Rassismus-Erfahrung sind an einer Schule Alltag - in Mülheim wurden Konzepte für ein Miteinander diskutiert.
Anti-Rassismus-TagWie Schüler und Lehrer in Köln-Mülheim Haltung zeigen
„Woher kommst du?“ Eine Frage, die nett gemeint sein kann, die aber viele als eine Form von Alltagsrassismus erleben. Das Bewusstsein dafür zu schaffen, was auch Worte auslösen können, ist eine Aufgabe, die vor allem in der Schule anfängt. So sieht es auch das Genoveva-Gymnasium in Mülheim. Am Donnerstag nahmen Lehrerinnen und Lehrer auf den Stühlen der Schülerinnen und Schüler Platz. Das Thema der Stunde: der Umgang mit Rassismus. An ihrem Fortbildungstag sollen die Lehrkräfte lernen, wie diskriminierendes Verhalten erkannt, bewusst gemacht und vermieden werden kann.
Idee bereits vor sechs Jahren geboren
„Es ist einfach angebracht, das sich eine Schule damit auseinander setzt und dass sich ein Kollegium professionalisiert“, findet Felix Bjerke, Lehrer für Kunst, Geschichte und Philosophie sowie am Genoveva-Gymnasium Leiter des Projekts „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Gemeinsam mit der Schulleitung, einer Schulentwicklungsgruppe und viel externer Unterstützung hat er den Tag organisiert. Die erste Idee für einen solche Fortbildung gab es schon vor sechs Jahren, aber erst im März wurde das Vorhaben angegangen. „Dann haben wir das Stück für Stück zum heutigen Konzept fortentwickelt.“, erzählt Bjerke. Auslöser für den Tag gäbe es viele in unterschiedlicher Größe, die leider täglich stattfänden. Die Muster sind oft die gleichen: unüberlegte Aussagen, Beleidigungen und Äußerungen der Lehrenden, die Schüler sich unwohl fühlen lassen.
Neben Workshops von Expertinnen und Experten unterschiedlicher Organisationen erwartete das Lehrpersonal auch der Austausch mit ehemaligen Schülerinnen und Schülern des Gymnasiums. Diese sogenannten „Critical Friends“ berichten von ihren schulischen Erfahrungen in Bezug auf Rassismus.
Berichte von Erfahrungen mit Rassismus
So auch José Xhemajili, der bis 2022 Schüler an dem Gymnasium war. Gemeinsam mit seiner Mutter Sabina leitet er am heutigen Tag einen Workshop. Sie sind beide Teil des Rom e.V., eine Vereinigung, die sich seit über 30 Jahren für die Menschen- und Bürgerrechte von Roma und Sinti einsetzt. Rassistische Erfahrungen haben Mutter und Sohn oft gemacht. „Ich wurde an dieser Schule in der fünften Klasse von meinem Lehrer gefragt, ob ich in einem Wohnwagen lebe“, erzählt José Xhemajili. Als seine Klasse „Woyzeck“ las, in dem eine rassistische Fremdbezeichnung vorkommt, habe der Lehrer dies nie thematisiert. Dabei hätte sich José Xhemajili gewünscht, dass sein Lehrer Stellung bezieht, darüber informiert und erklärt, warum man so etwas nicht sagt. „So schafft man kein Klassenzimmer für ein Kind, dass sich vielleicht bekennen möchte.“ Seiner Mutter Sabina geht es ähnlich. Besonders eine Frage stört sie schon ihr ganzes Leben. „Woher kommst du? Das hat mich so genervt, schon als Kind.“ Sie findet, man könnte sie stattdessen fragen, ob sie noch eine andere Sprache spräche.
„Wir erlernen es, rassistisch zu sein, weil wir nicht gelernt haben, die gesellschaftlichen Themen rassismuskritisch zu analysieren.“, erklärt Karim Fereidooni, Professor für Sozialwissenschaft an der Ruhruniversität Bochum. In seinem Vortrag stellt er zu Beginn des Tages klar, dass Rassismus nicht in uns stecke und dass es ihn nicht immer gegeben habe. „Um Rassismus zu erlernen, reicht ein ganz normales Aufwachsen in unserer Gesellschaft.“
Pläne für ähnliche Fortbildungen gibt es am Genoveva-Gymnasium bereits. Felix Bjerke würde als nächstes gerne einen Tag zum Thema Extremismus unter Schülerinnen und Schülern veranstalten. Denn: „Nach dem Fortbildungstag ist vor dem Fortbildungstag.“