„Pädophiler Serientäter“Landgericht Köln verurteilt Pfarrer U. zu langer Haft
Köln – Am Ende dieser zermürbenden drei Stunden, in denen am Freitag der Vorsitzende der 2. großen Strafkammer des Kölner Landgerichts, Christoph Kaufmann, begründet hatte, warum der ehemalige Pfarrer Hans U. wegen sexuellen Missbrauchs zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden war, am Ende dieser qualvollen Stunden, in denen der Richter einige der 110 Fälle in vielen Einzelheiten geschildert hatte, da traten drei betroffene junge Frauen im Foyer des Gerichtsgebäudes vor die Presse.
Die Opfer haben in diesem Prozess echten Mut bewiesen
Es war ein mutiger Schritt, sich in aller Öffentlichkeit zu outen, aber sie gaben den Opfern, die in den 25 Verhandlungstagen zu ihrem Schutz hinter verschlossenen Türen ausgesagt hatten, Gesichter. Es waren zwei seiner drei Nichten, die der Onkel von Sommer 1993 bis Ende 1999 – damals zwischen sieben und 13 Jahren alt – in Gummersbach missbraucht hatte. Die dritte, 1999 geboren, hatte U. sich im Januar 2011 in Wuppertal gegriffen. Die Frauen bedankten sich beim Gericht, dass sie endlich wahrgenommen worden seien. Sie hätten nicht Nein sagen können, als sie missbraucht worden seien, von einem katholischen Priester, vom eigenen Onkel, betonte eine der insgesamt drei Nichten. Ihre Schwester erklärte, der Täter sei für seine Taten verantwortlich, nicht das Opfer.
Pfarrer U. weist zunächst jede Schuld von sich
Hans U. hatte nach der ersten Anzeige gegen ihn im Jahre 2010 jede Schuld von sich gewiesen und behauptet, seine Verwandten wollten sich an ihm rächen, weil er die finanzielle Unterstützung für die Familie eingestellt habe. Das Erzbistum hatte ihn wegen der Vorwürfe zunächst beurlaubt, ließ ihn aber bald wieder als Krankenhausseelsorger in Wuppertal wirken.
Er war wohl ein sehr durchsetzungsstarker Mann, der sich auch gegen Obere seiner Kirche behaupten konnte. Dabei hat er nur mit einer Sondererlaubnis die Zulassung zum Priesteramt bekommen. U., 1951 in Köln geboren, blieb auf dem Gymnasium dreimal sitzen, warf dann sein Studium der Physik und Mathematik nach zwei Semestern und studierte ab 1973/74 in Bonn Theologie. Seine Diplomarbeit auf dem Priesterseminar muss so schlecht gewesen sein, dass die Beurteilung „ein einziger Verriss“ war. Dennoch trat er 1985 eine Kaplanstelle in Kerpen an, 1987 wurde er Pfarrer in Gummersbach, 2002 kam er als Krankenhausseelsorger nach Wuppertal, 2014, drei Jahre nach der Anzeige der Nichten, brachte er es zum Stellvertreter (Definitor) des dortigen Stadtdechanten.
Bereits 1979 gab es die ersten Übergriffe
Die Übergriffe gegen Kinder begannen nach Feststellungen des Gerichts 1979. U. lebte als Diakon in Alfter und engagierte sich nebenbei im Kinderheim „Maria im Walde in Bonn, wo er sich besonders um zwei Zöglinge kümmerte. Es gelang ihm mit energischen Worten den damaligen Erzbischof Joseph Kardinal Höffner zu überzeugen, dass er den Jungen (12) und das Mädchen (13) als Pflegekinder bei sich aufnehmen durfte. Das Bistum stimmte unter zwei Bedingungen zu: Das Mädchen muss sich taufen lassen, und im Haus muss eine Haushälterin wohnen. Richter Kaufmann: „Die erste Auflage wurde schnell erfüllt, die zweite nie“. Die Folge: Zweimal schwängerte U. das Mädchen, zweimal musste es abtreiben, beim ersten Mal wusste die 13-Jährige nicht, was ihr geschah. Diese beiden Fälle sind verjährt und konnten strafrechtlich nicht mehr verfolgt werden.
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Hans U. galt als „außergewöhnlicher, weltoffener, geselliger und moderner Geistlicher“, beschrieb Kaufmann den Angeklagten: eine Vertrauensperson, ein „Repräsentant Gottes auf Erden“. So scheint es nicht zu verwundern, dass ihm Eltern in seiner Gemeinde in Gummersbach bedenkenlos ihre Kinder anvertrauten, die im Pfarrhaus im Ortsteil Lantenbach ein- und ausgingen. Er setzte sie gerne auf seinen Schoß – der Richter: „Das war eine Spezialität von Ihnen“. Oder er missbrauchte sie in der Badewanne und in seinem Bett, nannte das „Anatomieunterricht“, und schreckte nach den Ermittlungen auch nicht davor zurück, mit der Mutter eines der Kinder Sex zu haben. Manchmal bekamen die Mädchen nach dem Geschlechtsverkehr Geschenke; oft reichte er ihnen abends, wenn sie im Pfarrhaus übernachteten, vor dem Einschlafen „Wunder-Smarities“. Was sie enthielten, konnte die Kammer nicht klären. Ein Vater sagte weinend als Zeuge: „Es macht mich wahnsinnig, wenn ich an die Pillen denke.“
Gericht nennt U. einen „pädophilen Serientäter“
Für das Gericht steht fest, dass U. ein „pädophiler Serientäter“ war, der über vier Jahrzehnte Missbrauch betrieben habe. Er sei eine „Persönlichkeit mit hedonistischen Zügen“, der einen hohen Lebensstandard gepflegt habe, „immer die neueste Technik, goldene BMWs“, ein altes Pfarrhaus in Zülpich als Wohnhaus. Aber er habe, so Richter Kaufmann, der während dieser Sätze den Angeklagten fest anschaute, keine Empathie für seine Opfer gezeigt, habe seine Beziehungen für seine Zwecke „rücksichtslos ausgebeutet“. Die Folgen für die Betroffenen: Fast alle sind in therapeutischer Behandlung, leiden an Ängsten, Schlafstörungen, Magersucht, Depression.
Vielleicht hätte die katholische Kirche dieses Leid verhindern können. Als U. 2010 als Seelsorger beurlaubt worden war, scherte ihn das nicht, er übte sein Amt einfach weiter aus. Der damalige Personalchef des Erzbistums Köln und heutige Hamburger Erzbischof Stefan Heße habe diese Verstöße „sanktionslos hingenommen“. Die Diözese sei „peinlich“ bemüht gewesen, den Fall nicht an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen „im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Kirche“, tadelte der Richter.