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Prozess um Video-Stream in KölnWie sexueller Missbrauch zur illegalen Bestellware wird

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Vor dem Landgericht an der Luxemburger Straße findet der Prozess statt.

Vor dem Landgericht an der Luxemburger Straße findet der Prozess statt.

Der Prozess gegen einen 55-Jährigen in Köln legt erschreckende kriminelle Strukturen offen.

Vor etwa zehn Jahren wurde das Phänomen bei Strafverfolgungsbehörden erstmals wahrgenommen: Sexueller Kindesmissbrauch auf Bestellung in Live-Chats. Charakteristisch für das Phänomen: „Vor allem Menschen aus dem wohlhabenden Westen, bestellen solche Taten bei Menschen in armen Ländern“, sagte eine Beamtin (29) vom Bundeskriminalamt (BKA) am Freitag vor dem Landgericht aus.

Auf Nachfrage des Vorsitzenden Christoph Kaufmann engte die 29-Jährige von „Menschen“ auf „Männer“ ein: „Ein Fall, wo eine Frau sexuellen Kindesmissbrauch bestellt hat, ist mir nicht bekannt“, sagte die Beamtin, die seit vier Jahren bei der BKA-Zentralstelle zur Bekämpfung von Sexualverbrechen zum Nachteil von Kindern arbeitet. Seit zwei Jahren beschäftigt sich die Beamtin vorrangig mit Kindesmissbrauch auf Bestellung im Video-Live-Stream. Auch vor der 2. Großen Strafkammer ist es ein Mann (55) dem von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen wird, in 13 Fällen auf den Philippinen schweren sexuellen Kindesmissbrauch bestellt zu haben und pro Fall rund 1500 Philippinische Pesos (rund 24 Euro) gezahlt zu haben. Anbieter von Missbrauch auf Bestellung, sind nicht selten Familienangehörige oder Eltern der minderjährigen Opfer.

„Ein Fall, wo eine Frau sexuellen Kindesmissbrauch bestellt hat, ist mir nicht bekannt.“
Beamtin (29) vom Bundeskriminalamt

In der Anklage gegen den 55-Jährigen sollen die Kinder zwischen 5 Monate und 15 Jahre alt gewesen sein. Während die Eltern ihren Kindern sexuelle Gewalt auf Bestellung angetan hätten, habe der Angeklagte per Live-Stream zugeschaut. Auch aus Thailand, Kambodscha und mittlerweile auch Kolumbien gebe es immer mehr Anbieter solcher Verbrechen.

Dass die Philippinen „den Schwerpunkt in diesem Phänomenbereich“ darstellten, liege daran, dass dort Englisch eine Amtssprache sei. Technisch sei Live-Streamen für Philippiner kein Problem, das Land sei flächendeckend mit Breitband-Internet versorgt, selbst in entlegenen Provinzen, weshalb nicht nur die Metropolregion Manila betroffen sei, erläuterte die 29-Jährige. „Das wirtschaftliche Gefälle zwischen reichen Kunden aus dem Westen und großer Armut bei den Anbietern auf den Philippinen ist der entscheidende Faktor“, betonte die BKA-Beamtin. Aus den USA sei schließlich der entscheidende Hinweis auf den Angeklagten gekommen. Bei Ermittlungen gegen eine Philippinerin sei auch ein Chat des Angeklagte aufgetaucht. Die US-amerikanische Heimatschutzbehörde „Homeland Security“, eine Partnerbehörde des BKA, wie die Zeugin sagte, habe den entsprechenden Chat an die BRD weitergeleitet.

Anbahnung über Dating-Apps

Die Anbahnung finde meist über auf den Philippinen verbreitete Dating-Apps statt. Männer aus dem Westen würden dort meist mit Frauen Kontakt aufnehmen. „Und entweder fragt die Anbieterin, ob beim Kunden der „Wunsch nach etwas jüngerem“ vorhanden ist, oder aber der Kunde fragt offensiv in die Richtung“, wusste die Beamtin zu berichten. Ein Schema, was die Kunden bevorzugten, gebe es aber nicht: „Ob mit Mädchen, ob mit Jungen, ob mit Frau oder Mann dabei oder auch Forderungen mit sadistischen Zügen, das ist individuell“, sagte die Beamtin. Die Bezahlung erfolge dann über gängige Zahlungsdienstleister wie Paypal, Western Union oder aber GCash, einem auf den Philippinen sehr verbreiteten Anbieter.

Die Täter auf den Philippinen müssten bei Entdeckung mit bis zu 30 Jahren Haft rechnen. In Deutschland liefen derzeit rund 100 Verfahren, wo die Beschuldigten mit ähnlichen Vorwürfen, wie der 55-Jährige konfrontiert sind. Der Prozess wird fortgesetzt.