„Loss mer singe“So oft er kann besucht Christian das Kölsche Mitsingformat

Kumm, mer lääve: Christian van Wickeren mit Freundin Jacqueline bei Loss mer singe im „Heller’s Brauhaus“.
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Köln – Kein Zweifel, der Mann weiß, was zu tun ist. Christian van Wickeren steht auf einem Heizkörper im Heller’s Brauhaus, er breitet die Arme aus, als wolle er eine Schrankwand umarmen und schmettert: „Vun der Südkurv bis zum Nordkrüz“. „Loss mer singe“ heißt es an diesem Abend im Studentenviertel, und der 27-Jährige ist ein echter Junkie des Mitsingformats. Er steht im Schneegestöber an und wartet schon mal drei Stunden vor der Tür. In dieser Session wird er wieder in mehr als zehn Kneipen dabei sein – nicht schlecht für nen „Imi“.
Der Jeck mit der schrägen Narrenkappe stammt vom Niederrhein. Aus Uedem-Keppeln genauer gesagt. Über sein Studium in Nimwegen ist der Sozialpädagoge nach Köln gekommen, wo er auf viel Lebensfreude und Georg Hinz traf. In dessen Küche ist bekanntlich vor mehr als 15 Jahren das Format Loss mer singe (LMS) erdacht worden. Auch Hinz stammt vom Niederrhein, was für van Wickeren ein Grund mehr war, sich der Mitsingbewegung hinzugeben. „Ich wusste nix, als ich vor drei Jahren das erste Mal dabei war“, sagt er. Dass sich das kölsche Liedgut am besten in der Praxis erlernen lässt, hat er aber schnell begriffen. „Ich war sofort angefixt. Ist doch toll, dass die Sprache so gepflegt wird.“
Tatsächlich ist LMS mit den Jahren stetig gewachsen. Das Einsingen für den Karneval findet in Köln inzwischen in über 30 Kneipen statt, an manchen Abenden zeitgleich drei oder vier Mal, dazu kommen Veranstaltungen in der Region und in Berlin, insgesamt sind es über 50 Kneipenpartys.
Auch im Heller“s stehen 20 Titel auf dem Programm. Der Kreis der Favoriten ist in diesem Jahr unstrittig. Milieu mit „Wolkenplatz“ sind immer vorne dabei, ebenso wie Kasalla und „Mer sin Eins“. Dauersieger in fast allen Kneipen ist aber „Dä Plan“ von Querbeat. Auch im Studentenviertel tobt die Bude als der groovige Sound der Marchingkombo aus den Lautsprechern dröhnt. Der Ovend is dud? „Lang lääve der Ovend“. Ein perfekter Song sei das, sagt van Wickeren. „Seit ich in Köln lebe, kenne ich die deutschen Charts gar nicht mehr.“ Für Kraftklub und Die Ärzte habe er immer ein offenes Ohr. Aber sonst? „Dat hööt mit op“. Das ist von Pläsier, auch schön.
Dass in die Kneipe des Herzens nicht reinkommt, wer sich zu spät anstellt, ist ihm auch schnell klar geworden. Doch vom Ansturm lässt sich der Erzieher nicht schocken. In die Ubierschänke in der Südstadt hat er sich einfach schon am Nachmittag gesetzt, an Weiberfastnacht ist er mal durchs Toilettenfenster in ein Lokal geklettert. Und vergangene Woche hat er vier Stunden angestanden, um Karten für LMS im Gaffel am Dom zu ergattern. „Für mich ist das genau das richtige Format. Sitzungen finde ich zu steif, außerdem wird’s da viel zu teuer.“ Textsicher ist er jedenfalls. „Mich nervt es, wenn die Leute hierhin kommen, um zu quatschen“, sagt er. Schließlich gebe es zwischen den Zeilen des Liedguts allerhand zu ergründen.
Sein kölscher Lieblingssong heißt „E Leed för Tschö ze saare“ von Kasalla. Überhaupt ist er den Kölschrockern verfallen. Bei Ostermann und Co. müsse er dagegen noch etwas nacharbeiten, räumt er selbstkritisch ein, schließlich will man an Karneval nicht ohne Worte an der Theke stehen.
Bis dahin hält das Vorbereitungsprogramm aber noch einige Mitsingkonzerte bereit. Auch in seiner Heimat am Niederrhein übrigens. Im “Hotel Auler“ in Goch-Pfalzdorf nächste Woche. Leider kann van Wickeren nicht. „Aber meine Brüder werden da sein.“