von den Designern. Kreativität gibt es in dem Prozess nicht“, stellt Kurator Omrani fest.
Die Ausstellungsstücke gehören den Weberinnen. Sie können käuflich erworben werden. 60 Prozent der Erlöse gehen direkt an die Weberinnen. Sie wurden auch bereits für die Herstellung der Kunst-Teppiche bezahlt, zu einem deutlich höheren als dem üblichen Preis. Das war den Kuratoren wichtig. Einige Weberinnen werden in den kommenden Wochen nach Köln kommen und Workshops zur Ausstellung anbieten. Sie ist noch bis zum 5. Januar 2025 im Rautenstrauch-Joest-Museum zu sehen.