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Nach Corona-PauseKölns größter Verein startet endlich wieder das Training

Lesezeit 4 Minuten
Trainig Verein Köln

Mitglieder des Sportverein MTV Mülheim beim Training

Köln – Auch in den frühen Abendstunden zeigt das Thermometer weit über 20 Grad. Das bräunlich-rote Backstein-Gebäude am Herler Ring in Buchheim verstärkt den warmen Eindruck noch. Es wird endlich wieder geschwitzt. Ringsum das altehrwürdige Sportzentrum beim MTV Köln befeuern fröhlich wummernde Bässe aus Bluetooth-Boxen das Sommergefühl. Und dazwischen sind sie eindeutig zu hören. Stimmen von sporttreibenden Kindern: Sie schreien, lachen oder meckern auch mal miteinander.

„Man merkt schon, dass die Kinder das gebraucht haben“

„Am meisten Spaß macht das Slalomlaufen“, sagt die sechsjährige Johanna. Das Mädchen ist mit ihrer Zwillingsschwester Klara aus Mülheim zum Tennisspielen gekommen. Zusammen mit zehn anderen Jungs und Mädels tippeln sie durch Hütchen-Parcours, balancieren die gelbe Filzkugel auf ihrem Schläger und schlagen sie gekonnt über das große Netz. Trainer Michel Keldenich bringt den Grundschülern die Sportart spielerisch bei. Als er die Gruppe gegen Ende der Übungsstunde mit dem großen Wasserschlauch „abduscht“, gibt es für Johanna und Co. kein Halten mehr. „Das macht einfach Spaß“, stellt die Tochter von Daniel Basting klar, „ich spiele gerne mit meiner Schwester und meinen Freunden.“

Papa Basting sitzt unweit vom Sandplatz mit anderen Vätern im Schatten und beobachtet das bunte Treiben. „Man merkt schon, dass sie das gebraucht haben“, ist hier der Tenor. Alle sind froh, dass die rückläufigen Inzidenzzahlen die Zahl der erlaubten Teilnehmer steigen lässt. Im Mai durfte Sport nur zu fünft, Anfang Juni dann zu zehnt und nun theoretisch mit bis zu 25 Teilnehmern ausgeübt werden. Letzten Herbst hatten sich die Kinder noch beim Judo, Schwimmen, Ballett und natürlich mit Fußball ausprobiert. Dann kam der November-Lockdown und die Phase des Ausprobierens war vorbei. „Dabei ist das gerade in dieser Altersklasse wichtig“, findet Vater Basting. Nun war Tennis die erste Sportart, die in Kleinstgruppen wieder möglich war. „Der Verein hat das auch beworben und wir waren froh, dass es endlich weitergehen kann.“

Kölns größter Breitensportverein

Auf dem Gelände des größten Kölner Breitensportvereins ist aber noch mehr los. Der MTV hat insgesamt 16 Abteilungen von Volleyball über Leichtathletik bis hin zum Behindertensport. Neben den Tennisplätzen wärmt sich eine Gruppe junger Handballer auf. Zudem prellen ein paar Mädels beim „Outdoor-Sport“ mit Bällen durch Reifen. Eine Hand voll Kunstturn-Talenten vollführt akrobatische Sprünge. „Das ist nicht das Gleiche wie zuhause vor einem Stream“, atmet auch Hüseyin Capar auf. Seine zehnjährige Tochter Hiway ist schon seit fünf Jahren dabei und nutzte auch in der düstersten Phase der Pandemie das Online-Angebot des MTV. „Da hat bei uns zuhause aber das Material gefehlt, es war wenig Platz in der Wohnung und die Nachbarn von untendrunter haben sich beschwert“, berichtet er. Weil der Mülheimer Verein seine 5200 Mitglieder mit Videos über den eigenen Youtube-Kanal im ersten Lockdown und nach einem fast normalen Sommer 2020 dann mit Online-Training per Stream bei der Stange hielt, blieben die Capars bei der Stange. „Wir wussten, dass Corona irgendwann vorbei und Sport wichtig für die Entwicklung ist“, sagt der Familienvater.

Jugendsportgruppe Verein Köln

Mitglieder des Sportverein MTV Mülheim beim Training

So wie er, wollten oder konnten es aber nicht alle machen. „Aus finanziellen Gründen oder auch weil die Motivation abhanden kam, sind uns seit letztem Jahr 800 Mitglieder weggebrochen“, erklärt Jan Tekath. Der Mitarbeiter der Geschäftsstelle weiß, dass dies etwa 15 Prozent ausmacht, für einen derartigen Verein aber zu verkraften ist. Eine Studie der Sporthochschule Köln zeigte jüngst, dass von 88 000 Sportvereinen in Deutschland viele existenziell bedroht sind. Dort ist die Rede von einem 41,3-prozentigen Mitgliederschwund und dem Rückgang der Ehrenamtlichkeit um 34,9 Prozent.

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Wenn es nach Outdoor-Sport-Trainerin Denise Joraschkewitz geht, kann es auch über den Sommer hinaus „möglichst normal weitergehen“. „Aus meiner Online-Gruppe ist von zehn Teilnehmern noch einer übrig“, berichtet die 28-Jährige. „Die Leute haben einfach keine Lust mehr auf diese Art von Sport. Sie kommen viel lieber zum Freiluft-Training, egal ob es schlechtes Wetter ist und regnet.“ Nachdem die Übungsleiterin in den kalten Monaten selbst eine Motivationsspritze gebraucht hätte, ist sie nun wieder Feuer und Flamme: „Jetzt kann ich meine Teilnehmer wieder anleiten und sie auch besser anfeuern.“ Auch wenn die Solidarität der Mitglieder nicht unendlich sein konnte und Finanz-Hilfen oft zu kurz griffen, gibt es im Amateur- und Breitensport also doch wieder Hoffnung für die Vereine.