Auf dem Abschnitt zwischen Keupstraße und Dünnwalder Straße gilt nun Tempo 30. Die Stadt hat dies erst nach massivem juristischen Druck umgesetzt.
Clevischer RingAnwalt erzwingt Tempo-30-Zone in Köln-Mülheim
Die Nachricht war gut versteckt. Nicht als eigene Pressemitteilung, sondern sozusagen im Kleingedruckten teilte die Stadt am Donnerstag in der Rubrik „Baustellen in den Stadtbezirken“ mit, dass sie auf dem Clevischen Ring in Mülheim – der teils sechsspurigen Bundesstraße 8 – in beiden Fahrtrichtungen Tempo 30 eingerichtet hat. Aber nur auf einem 300 Meter langen Abschnitt zwischen Keupstraße und Dünnwalder Straße.
Das sei „aufgrund der anhand eines Gutachtens nachgewiesenen, hohen Lärmbelastung bei anliegenden Wohngebäuden (…) und auf Grundlage eines Urteils des Verwaltungsgerichts Köln vom 29. April 2022“ geschehen. Und weiter: „Aufgrund der dort bereits jetzt vorhandenen geringen Fahrgeschwindigkeiten auch für den ÖPNV werden damit keine signifikanten Beeinträchtigungen der verkehrlichen Funktionen der Bundesstraße bewirkt.“
Stadt handelt erst nach massivem juristischen Druck
Was die Stadt dabei nicht erwähnt: Sie hat die Tempo-30-Schilder erst nach massivem juristischen Druck aufstellen lassen. Vor neun Monaten hatte das Verwaltungsgericht der Klage einer Anwohnerin stattgegeben, die aus Lärmschutzgründen Tempo 30 am Clevischen Ring beantragt hatte. Diesen Antrag hatte die Stadt abgelehnt, mit der Begründung, Tempo 30 sei dort nicht möglich, weil es zu Staus und Schleichverkehren führe.
Nun stellt die Stadt die Lage völlig anders dar. Rechtsanwalt Wolfram Sedlak, der die betroffene Anwohnerin und weitere Kläger vertritt, hat dafür eine simple Erklärung: „Ich habe am 16. Januar die Zwangsvollstreckung des Verwaltungsgerichtsurteils vom 29. April beantragt, weil die Stadt Köln monatelang untätig geblieben ist und keinen Bescheid zur Anordnung verkehrsbeschränkender Maßnahmen erlassen hat. Im Falle weiterer Untätigkeit hätte der Stadt ein Zwangsgeld in Höhe von 10 000 Euro gedroht.“
Lärmgutachten lag bereits 2021 vor
Das machte der Stadt offenbar Beine. Sie erklärte auf Anfrage: „Die Stadt hat mit Anhörung verschiedener Behörden und Verkehrsdienstleister nach § 45 der Straßenverkehrsordnung die absehbaren Auswirkungen auf den Verkehrsablauf und Funktion der Straße als Hauptverkehrsstraße und ÖPNV-Linienabschnitt beurteilen lassen. Gleichfalls wurden mögliche Verlagerungen in andere sensible Bereiche abgeschätzt. Das war die Maßgabe einer Neubeurteilung, die nunmehr abgeschlossen wurde. Sie kam zu dem Ergebnis, dass keine signifikanten verkehrlichen Auswirkungen – entgegen vormaliger Einschätzung – vorliegen. Die Stadt wird im Realbetrieb die Situation beobachten.“
Sedlak betont, ein Lärmgutachten habe bereits 2021 eindeutig erwiesen, dass die geltenden Lärmgrenzwerte am Clevischen Ring „bei weitem überschritten werden“. Der Schallgutachter habe tagsüber Werte von 78 bis 79 Dezibel ermittelt, nachts 70 bis 72. Eine Gesundheitsgefährdung werde von der Rechtsprechung in Mischgebieten ab 70 bis 72 Dezibel am Tag und 60 bis 62 Dezibel nachts angenommen. Eine Prüfpflicht zur Anordnung verkehrsbeschränkender Maßnahmen setze in Mischgebieten aber bereits bei 64 dB(A) tags und 54 dB(A) nachts ein. „Lärm in der Größenordnung wie beim Clevischen Ring stellt eine Gesundheitsgefährdung dar“, sagt Sedlak.
Weitere Anwohner könnten ebenfalls Anträge stellen
Die Stadt habe sich lange geweigert, dem Antrag auf Tempo 30 als schnelle, wirksame und preisgünstige Methode zur Lärmreduzierung stattzugeben, so der Anwalt. „Es war politisch nicht gewollt.“ Dass sie jetzt nur auf 300 Metern im Bereich der Wohnung der Klägerin Tempo 30 anordne, sei inkonsequent. „Die Lärmbelastung davor und dahinter dürfte ähnlich groß sein. Durch ihre Untätigkeit macht sich die Stadt Köln mitverantwortlich für die Gesundheitsschädigung der Anwohner in diesen Bereichen.“
Anwohner des Clevischen Rings könnten nun an anderen Stellen ebenfalls Tempo 30 beantragen, damit die Straße durchgängig leiser werde, so der Anwalt. Das sei kostenlos, die Stadt könne solche Anträge jetzt kaum noch ablehnen. Auch eine Möglichkeit zur flächendeckenden Anordnung von Tempo 30, wie sie NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer schaffen will, gebe es längst, sagt Sedlak. Der gesetzliche Hebel dafür sei der Lärmaktionsplan, das bestätige ein höchstrichterliches Urteil aus Baden-Württemberg. Weitere Tempo-30-Zonen werden in Köln so oder so folgen. Neue Anträge gibt es zur Amsterdamer und Luxemburger Straße, neue Klagen laufen zur Lindenstraße, Bergstraße, Merheimer Straße, Siegburger Straße und Weißer Straße.