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„Lohnt sich das überhaupt?“Wie Kölns Wirte sich auf die Öffnung vorbereiten

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„Es geht plötzlich alles sehr schnell“: Romain Wack wird im „Wackes“ mit einer reduzierte Karte starten.

Köln – Das wichtigste Utensil im Lokal ist: der Zollstock. Till Riekenbrauk schwenkt ihn durch den Gastraum, misst die Abstände zwischen den Tischen, die ab kommender Woche ganz anders stehen müssen. Der Chef des Brauhauses „Johann Schäfer“ in der Südstadt bereitet sich auf den Re-Start vor. Die Zeit drängt, und viele Fragen sind offen.

Welche Vorbereitungen müssen die Wirte treffen?

Das wüssten sie auch gerne. Wie Riekenbrauk schauten viele Kollegen in der Branche am Freitag gespannt nach Düsseldorf. Nach der Pressekonferenz des Ministers war immerhin klar: Die Tische müssen mit 1,50 Meter Abstand stehen. Und: Platz nehmen dürfen nur Bewohner eines oder zweier Haushalte. Jeder Gast muss sich namentlich registrieren, wenn er das Lokal betritt. Schon da sieht der Gastronom, der auch im Vorstand der Interessenvertretung IG Gastro aktiv ist, ein Problem: „Namenslisten finde ich datenschutzrechtlich nicht o.k.“ Bis nächste Woche wollen sie eine App auflegen, in die sich jeder Gast eintragen kann.

Misst das Lokal aus: Thomas Borninkhof im „Johann Schäfer“.

Offen ist, ob die Beschäftigten einen Mundschutz im Lokal tragen müssen. Ob die Gläser warm gespült werden müssen, ist ebenfalls nicht geregelt, die Tendenz geht dahin. Der Deutsche Brauer-Verband hatte schon im April darauf hingewiesen, dass die Reinigung bei 60 Grad besonders schützend und effizient sei. Das Problem: Das geht nur im Geschirrspüler. Riekenbrauk hat ein Gerät bestellt. Aber ob es bis Montag da ist?

Ist der Vorlauf nicht viel zu knapp?

Es ist mehr als sportlich. Romain Wack betreibt seit 1983 das elsässische Lokal „Wackes“ in der Benesisstraße in der City. Er hat während der Schließungszeit Flammkuchen und Riesling „to go“ verkauft. Dass man kein Konzept vorbereitet hatte, macht ihn fassungslos: „Es ist absurd. Keiner weiß etwas, aber Montag soll es wieder losgehen.“ Auf zwei Etagen hat der 65-Jährige normalerweise Platz für 80 Gäste.

Normalerweise. Mit der Abstandsregel wird er nur die Hälfte unterbringen können. Er plant eine reduzierte Karte mit einfachen Gerichten. Und den Wein würde er gerne verkaufen, die Lager sind voll, und den Winzern geht es nichts anders. Es sind aber nur drei Tage Zeit, um frische Lebensmittel im Großhandel zu bestellen. Auch dort war der Betrieb heruntergefahren, Mitarbeiter befinden sich in Kurzarbeit. Drei Tage bis zur Wiedereröffnung.

Was empfiehlt der Verband?

Der war gestern ebenfalls ratlos. „Wir würden den Betrieben gerne eine Handlungsanweisung schreiben“, sagt der stellvertretende Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), Mathias Johnen. Aber auch dafür fehlt es noch an Informationen. Desinfektionsmittel werden vorrätig sein müssen aber ob an jedem Tisch oder nur am Eingang, welche Regeln in der Küche gelten, ob die Theken genutzt werden dürfen? Alles offen. Klar ist: Bars und Clubs ohne Speisekarte dürfe vorerst gar nicht öffnen. Von den 3000 Gastronomiebetrieben in Köln machen sie rund ein Drittel aus. Für sie wird es immer schwerer, durchzuhalten.

Werden die Gäste wieder kommen?

Unsere Stammgäste freuen sich“ sagt Annemarie Wahlen, die mit ihrem Mann das traditionsreiche Café Wahlen am Ring betreibt. Seit 60 Jahren führen sie die Geschäfte. Die Torten gab es zuletzt von Freitag bis Sonntag im Außer-Haus-Verkauf. Nun möchten die treuen Kunden sie gerne wieder im vertrauten Saal einnehmen, erzählt die Chefin.

Freut sich auf die Rückkehr der Stammgäste: Annemarie Wahlen.

„Wir haben genug Platz, um den Abstand einzuhalten.“ Am Donnerstag ab 10 Uhr soll der Betrieb wieder losgehen. Aber wird es überall so sein? Romain Wack glaubt nicht, dass die Leute große Lust verspüren auszugehen. Dafür seien die Regeln zu strikt, „die Leute haben sich schon daran gewöhnt, zu Hause zu kochen“. Außerdem müssten viele in der Krise aufs Geld achten. Auch Riekenbrauk ist skeptisch. Normalerweise sitzen die Leute dicht an dicht in seinem Brauhaus. Das Stimmengewirr, das Vibrierende, der Austausch unter den Gästen, das alles gehöre zum Lokal. „Wir verkaufen nicht nur Essen, wir verkaufen eine gute Zeit.“

Lohnt sich die Öffnung überhaupt?

Auch das ist offen. Der 34-Jährige Riekenbrauk, der mit Thomas Borninkhof das Lokal betreibt, hat große Sorgen. Bislang ist er ganz gut durch die Krise gekommen.

Außenplätze

Mehrere Wirte habe angesichts der Krise eine Ausweitung der Terrassenplätze gefordert. Die Stadt sicherte überall da, wo die Ausweitung möglich ist, eine „lösungsorientierte“ Prüfung zu.

Die Gebühren für die Außengastronomie in der Hauptsaison (März bis Oktober) will die Verwaltung in diesem Jahr nicht erheben. Bereits gezahlte Sondernutzungs- und Verwaltungsgebühren werden den Betreibern der Lokale anteilig rückerstattet, teilte die Stadt mit. Zuvor hatte der Bund bereits eine temporäre Mehrwertsteuer-Senkung für die Gastronomie beschlossen.

1000 Betriebe sind in Köln existenziell durch die Corona-Krise bedroht, vermuten Branchenkenner, das wäre jeder dritte Gastronomie-Betrieb. Viele forder weitere staatliche Hilfen. (mft)

Klar, im Braukessel liegen noch 1500 Liter Bier, die Kisten mit Flaschenbier stapeln sich (Freitag und Samstag sollen sie im Lagerverkauf rausgehen). Aber der Vermieter hat die Hälfte der Miete erlassen, die 9000 Euro Soforthilfe sind da. Er wolle nächste Woche die Karte voll bespielen, „das erwarten die Leute auch“. Und das Personal müsse natürlich bezahlt werden. Und dann höchstens die Hälfte der Einnahmen? Die Teilöffnung könnte auch zum „Brandbeschleuniger“ werden, fürchtet er. „Ich werde mir die Rechnungen jede Tag ansehen.“ Und wenn dort immer ein Minus steht? „Dann werden wir wieder schließen. Sonst sind wir pleite.“