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Kölner KonzertSo verzauberte Zaho de Sagazan das Palladium

Lesezeit 4 Minuten
Zaho Mélusine Le Moniès de Sagazan

Mit viel „sentiment“: Zaho de Sagazan

Die Französin ist im Nachbarland längst ein Superstar. Bei einem Konzert in Köln konnte sie am Mittwochabend im ausverkauften Kölner Palladium überzeugen.

Ganz allein im Lichtkegel sitzt sie am analogen Synthesizer. Und plötzlich ist dieser laute, später sehr pulsierende Konzertabend ganz still. „Dis-moi que tu m'aimes“ singt Zaho de Sagazan. Die weiße Bluse über dem sportlichen Einteiler schwingt im sanften Rhythmus der Tasten. „Ich kann nicht glauben, dass Du mich liebst. Aber bitte sag es mir noch einmal. Sag es mir lauter.“ Eine halbe Stunde ist der Abend da alt, und längst liegt ihr das ausverkaufte Palladium zu Füßen. Knapp 4000 Fans bestaunen das 25-jährige Wunderkind aus dem französischen Atlantikstädtchen Saint-Nazaire.

Kometenhaft ist Zaho de Sagazan im Nachbarland zum Superstar aufgestiegen. Spätestens seit sie mit „Sous le ciel de Paris“ die Schlussfeier der Olympischen Spiele eröffnete und die Verleihung der Victoires de la Musique zu ihrem persönlichen Triumphzug machte, elektrisiert sie ihr Publikum. Fünf Mal war sie nominiert, vier der französischen Grammys nahm sie mit nach Hause. Kaum zu glauben, dass sie im vergangenen Jahr noch in der gemütlichen „Kantine“ in Köln zu Gast war. Fünf Deutschland-Konzerte hat sie in diesen Tagen gegeben, alle waren ausverkauft.

Zaho de Sagazan in Köln: Ein Abend im Blitzlichtgewitter

In Köln feiert sie einen Abend im Blitzlichtgewitter. „La symphonie des éclairs“ lautet ihr Album, und durch die Gewitterblitze tanzt sich die junge Sängerin durch den Abend. Im Titelstück singt sie von der Schönheit unter den Wolken. „Wenn ich ein Vogel wäre, würde ich durch den Sturm tanzen.“  Mit schwingenden Armen und festem Tritt bewegt sich Zaho de Sagazan über die Bühne. Manchmal federleicht, bisweilen wie ein Landvermesserin. Immer voller Energie.

Ich mag es zu weinen.
Zaho de Sagazan

Sie sei im wirklichen Leben nicht sehr selbstbewusst, hat die junge Sängerin kürzlich in einem Interview erzählt. Aber auf der Bühne breche etwas aus hier heraus, was sonst im Verborgenen liege. „Ich mag es zu weinen.“ Und sie habe früher sehr viel geweint am Klavier. In Köln können die offenbar allesamt zutiefst francophilen Zuschauer dabei jeden Takt mitgehen. Das wuchtige „La fontaine de sang“ eröffnet den Abend, und die Reise in eine rücksichtslose Neuinterpretation des französischen Chansons beginnt.  Sie mag Charles Aznavour und Francoise Hardy, sagt Zaho de Sagazan. Aber sie mag keine plumpen Ehrerbietungen.

Sie bricht die Tradition mit Synthie-Pop-Linien, die direkt aus den 80er Jahren zu stammen scheinen. Die reduzierte Bühne pulsierte in Kraftwerk-Stromlinien. Während eines Studienaufenthaltes in Berlin hat Zaho Mélusine Le Moniès de Sagazan die deutsche Elektromusik und ja, auch die Sprache kennengelernt. Das wenig melancholische „Amour avec toi“ erzählt von einer Frau und der unverhandelbaren Lust auf das Leben. Sie übersetzt es mit dem schlichten wie strengen „Hab' Sex mit mir“. Da umarmt auch der Oberstudienrat im Karohemd seine Begleitung.

Die sanfte Ballade „Old friend“, die sie mit Tom Odell singt, ist zur Hymne für viele Liebespaare geworden. Auf der Kölner Bühne meldet sich Odell per Telefon für seinen Part. Sehr komisch und hinreißend schön.

Die Szene des Nouvelles Chansons hat - hierzulande verbreitet durch das Kölner Label Le Pop  - viele Sängerinnen und Sänger hervorgebracht, die dem französischen Chanson auf Links gezogen und Traditionen fortgeschrieben haben. Doch niemand tat es derart radikal und aufregend wie die 25-Jährige mit der kristallklaren Stimme. Den steifen Galaabend von Cannes mischte sie mit einer atemberaubenden Version von Bowies "Modern Love" auf. Regisseurin Greta Gerwig kamen fast die Tränen. Im Palladium hebt sie das Stück für den Zugabeteil auf. Ebenso wie die sehr charmante Version von Nenas „99 Luftballons“ . Bis dahin hat sie sich mehrfach mit dem Mikrofon zu den Besucherinnen und Besuchern begeben, hat das Palladium in eine schwitzige wummernde Tanzhalle verwandelt und sich beharrlich geweigert, ihre Anmoderationen nicht auf Englisch, sondern in der Muttersprache zu sprechen. „No!“ Am Ende durchschreitet sie die lange  Säulenhalle wieder mit dem Mikrofon und singt „Ah que la vie est belle“  von Brigitte Fontaine. In den Gesichtern der Zuhörenden spiegelt sich das Glück. Die Blitze haben Funken geschlagen.