50 Sitzungen spielen die„ Stunker“ bis Karnevalsdienstag. Einer der Höhepunkte ist die Neuauflage eines Sketchs aus dem Jahr 2000.
40-jähriges BestehenSo lief die umjubelte Premiere der Stunksitzung im E-Werk
Das Geheimnis ist gelüftet. Die Erklärung, warum in der Kölner Stadtverwaltung manchmal alles so läuft, wie es nun mal läuft. Ein innovatives Kölner Startup ist schuld. Im WDR-Hightech-Computer-Magazin „Diskette“ präsentiert es seine neueste Erfindung: Künstliche Doofheit. Ein Chip, der nichts kann und nichts weiß, und den das junge Unternehmen in der Verwaltung einprogrammiert hat. So ist endlich klar, warum an den maroden Brücken nur noch an Brückentagen gearbeitet wird und warum es in der Kölner Oper Leitungen gibt, die als Stromleitungen anfangen und als Wasserleitungen enden. „Dank unserer Software wird jedes Bauprojekt der Stadt megateuer und potthässlich“, erklärt Erfinder Stiefie Schopps.
Vorhang auf für eine neue Spielzeit der Stunksitzung. 1984 gründeten Kölner Studenten die alternative Karnevalssitzung, die zunächst in der Kölner „Studiobühne“ beheimatet war. Mittlerweile findet die Sitzung im Mülheimer E-Werk statt. Am Mittwoch feierten die „Stunker“ dort Premiere zum 40-jährigen Bestehen. Klar, dass zum umjubelten runden Geburtstag auch die Welt-Prominenz mit („garantiert nicht gefälschten“) Grußbotschaften gratuliert: „Seit der ersten Stunksitzung bin ich jedes Jahr dabei gewesen. Am 3. Februar 2016 habe ich dann auch das erste Mal gelacht“, sagt Olaf Scholz gewohnt euphorisiert. Auch Barack Obama zollt in Anlehnung an John F. Kennedy („I am a Berliner“) und Bill Clinton („I am a Kölsch“) seinen Respekt: „I am a Stunker.“
Eine traurige Nachricht ereilte die Stunksitzung im Mai, als das langjährige Ensemble-Mitglied Hans Kieseier verstarb. Kieseier stieß 1987 erstmals zum Ensemble und wirkte später auch als Regisseur mit. Mit einem Zusammenschnitt aus Höhepunkten seiner „Stunker“-Karriere verabschieden seine Kolleginnen und Kollegen ihn noch einmal vor großem Publikum.
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Stunksitzung: Neuauflage der Schnelldurchlauf-Sitzung aus dem Jahr 2000
Zu den Höhepunkten des 40. Stunker-Jahres zählt die Neuauflage einer Nummer, die bereits im Jahr 2000 auf der Bühne zu sehen war. „Wer schon mal auf einer traditionellen Karnevalssitzung war, der weiß: Das dauert Stunden um Stunden. So viel Zeit hat doch keiner“, sagt Sitzungspräsidentin Biggi Wanninger. Also bringt das gesamte Ensemble innerhalb von sechs Minuten eine Sitzung auf die Bühne - mit allem, was dazu gehört. Die Roten und Blauen Funken sprinten beim Aufmarsch durch den Saal, Sitzungspräsident Volker Weininger leert während seines zehnsekündigen Auftritts zwei Kölsch. Auch Marita Köllner, „Blötschkopp“ Marc Metzger, Brings, Kasalla (mit zwei Zugaben) und das Dreigestirn treten auf. Die Rede des Prinzen sitzt auf den Punkt: „Sprachlos, einmaliges Gefühl, super Publikum, Alaaf“.
Auch ein Abstecher ins Hänneschen-Theater ist wieder Teil des Programms. In Knollendorf, nun Knollen Village ist das Matriarchat ausgebrochen. Bärbelche wird zu Barbische und alle Bewohnerin können werden, was sie schon immer sein wollten: Astronauten-Barbische, Kardinäle-Barbische, Präsidentin-Barbie. Hännesche wird zu Kennesje und ist froh, dass die Frauen nun an der Macht sind. „Ich kann ja sonst nichts. Ich kann nur Beach“, sagt Kennesje und begleitet seine Angebetete zum Strandtag am Escher See. Am Ende muss aber auch Barbische einsehen, dass das Barbie-Leben nichts für sie ist.„ Ich will keine Plastikfigur sein, ich bin aus Holz“, findet sie. „Und ich habe auch keinen Bock mehr auf die Barbie-Figur 90-60-90. Ich habe die Traummaße 90-90-90.“
Fachkräftemangel: Baggerfahrer muss drei Tage in die Eistonne
Ansonsten toben sich die „Stunker“ wie gewohnt auf lokalen, nationalen und internationalen Schauplätzen aus. Und stellen sich unter anderem die Frage, wie der Kampf um Fachkräfte aussehen würde, wenn er ablaufen würde wie auf dem Transfermarkt der Fußball-Welt. Baggerfahrer Mike Klötzken wird nach seinem Wechsel zu einem anderen Bauunternehmen zugeschaltet und erklärt, er müsse sich nach dem aufreibenden Transfer-Theater erst einmal drei Tage lang in die Eistonne legen.
Giovanni „Ich habe fertig“ Trapattoni zieht über die Politik der Ampel-Regierung her („Was erlauben Scholz?“), Laufsteg- und Let’s-Dance-Legende Jorge Gonzáles arbeitet mit den etwas eingerosteten Roten Funken zu Walzer- und Tango-Klängen an neuen Tänzen, muss aber feststellen, dass viel mehr als Stippeföttche nicht möglich ist. Eine Hommage an das Colonia Duett liefern Anne Rixmann und Biggi Wanninger als Hans-Süper- und Hans-Zimmermann-Verschnitt, die als Seufzer Duett über die Probleme des Alters klagen.
Biggi Wanninger als grandioser Büttenredner Stivvels Jupp
Auch als Büttenredner Stivvels Jupp, der mit seinen eigenen Notizen überhaupt nicht klarkommt, liefert Wanninger eine grandiose Darbietung und ein klares Statement gegen die AfD. „Das Motto für die nächste Session lautet: Alle Rassisten sind Arschlöcher und kein Jeck ist illegal.“ Zum Mitmachen lädt die Karnevals-Yoga-Expertin Pyrytha Prathya Pripro Petra ein, um die Hopfen-Durchlässigkeit zu aktivieren – inklusive wertvoller Posen wie dem herabreihernden Funken.
Nach rund dreieinhalb umjubelten Stunden dreht sich zum Abschluss noch einmal alles um die immer noch nicht wiedereröffnete Kölner Oper. Die Musiker von Köbes Underground, die den Abend wie immer als spielfreudige bis virtuose Hausband begleiten, stellen sich vor, dass auf der Generalprobe noch an allen Ecken und enden gewerkelt wird. Statt die Proben zu stören, steigen die Handwerker einfach mit in die klassischen Töne ein. Sie musizieren mit Wasserrohren, Schraubenziehern und einem Presslufthammer. Schöne Aussichten, wann auch immer es so weit sein wird.
50 Sitzungen spielen die „Stunker“ bis Karnevalsdienstag. Rund 60.000 Karten sind bereits verkauft, viele Abende sind ausverkauft. Im Dezember gibt es noch wenige Restkarten.